Aufreger
Die Nackte vom Fischmarkt erzürnt Frauen

Kunst oder Sexismus? Die Plakat-Werbung eines Regensburger Gerüstbauers sorgt mitten in der Altstadt für viel Aufsehen.

05.07.2016 | Stand 16.09.2023, 6:51 Uhr
Kunst oder Sexismus? An dem Werbeplakat eines Regensburger Gerüstbauers scheiden sich die Geister. −Foto: mt

Eine nackte Frau zieht am Fischmarkt – mitten in der historischen Altstadt – momentan alle Blicke auf sich. In lasziver Pose wendet sie sich auf einem Werbeplakat an einem Baugerüst dem Betrachter zu. In Pin-Up-Optik rahmt ein Schlüsselloch die nackte Frau, die sich an einer Gerüststange festhält, ein. Zahlreiche Regensburger gehen täglich an dem Gerüst vorbei, RVV-Linien und auch die City-Tour-Touristenbähnchen passieren die Stelle ständig. Viele Passanten finden das Plakat in Kombination mit dem Slogan „Wir tanzen nicht auf jeder Baustelle“ einfach verwirrend, Vertreter der Stadt echauffieren sich über die „sexistische Bildsprache“. Der Geschäftsführer des Gerüstbauunternehmens hält trotzdem an seinem Werbemotiv fest. „Das ist Kunst“, beteuert er.

Erster Aufschrei haftet an Plakat

Der erste Aufschrei haftet bereits deutlich erkennbar an dem Banner: Aktivisten haben die intimsten Stellen der abgebildeten Frau mit Aufklebern überklebt, auf denen „Sexistische Kackscheisse“ steht. Natürlich ist das nicht gerade elegant ausgedrückt, aber eine Sprecherin der Stadt schließt sich dieser Einschätzung trotzdem weitestgehend an. „Es ist einfach total unsensibel. Eine nackte Frau an so einer Gerüststange mit diesem Peep-Show-Schlüsselloch: Natürlich ist das sexistisch und damit letztlich das, was auf den Aufklebern steht.“

Viele Passanten finden das Werbeplakat in erster Linie unverständlich, fühlen sich davon in ihrem moralischen Empfinden aber nicht vor den Kopf gestoßen. Nicht anstößig, aber nichtssagend lautet hier die vorherrschende Meinung. „Für eine Baufirma wirkt die Werbung irgendwie seltsam und ich habe keine Ahnung, wie der Slogan zu verstehen ist“, sagt ein älterer Herr. „Es gibt bestimmt bessere Ideen, um Werbung zu machen“, sagt der Inhaber einer Metzgerei. „Störend finde ich es nicht“, sagt eine Bäckereimitarbeiterin. „Aber was hat die Frau mit dem Gerüst zu tun?“ Der Slogan „Wir tanzen nicht auf jeder Baustelle“ solle wohl davor warnen, nicht auf das Gerüst zu klettern, mutmaßt die Mitarbeiterin eines Geschäfts in der Nähe. Ein junger Koch, der gleich um die Ecke wohnt, findet das Plakat gut. „Das ist mal was anderes. Ein bisschen provokativ, aber das kann man schon mal machen“, sagt er. Nicht schlimm findet auch eine Touristin das Plakat. „Das ist ein Hingucker und es bleibt ja auch nicht für immer da“, sagt sie.

MdL Wild: Plakat sofort entfernen

Die Verantwortlichen der Stadt reagieren da schon etwas gereizter. „Das ist eine sexistische Bildsprache und darauf sollte man verzichten“, sagt die Sprecherin der Stadt. „Werbung, die den Sexismus als primitives Mittel zur Aufmerksamkeit benutzt, sollte eigentlich tabu sein“, sagt Sandra Gretschel, kommissarische Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. „Leider zeigen solche Beispiele, dass das bei manchen Unternehmen noch nicht angekommen ist. Die Stadt muss zukünftig noch genauer hinschauen und gegebenenfalls dafür sorgen, dass solche Transparente abgehängt werden.“ Und auch MdL und SPD-Stadträtin Margit Wild findet deutliche Worte zu der Werbemaßnahme des Gerüstbauers. „Diese Werbung in einer Stadt wie Regensburg: Das ist schon ein Hammer“, sagt sie. „Das Plakat ist sexistisch und gehört weg.“

Zahlreiche Neugestaltungsmaßnahmen stehen in der Regensburger Altstadt an. Für den Einzelhandel ist die Bauzeit normalerweise mit Beschwernissen verbunden. Daher machte sich die SPD im April dafür stark,Baustellen attraktiver für Kunden zu gestalten. Modeschauen vor Baugerüsten, Graffiti am Bauzaun und rote Teppiche zu den Eingängen von Geschäften, die von einem Baugerüst verdeckt werden: So lauteten die Ideen,die Margit Wild in dem Antrag anführte. Was sich der Gerüstbauer als „kreative Werbung“ für den Fischmarkt ausgedacht hat, findet sie allerdings unangebracht. „Das Plakat ist das Gegenteil von dem, was wir erreichen wollen. Eigentlich müsste die Stadt es sofort entfernen“, sagt sie.

Der Geschäftsführer der Gerüstbaufirma kann die Aufregung nicht nachvollziehen. „Das ist Kunst und Schönheit liegt nun einmal im Auge des Betrachters“, sagt er. Das Unternehmen habe in der Vergangenheit immer wieder mit Motiven geworben, die dem Stil berühmter Pop-Art-Künstler nachempfunden waren. An einem Gerüst der Baustelle beim Kunstforum Ostdeutsche Galerie habe bis vor kurzem etwa eine Zeichnung im Stil von Andy Warhol gehangen. Und für das Motiv an der Fischmarkt-Baustelle habe nun eben der Stil des Künstlers Mel Ramos als Vorbild gedient.

Natürlich setze das ein gewisses Kunstverständnis voraus. „Aber das ist klassische Pop-Art und schon lange gesellschaftsfähig. Es müsste wesentlich freizügiger sein, um sexistisch zu sein“, sagt der Geschäftsführer. Es handle sich ja auch nicht um eine Fotografie, sondern nur um ein abgedrucktes Gemälde. Der Slogan „Wir tanzen nicht auf jeder Baustelle“ verdeutliche das Geschäftsmodell. „Wir machen nicht überall um jeden Preis mit“, sagt der Geschäftsführer. Und das Unternehmen baue vor allem Sonderkonstruktionen.

Das Amt für Gebäudeservice ist für die Sanierung des Brunnens am Fischmarkt zuständig. Die Arbeiten an der Figur seien schon weitestgehend abgeschlossen, sagt die Sprecherin der Stadt. „Die Baustelle wird also bald wieder verschwinden und das Plakat wohl schon etwas eher.“

Bereits am Dienstagmittag hing das Plakat dann schon nicht mehr an dem Gerüst der Baustelle am Fischmarkt.

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