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Der Dennerlein-Sound: mit Hand und Fuß

Barbara Dennerlein wird weltweit für ihr Spiel auf der Pfeifenorgel geschätzt. Privat liebt die 52-Jährige die Stille.

21.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:33 Uhr
Alois C. Braun
Sie liebt es, Organistin, Komponistin und Arrangeurin in einem zu sein: Barbara Dennerlein. −Foto: MZ-Archiv

Sie ist die Pionierin der Hammond-Orgel in der Jazzmusik. Seit Anfang der 80er Jahre veröffentlichte Barbara Dennerlein unzählige CDs und tourte in der ganzen Welt. Dabei hat sie mit Ausnahmemusikern wie Randy Brecker, Friedrich Gulda oder Peter Herbolzheimer zusammengearbeitet. Die Münchnerin selbst sagt, dass sie „Jazz im weitesten Sinne“ spiele. Die Definition passt, denn in ihrer Musik sind Einflüsse von Bebop, Swing, Latin, Pop und der Klassik zu hören. Letzteres vor allem, wenn sie auf der Pfeifenorgel spielt.

Ja, es gibt sie noch. Barbara Dennerleins erste Hammond B3 steht im lichtdurchfluteten Wohnzimmer und wird auch noch regelmäßig gespielt. Man merkt der Musikerin an, dass sie dieses Instrument liebt und eine besondere Beziehung dazu hat. „Ich war elf Jahre alt, als mein Großvater meinte, dass ich ein Instrument spielen sollte“, erzählt sie. Als Zitherspieler und Maler hatte dieser selbst eine künstlerische Ader. Ebenso wie ihr Vater. Der spielte Jazz und Boogie, malt und kreiert heute Skulpturen, die auch in Barbaras Haus und Garten stehen.

Für die Idee des Opas, Barbara ein Musikinstrument zu schenken, hatte Vater Dennerlein ein offenes Ohr und schenkte Barbara zu Weihnachten eine Elektro-Orgel. Diese war hin und weg, reagierte am Tag der Bescherung mit dem begeisterten Ausruf: „Ui, a Orgel!“ Sofort begann sie, darauf spielen, nahm bald Unterricht.

„Mein Lehrer hatte eine Hammond B3. Ich liebte diesen Sound vom ersten Moment an.“ Barbara Dennerlein

„Mein Lehrer hatte eine Hammond B3. Ich liebte diesen Sound vom ersten Moment an“, erinnert sie sich. Ihr Glück: Das Musikgeschäft tauschte gegen Aufpreis ihre Orgel in eine etwas größere und etwas später bekam sie sogar die damals nur schwer aufzutreibende Hammond B3. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wollte die Teenagerin die Musik zum Beruf machen.

Bereits mit 15 Jahren spielte sie regelmäßig Konzerte in der „Schwabinger Spritzn“. Eine wichtige Zeit: „Ich habe sehr viel gelernt damals, konnte wichtige Kontakte knüpfen.“ Die Abgründe, die sich im Umfeld von verrauchten Musikclubs auftun, haben sie nie interessiert. „Drogen, Zigaretten, Alkohol, das alles war nie ein Thema für mich, ich wollte Musik machen. Ihr Lieblingsgetränk war ein Piano Forte, ein Kokos-Ananas-Saft“, sagt sie und lacht.

Die Eltern unterstützten das Einzelkind von Anfang an, organisierten die Heimfahrten spät in der Nacht. „Klar, eine gewisse Sorge hatten sie schon, aber andererseits kannten sie mich genau und haben mir vertraut. Ich bin sehr dankbar, dass sie von Anfang vorbehaltlos hinter mir standen.“

