Natur
Einzigartig auf der ganzen Welt

Rund 1700 der in Ostbayern vorkommenden Tier- und Pflanzenarten stehen auf der Roten Liste. Sie kämpfen ums Überleben.

10.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:18 Uhr
Kerstin Hafner

Der Donaudurchbruch bei Weltenburg Fotos: espy3008/sakura-AdobeStock/ Landesamt fuer Umwelt/dpa

Der Naturraum in Ostbayern ist extrem vielfältig, weil hier vier geologische Einheiten zusammentreffen: nordwestlich die Kalkformationen des Jura, nordöstlich die kristallinen Strukturen des bayerischen Vorwalds mit vulkanischem und metamorphem Gestein, südöstlich die Donaulandschaft mit ihren Sedimenten, Auenwäldern und fruchtbaren Böden und südwestlich das sogenannte Tertiärhügelland mit seinen sandigen Molasseablagerungen, die bei der Bildung der Alpen entstanden. Jedes Gestein bedingt eine spezielle Bodenentwicklung.

„Alle von uns genannten Arten sind nach der Roten Liste Bayerns vom Aussterben bedroht, ihr Vorkommen ist teilweise einzigartig in ganz Deutschland“Bayerische Landesamt für Umwelt

Im Zusammenspiel mit dem lokalen Klima entsteht so eine spezifische Flora, welche wiederum die Lebensgrundlage für die jeweilige Tierwelt bildet. Kein Wunder also, dass in diesem Naturraum etliche Schutzgebiete ausgewiesen wurden, wobei die Flussauen im Regental (Landkreis Cham) und Donautal (Pfatterer/Gmünder Au, Landkreis Regensburg), das Charlottenhofer Weihergebiet und die Heidelandschaft östlich von Bodenwöhr (Landkreis Schwandorf), das Deusmaurer Moor und der Wolfsberg bei Dietfurt (Landkreis Neumarkt) sowie die Mattinger Hänge und die Weltenburger Enge (Landkreis Kelheim) als die jeweils größten zu nennen sind.

Wie das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) auf Anfrage mitteilte, gibt es „rund um Regensburg zahlreiche Arten, die selten und gefährdet sind.“ Das Landesamt nannte uns die unten folgende Auswahl besonders gefährdeter Tiere und Pflanzen.

Mergenthalers Mehlbeere (Sorbus mergenthaleriana)

In Bayern kommen etwa 40 verschiedene Arten der Gattung Sorbus vor. Zu dieser Gattung zählen zum einen bekannte Baumarten wie Vogelbeere oder Elsbeere, daneben gibt es aber auch der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Arten wie Mergenthalers Mehlbeere. Sie besiedelt nur ein sehr kleines Verbreitungsgebiet. Mergen-thalers Mehlbeere kommt weltweit nur rund um Regensburg vor. Ihr Lebensraum sind lichte, aufgelockerte Säume von Wäldern.

Als Lokalendemit ist sie stark gefährdet. Mergen-thalers Mehlbeere ist daher seit Jahren im Artenhilfsprogramm der Regierung der Oberpfalz zu finden. Sie kommt als großer Strauch in Gebüschen und lichten Wäldern auf Kalk vor und wird vorwiegend verdrängt durch ungünstige Waldbewirtschaftung sowie das Nichterkennen der Sträucher beim Gehölzschnitt. „Die seltenen Mehlbeeren werden oft aus Versehen zusammen mit anderen Gehölzen zurückgeschnitten, auch weil sie waldbaulich uninteressant sind“, heißt es in einer Stellungnahme des LfU. Erste Hilfsmaßnahmen stellen Auflichtungen und Anpflanzungen aus Nachzüchtungen dar. Allerdings gestalte sich die Nachzucht wegen geringer Samenbildung, schlechter Überlebensraten der Jungpflanzen und Wildverbiss schwierig.

Herzlöffel (Caldesia parnassifolia)

Der Herzlöffel, eine Wasserpflanze, fühlt sich an flacheren Stellen in kleinen Seen, aber auch in Sümpfen und anderen stehenden Gewässern wohl – allerdings nur in Höhenlagen zwischen 300 und 700 Metern. Im Charlottenhofer Weihergebiet (Landkreis Schwandorf) finden sich die einzigen beiden Vorkommen in ganz Deutschland. Diese Vorkommen sind momentan stabil, aber aufgrund des geringen Bestandes höchst anfällig für Störungen.

