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Chemie Kelheim ist in der Insolvenz

Der Schwefelsäureproduzent konnte, 80 Jahre nachdem die Werkerrichtung gestartet war, nicht mehr gerettet werden.

10.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:30 Uhr
Elfriede Bachmeier-Fausten
Die Chemie Kelheim im Stadtteil Affecking −Foto: Bachmeier-Fausten

Als die 32 Mitarbeiter der Chemie Kelheim am 17. November erfuhren, dass ein Insolvenzantrag gestellt ist, traf sie die Hiobsbotschaft äußert überraschend. So manch Außenstehende sprach von einer Schockstarre, in die diese Nachricht die Mitarbeiter versetzt habe. Dies und sicherlich auch die Verbundenheit mit dem Werk, bei dem sie Jahrzehnte in Lohn und Brot standen, mögen sicherlich Gründe sein, warum niemand sich zum Betriebsniedergang äußern möchte. War im November und Dezember in der Belegschaft noch gehofft worden, dass es doch weitergehen könnte bei dem Schwefelsäureproduzenten unweit des Kelheimer Hafen, so stand dann aber noch im Dezember fest, dass es keine Rettung für den Schwefelsäure- und Oleum-Produzenten gibt. Am 10. Januar ist vom Insolvenzgericht am Amtsgericht Regensburg das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter bestellt ist Rechtsanwalt Joachim Exner, der auch bereits der vorläufige Insolvenzverwalter war.

Transfergesellschaft bezieht Büro

Am Dienstagvormittag hat die PTG Projekt- und Transfergesellschaft gemeinnützige GmbH das angemietete Büro im Gebäude der Hafenverwaltung, Hopfenbachweg 4, nach Auskunft von Herbert Engl, Geschäftsführer des Hafenzweckverbandes, eingerichtet. Im Laufe der Woche werden an dem Haus von der Hafenverwaltung ein Türschild und ein Briefkasten für die Mieterin angebracht. Bereits Mitte Dezember hatte der damalige vorläufige Insolvenzverwalter von Chemie Kelheim, Rechtsanwalt Joachim Exner, von der Kanzlei Dr. Beck & Partner GbR den Wechsel der Chemie Kelheim-Mitarbeiter in eine Transfergesellschaft – Qualifizierungsgesellschaft – angekündigt. Er erwähnte auch, bei mehreren potenziellen Interessenten angefragt zu haben, jedoch sei niemand am Erwerb der Chemie Kelheim interessiert gewesen. Exner wies auf die alten und störanfälligen Produktionsanlagen und auf den starken Verdrängungswettbewerb am Schwefelsäuremarkt hin. Seit dem 22. Dezember ist die Produktion eingestellt. Seitdem werden laut Landratsamt keine Emissionen mehr abgegeben. Wie berichtet, nimmt es aber noch einige Zeit in Anspruch, bis die Anlage endgültig abgefahren ist. Ein Schwefelgeruch ist nicht mehr wahrzunehmen.

Landrat Martin Neumeyer zum Aus der Chemie Kelheim: „Ich bedauere die Werkschließung und die Auswirkungen auf die Beschäftigten. Seit Bekanntwerden der vorläufigen Insolvenz der Chemie Kelheim unterstützt das Landratsamt den Insolvenzverwalter im Rahmen unserer Möglichkeiten. So hat auf meine Vermittlung hin der Zweckverband Häfen der Transfergesellschaft Räume im Gebäude der Hafenverwaltung vermietet.“

Lichtblick für einige Mitarbeiter

Einige Mitarbeiter von Chemie Kelheim können bereits positiv in die Zukunft blicken. Wie Tobias Westner, Personalchef der Kelheim Fibres GmbH, auf Anfrage sagte, habe das Unternehmen Bewerbungen von Mitarbeitern von Chemie Kelheim auf einige freie Stellen. „Wenn wir qualifizierte Mitarbeiter hier finden“, dann stelle man die auch ein – „selbstverständlich“. Tobias Westner: „In den nächsten Wochen werden die ersten beginnen. Wir haben ähnliche Anlagen bei uns, damit haben die Mitarbeiter auch eine vergleichbare Qualifikation.“

Chemie Kelheim ist Mieterin auf dem Industriestandort von Clariant. Von dem circa 104 000 Quadratmetern hat Chemie Kelheim nach Auskunft von Clariant circa 71000 Quadratmeter genutzt. Chemie Kelheim und Gimborn sind Pächter von Clariant. Andere dort ansässige Unternehmen seien Mieter von Chemie Kelheim „und werden derzeit in ein Mietverhältnis mit Clariant übergeführt“.

„Aufgrund der für Clariant kurzfristig erfolgten Insolvenz prüft Clariant derzeit zusammen mit den am Standort tätigen Firmen die weiteren Optionen. Clariant ist als Grundstückseigentümer bemüht, die ansässigen Firmem zu unterstützen, damit deren Betrieb fortgeführt werden kann.“

Auf die Frage unseres Medienhauses, wie es mit Altlasten auf dem Industriegelände aussieht, teilte Clariant mit: „Die Altlastensituation hat sich durch die Einstellung des Anlagenbetriebs nicht geändert; die bestehende Altlastensituation ist den Behörden umfänglich bekannt und mit Zustimmung der Behörden ist derzeit eine zweite Sanierungsmaßnahme in der Umsetzung.“

Interview mit Bürgermeister Hartmann

Herr Bürgermeister, was sagen Sie zum Aus des Traditionsbetriebs?

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Konsequenz aus der Sachlage, die ja schon bekannt ist, dass die Chemie Kelheim in Schwierigkeiten steckt und vor dem Aus steht.

Was haben Sie für den Erhalt des Werkes in Kelheim getan?

Für eine direkte Hilfe für das Unternehmen haben wir nicht viel Möglichkeiten. Man kann einfach nur die Unterstützung und Hilfe anbieten im Rahmen unserer Möglichkeiten.

Wie sehen diese aus?

Ich habe den persönlichen Kontakt zur Betriebsratsvorsitzenden gesucht, was notwendig ist. Es gibt für uns momentan keine Anfragen, wo wir direkt helfen können. Wichtig ist, dass diese Transfergesellschaft zum Arbeiten kommt, dass die Mitarbeiter eine Perspektive haben, wie’s weitergeht. Man muss aber jetzt auch schauen, wie es vom Landratsamt schon angekündigt ist, dass die Sicherheit am Gelände gewährleistet ist.

Sie sprechen wohl den Umweltschutz an?

Ja, das Landratsamt ist da schon am Arbeiten.

Befürchten Sie einen zweiten Fall Bayerische Zellstoff?

Derzeit gibt es keinen Anlass. Die Frage ist spekulativ und entbehrt meines Wissens jeglicher Grundlage.

Werden Sie eine Vermittlerrolle mit übernehmen, damit die Mitarbeiter von Chemie Kelheim bei hiesigen Betrieben Arbeitsplätze bekommen?

Ich werde mich einschalten, falls es notwendig ist. Ich weiß auch, dass bei den chemischen Betrieben bei uns in der Gegend die gewerkschaftliche Organisation sehr groß ist und es schon Kontakt gibt, um eventuell Möglichkeiten für Beschäftigungen auszuloten.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Standortes?

Dass der chemische Standort erhalten bleibt, weil die Arbeitsplätze für uns sehr wichtig sind.

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