Spaziergänge im Wald als Ausgleich

Bis heute lebt Barbara Dennerlein gesund. Sie liebt die Stille, geht oft mit ihrem Hund im Wald spazieren, legt Wert auf gute Ernährung und Sport. Das macht sich nicht nur in ihrer körperlichen Fitness bemerkbar. Auch durch ihre natürliche und entspannte Art wirkt die 52-Jährige sehr viel jünger. „Allerdings macht momentan meine Achillesferse Probleme“, erzählt sie. „Die Sehne schmerzt zwar nicht, da ich aber täglich an der Orgel übe, ist sie stark strapaziert und kann sich nicht erholen.“ An Sport ist deshalb derzeit nicht zu denken. Dabei ist sie hart im Nehmen. Kürzlich hatte sie sich massiv in den Finger geschnitten und trotzdem ein Konzert gespielt. „Irgendwie ging das“, sagt sie, „der Arzt hatte so bandagiert, dass ich die Fingergelenke bewegen konnte.“

Barbara Dennerlein hat mit Bebab Records ihre eigene Plattenfirma, kümmert sich auch um das gesamte Management. Ein Fulltimejob, der nicht viel Zeit für anderes lässt. Dazu kommt, dass es schwieriger wird zu touren. „Es ist fast unmöglich geworden, in den USA zu spielen“, ärgert sie sich. „Man braucht Anwälte, um all die Hürden zu beseitigen und den Papierkrieg zu bewältigen. Das können sich finanziell nur die ganz Großen leisten.“

Ein Video mit Barbara Dennerlein sehen Sie hier.

Bequemer geworden ist das Tourleben aber trotzdem für sie. Früher schleppte sie ihr eigenes, mehr als 400 Kilogramm schweres Equipment mit zu den Konzerten. „Vor allem beim Fliegen ein Albtraum. Die Probleme beim Zoll waren noch das Geringste. Meist wurde trotz massivster Transportkisten auch irgendetwas beschädigt.“ In den vergangenen Jahren hat sie sich deshalb ein weltweites Netzwerk an Orgelverleihern aufgebaut. Das hört sich einfacher an, als es war.

„Sehr früh habe ich einen Kontrabass gesampelt und meine Hammond B3 mit Midi ausgestattet. Die Leihorgeln müssen genau diese Ausstattung haben und midifähig sein.“ Trotz des weltweit hohen Ansehens war es nie ein Thema für die Musikerin Deutschland zu verlassen.“ Dafür bin ich viel zu heimat- und familienverbunden.“

Musikalische Weggefährten

Ihren hohen Stellenwert in der Musikwelt zeigen beispielhaft zwei Kooperationen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Da wäre Friedrich Gulda, von dem sie schwärmt: „Er war ein Grenzgänger, der kompromisslos für seine Musik eingestanden ist. Mit ihm habe ich erstmals die Arbeit mit einem philharmonischen Orchester kennengelernt. Wir haben uns privat und musikalisch sehr gut verstanden.“

Musikalisch war sie auch mit Peter Herbolzheimer eng verbunden, mit ihm entstand die CD „Tribute to Charlie“ (Parker). „Mit einer Big Band zu musizieren, ist ein großer Spaß. Mit Peters Band konnte ich bereits 1987 meine eigenen Songs spielen.“

Auf ihrer aktuellen CD/DVD „My Moments“ ist Barbara Dennerlein in ihren beiden Musikwelten zu hören: „Es sind zwei Solo-Konzertteile und ich bin sowohl an der Hammond als auch an einer Pfeifenorgel mit 203 Registern zu hören“, erzählt sie. „Wir haben für die Aufnahmen die einzigartige Akustik des Konzertsaales im Studio Acusticum in Piteá/Schweden genutzt.“ Dennerlein erklärt, warum sie Solokonzerte liebt: „Man muss jede Sekunde präsent sein und eine enorme Spannung aufbauen. Andererseits habe ich so die größtmögliche musikalische Freiheit, bin Organistin, Komponistin und Arrangeurin in einem.“ Ihrem Anliegen, zu berühren und Anspruch mit Unterhaltung zu verbinden, wird sie dabei vollends gerecht. „Spielen ist wie tanzen“, sagt sie. „Hände und Füße sind fließend miteinander in Bewegung. Wenn ich die Augen schließe, nicht mehr denken muss und nur noch das Gefühl präsent ist, dann fängt es an, Musik zu sein.“

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