Dass die Art heute vom Aussterben bedroht ist, ist einerseits wasserbaulichen Maßnahmen und der Entkrautung von Gräben und Kanälen geschuldet, andererseits wurden insbesondere flache Gewässer oft mit Erde aufgefüllt oder auch entwässert, um Flächen beispielsweise für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Wo der Herzlöffel in Fischteichen siedelte, konnte er nicht überleben, sobald die Teiche intensiver bewirtschaftet wurden, denn mit einem Nährstoffüberangebot kommt er nicht klar. Auch der vom Aussterben bedrohte Herzlöffel befindet sich seit Jahren im Artenhilfsprogramm der Regierung der Oberpfalz. Das Gelände um die beiden Standorte wurde vom Landesbund für Vogelschutz angekauft. Alle Versuche, die Verbreitung der Art auf weitere Standorte auszuweiten, sind bislang aus nicht bekannten Gründen gescheitert, so dass das Landesamt für Umwelt die Überlebenschance derzeit als „gut, aber mit hoher potentieller Gefährdung“ einschätzt, weil es eben nur ein Vorkommen gibt.

Frühlingsküchenschelle (Pulsatilla vernalis ssp. bidgostiana)

Die streng geschützte, äußerst lichtbedürftige Frühlings-Küchenschelle, auch Frühlings-Kuhschelle genannt, ist eine mehrjährige krautige Hahnenfußpflanze und wächst ausschließlich auf offenen Magerrasen-Standorten in den Alpen sowie nördlich von Regensburg und in den sandigen Kiefernwäldern des Naturschutzgebietes Binnendünen bei Siegenburg/Offenstetten sowie des Naturschutzgebietes Sandharlander Heide, beide im Landkreis Kelheim beheimatet. Der Freistaat Bayern trägt die alleinige Verantwortung für den Erhalt der Art innerhalb Deutschlands.

„Gefährdet ist die Frühlings-Küchenschelle durch kontinuierliches Zuwachsen (Sukzession) der lichten Flächen, durch Wildverbiss inklusive Ausgraben durch Wildschweine und Schneckenfraß, aber auch weil ‚Blumenfreunde‘ die hübsche Pflanze nur zu gerne mit nach Hause nehmen“, erklärt das Landesamt für Umwelt. Die Art ist im Artenhilfsprogramm der Regierung von Niederbayern. Die Bestände konnten nur durch die Ausbringung von in Kultur nachgezogenen Pflanzen (zum Beispiel im botanischen Garten an der Uni Regensburg) stabilisiert werden. Die Überlebenschance wird vom LfU als „gut, aber ohne Hilfsmaßnahmen aussichtslos“ eingestuft.

Regensburger Sandbiene (Andrena aberrans)

Die Regensburger Sandbiene kommt nur auf den Kalkmagerrasen im Raum Kallmünz vor. Trockene Lebensräume wie Heiden und Kalkmagerrasen haben sich erst durch den Eingriff des Menschen entwickelt. Sie sind kulturbedingte Sonderstandorte, auf denen sich im Laufe der Jahrhunderte eine entsprechende Flora und Fauna eingestellt hat. Einzige Nahrungspflanze der Sandbiene ist laut LfU der Regensburger Ginster. Bedroht ist die Art durch Verbuschung der Magerrasen, weil ungenutzte Flächen durch „Düngung aus der Luft“, sprich Stickstoffeintrag durch Abgase und verblasenen Kunstdünger aus der Landwirtschaft zuwachsen.

Die Lösung: Im Rahmen des Projekts ‚Juradistl‘ soll durch die Vermarktung von Lämmern zum einen die Wertschöpfung für Schäfer erhöht werden – Regierung und Landschaftspflegeverband versuchen zum andern aber auch, den Lebensraum der Sandbiene durch gezielte Schafbeweidung vieler Magerrasenflächen, die natürlich nicht zur Blütezeit des Ginsters durchgeführt werden darf, zu sichern. Die Überlebenschance der Sandbiene stuft das LfU dennoch als ungewiss ein.

