Auszeichnung
Gut und schön: Baukunst auf dem Land

Architektur ohne Firlefanz: Objekte in Niederbayern und Oberpfalz wurden in Regensburg mit dem Regionalpreis des BDA geehrt.

29.11.2015 | Stand 16.09.2023, 7:00 Uhr
Avantgarde in schönster Tradition: Ziegenstall in Seubersdorf, entworfen von Kühnlein Architektur Berching. Der Kubus wurde von der Jury als Paradebeispiel für einfaches Bauen hoher Güte gewählt. −Foto: Kühnlein

Die globale Vernetzung hat ihren Preis. Städte verlieren ihre Identität, werden austauschbar. Wohnquartiere und Wolkenkratzer in den Metropolen ähneln sich. Selbst die sogenannten signature buildings, die mit skurrilen Formen Ausrufezeichen in die Silhouette setzen, bleiben keine Solitäre. Ein berühmtes Beweisstück ist die Londoner „Gurke“ (The Gerkin, Büro Foster und Partner), die Jean Nouvel fast zeitgleich in Barcelona in den Stadthimmel rammte.

Genau hier kann regionale Baukunst ein Zeichen setzten. In der Unverwechselbarkeit sieht Jakob Oberpriller die Chance für das Bauen im ländlichen Raum. Die Häuser abseits der großen Städte schöpfen aus reicher Geschichte, bilden historische Hauslandschaften und lassen ihre Prägungen ablesen: Prägungen durch klimatische Bedingungen, durch das Material, das vor Ort zur Verfügung steht, und daraus abgeleitet durch spezifische Handwerkstraditionen. Gewachsene Unterschiedlichkeit eben, so der Vorsitzende des Regionalverbands Niederbayern-Oberpfalz des Bunds deutscher Architekten (BDA). Er sprach am Freitagabend im Regensburger Andreasstadel (auch so einem Beispiel fürurwüchsig-unverwechselbare Baukunst der Region). Bei dem Festakt wurde – zum vierten Mal – der BDA-Regionalpreis für bemerkenswerte zeitgenössische Architektur überreicht.

Die Kraft, Nachahmer zu inspirieren

Je vier Objekte in Niederbayern und der Oberpfalz erhielten Auszeichnungen, je vier Objekte Anerkennungen. „Schöne Sachen machen sie, die Kollegen“, so Florian Naglers Fazit nach der Bewertung der Arbeiten. Die Objekte hätten die Kraft, Nachahmer zu inspirieren. „Ganz offensiv kann man sagen, dass es in der Architektur der Region eine positive Entwicklung gibt“, so Nagler. „Die Breite in der Spitze ist dichter geworden“, zitierte er Uli Hoeneß, Ex-Präsident des FC Bayern.

Ein poetisch-funktionales Stück Infrastruktur

Brückner & Brückner Architekten sind seit Jahren Stars der Architektenszene. Dass der Nimbus nicht auf welkem Lorbeer ruht, sondern immer wieder neu errungen wird, zeigt ein aktuelles Projekt: die Himmelsleiter und Heusterzbrücke in der Seenplatte Tirschenreuth, ein poetisch-funktionales Stück Infrastruktur. Die Brücke (Bauherr: Landkreis Tirschenreuth) verbindet zwei Ufer, kann aber viel mehr. Sie schwingt sanft durch die Landschaft und berührt an wenigen Punkten den Boden. Sie öffnet grandiose Ausblicke und ist ihrerseits ein grandioser Anblick. Sie strahlt Ruhe, Eleganz und vollständiges Einvernehmen mit der Natur aus – und zeigt dabei eigenständige räumliche Kraft.

Ein kleines Konzerthaus und viele Akteure

Auch ein Ziegenstall kann ein kleines Kunstwerk sein: Der hölzerne Kubus in Seubersdorf, entworfen vom Büro Kühnlein Berching, formt aus einfachen Baustoffen und mit enormer Kreativität ein winziges Gebäude, das selbstverständlich, funktional, echt und zeitlos ästhetisch ist. Kühnlein plante den Stall für den Eigenbedarf – kein Einzelfall. Bei mehreren ausgewählten Objekten waren Planer und Auftraggeber identisch.

Ausdrücklich ehrt der BDA-Regionalpreis nicht nur Architekten, sondern auch Bauherren: weil gutes Bauen eigentlich nur möglich ist, wenn beide Partner auf Qualität setzen, wie Florian Nagler betonte. Den eindrucksvollen Beleg lieferte etwa der Fall Blaibach. Ein kleines, prägnantes Konzerthaus, entworfen von Peter Haimerl München, sitzt als granitumhüllter Solitär auf dem Dorfplatz, zieht – auch wegen seiner brillanten Akustik – Weltklasse-Künstler in den Bayerwald und gibt dem ganzen Ort einen Schub. Die Blaibacher rückten deshalb auch zehn Mann hoch zum Festakt im Andreasstadel an und demonstrierten kraftvoll den Schulterschluss von Architekt und Auftraggeber.

Qualitätvoller Wohnraum für Flüchtlinge

Karlheinz Beer aus Weiden, Bayern-Vorsitzender im BDA und Spitzenkandidat für die Wahl des neuen Präsidenten der Bayerischen Architektenkammer 2016, tippte im Andreasstadel aktuelle Herausforderungen an: Wohnraum für Flüchtlinge. „Ich hoffe, wir müssen in zehn Jahren nicht erkennen, dass wir das riesige Bauvolumen, das jetzt entsteht, nur in Container umgesetzt haben“, sagte er. Container könnten keine Lösung auf Dauer sein; „es braucht menschenwürdige Antworten“. Verschiedene Initiativen packen die Frage nach gutem und günstigen Bauen für Flüchtlinge an. In München filtert gerade die Intiative „Wohnraum für alle“ Ideen.