Das Rätsel um den „Gloifel“

07.01.2008 | Stand 07.01.2008, 0:00 Uhr

Regensburg. „Gloifel“ ist hierzulande allgemein bekannt und gängig, nicht nur in den Mundarten Altbayerns, sondern auch in den ostfränkischen. Ein „Gloifl“ – in Nieder- und Oberbayern „Gloiffe“ ausgesprochen – ist ein ungehobelter, ungebildeter, unverschämter, grober, blöder Kerl. Über die Bedeutung ist man sich einig. Aber wie lässt sich das Wort erklären? Woher kommt es? Ganz einfach ist die Frage nicht zu beantworten, zumal das ansonsten unglaublich zuverlässige Bayerische Wörterbuch des Johann Andreas Schmeller keine Auskunft liefert.

Weit verbreitet ist die Meinung, Gloifel lasse sich herleiten vom Namen des frühmittelalterlichen bayerischen Herzogsgeschlechts der Agilolfinger. Dieser Ansatz ist zwar originell, muss aber aus sachlichen wie sprachlichen Gründen verworfen werden. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass der Adelsname zum Schimpfwort degradiert wurde, steht doch Herzog Tassilo III., der letzte Agilolfinger (788 von Karl d. Gr. abgesetzt, gestorben 796), heute noch in Ehren, wie die alljährliche Tassilo-Feier des Bayernbundes in Regensburg zeigt.

Auch das mittelhochdeutsche Wort „glêve“ (Lanze) wird bemüht; es sei in übertragener Bedeutung für ‚Lanzenträger, Landsknecht‘ verwendet worden. Lautlich würde die oberfränkische Variante „Glefl“ dazu passen, nicht aber die bairische mit dem Zwielaut „oi“.

Andere wieder glauben, der biblische Name „Kleophas“ sei zu „Gloifl“ verunstaltet worden. Einer der beiden Emmaus-Jünger hieß Kleophas (Luk. 24,18), vom anderen ist in der Bibel nur dessen Ehefrau erwähnt, die unterm Kreuz stand. Beide Namensträger kommen nicht in Frage, als Urbild des ungehobelten Grobians gedient zu haben.

Parallelen zu Island

Viel für sich hat die Herleitung aus dem Jiddischen, letztlich also doch aus dem Hebräischen, wo die Mehrzahl zu „kélew“ (Hund) klâwim lautet. Im Jiddischen des oberdeutschen Sprachraums entstand daraus „klofem“, und kam zu der übertragenen Bedeutung ‚Antisemit, dummer Kerl‘, schließlich „Klof“ = ‚dummer, böser Mann‘, was zu „Glouf“ führen konnte (in Nürnberg belegt), und mit der Endung „-(e)l“ versehen, auch zu „Gläifl“. Wie aber kommen wir zum „Gloifl“?

Während die Jiddisch-These viel für sich hat – zahlreiche weitere Dialekt-Wörter gehen eindeutig auf diese Händler- und Handwerkersprache zurück–-, überzeugt sie doch nicht restlos. Viel wahrscheinlicher ist der Zusammenhang mit dem deutschen Wortstamm, der in „klieben“ (spalten), aber auch in „klobig, Kluft“ und verborgen auch in „Knoflauch“ steckt. Das Verb hieß im Althochdeutschen „klioban“, woraus sich die (nordbairische) Mundartlautung „gloim“ oder „gluim“ erklärt. „Gloifl“ könnte ursprünglich die Bedeutung ‚Hackstock, Holzklotz‘ gehabt haben. Auch „Klaue“ (‚gespaltener Fuß‘, mundartlich „Gleewl, Gleewe“) ist in Erwägung zu ziehen. Geradezu fantastisch mutet es an, dass es im Isländischen das Wort „klaufi“ gibt, abgeleitet von „klauf“ (Klaue, Schlitz) – und isländisch „klaufi“ bedeutet genau dasselbe wie unser „Gloifl“.

Der Bogen der Erklärungsversuche spannt sich sehr weit. Dass viel für den Zusammenhang mit dem Wortstamm von „klieben“ spricht, davon hat mich die Mitteilung einer alten Frau aus dem Sudetenland überzeugt: In ihrer Heimat hieß der kräftige Holzbalken, der, an den Enden in zwei Mauernischen geschoben, zur Abriegelung von Toren in Burgen und Kirchen diente, „Gloifl“. Ein ungefüger, grober Prügel also – wie ein Mensch, den man als „Gloifl“ abqualifiziert.