Flussperlmuschel (Margaritifera margaritifera)

Die Flussperlmuschel kam früher in der Oberpfalz derart zahlreich vor, dass sich die Perlfischerei lohnte. Etliche kleinere Gewässer im Bayerischen und Oberpfälzer Wald tragen heute noch den Namen Perlbach. Die nierenförmige Muschel, die 100 bis 200 Jahre alt werden kann, ist überaus anspruchsvoll, man findet sie nur in sehr sauberen und sauerstoffreichen Gewässern. Heute ist sie extrem selten geworden. Der massive Rückgang im Bestand resultiert aus Gewässerverbauung sowie dem Eintrag von Nährstoffen und Feinsedimenten.

Durch Verschlammung schließen sich die für junge Muscheln so wichtigen Kieslücken im Bachbett. Durch Flussbegradigungen und Staustufen ändern sich die Strömungsverhältnisse. Seit Ende der 1980er Jahre läuft in Bayern unter Federführung des Landesamts für Umwelt das ‚Artenhilfsprogramm Flussperlmuschel’. Seitdem arbeiten unterschiedliche Institutionen wie behördlicher Naturschutz, Wasserwirtschaft oder Fischerei intensiv am Erhalt der Perlmuschelpopulationen. Bis dato konnte durch Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung, die Schaffung von Gewässerrandstreifen zur Verminderung des Nährstoffeintrages und die Anlage von Sandfängen jedoch noch kein durchschlagender Erfolg erzielt werden. Es gibt einen einzigen Bestand mit Positivtrend, bei allen anderen ist die Überlebenschance ungewiss.

Luchs (Lynx lynx)

Der Luchs ist die größte und wohl schönste Katzenart Europas. 150 Jahre lang war er aus unseren Wäldern verschwunden. Auf leisen Pfoten schleicht sich das Pinselohr langsam aus dem Osten wieder zurück in die Hochlagen des Bayerischen Waldes (Nationalpark), des Oberpfälzer Waldes und des Fichtelgebirges. Nach einer ersten Wiederansiedlung Anfang der 1970er Jahre wurden zwischen 1982 und 1989 dank finanzieller Unterstützung des Bundes Naturschutz insgesamt 17 Luchse auf dem Gebiet des heutigen Nationalparks Sumava in Tschechien freigelassen.

Diese Luchse bildeten den Grundstock für die heutige Böhmerwald-Population im Grenzraum von Tschechien, Österreich und Deutschland. Aktuelle Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit nur insgesamt zwanzig bis dreißig erwachsene Exemplare in Bayern leben. Der Bestand stagniert seit Jahren. Durch die extrem geringe Dichte der Population ist die Gefährdung recht hoch. Trotz Monitorings mittels Fotofallen und einer regen Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Akzeptanz von Wildtieren liegt das Hauptproblem, neben der Tötung durch Verkehrsunfälle, bei der illegalen Verfolgung der Raubtiere. Bereits in den Jahren 2012 und 2013 sind im Bayerischen Wald zwei Luchse nachweislich vergiftet beziehungsweise erschossen worden. Im Mai 2015 fanden Artenschützer in der Nähe einer Fotofalle im Landkreis Cham vier abgeschnittene Luchs-Vorderbeine.

Rostbinde (Hipparchia semele)

Die Rostbinde, auch Ockerbindiger Samtfalter genannt, kommt ebenfalls auf Magerrasenstandorten und in lichten Sandkiefernwäldern der Frankenalb sowie in den Steinbrüchen im Altmühltal vor. Wie das LfU mitteilt, „scheinen außer Lebensraumverlusten weitere, bislang unbekannte Faktoren eine entscheidende Rolle für den Rückgang dieser Falter-Population zu spielen.“

Da man die Ursachen nicht kennt, scheint der Kampf gegen das Aussterben beinahe aussichtslos und die Rostbinde – übrigens der „Schmetterling des Jahres 2005“ – wird eines der größten Sorgenkinder des Artenschutzes. In unserer Region ist daher das Aussterben zu befürchten.

Uferschnepfe (Limosa limosa)

Zusammen mit größeren Teichgebieten sind die Auenlandschaften an Regen und Donau wertvolle Wiesenbrüter-Lebensräume. Außerdem haben sie als Rast- und Überwinterungsgebiete eine große Bedeutung für eine Vielzahl von Vogelarten. Die Uferschnepfe ist in Bayern auf lokale Vorkommen an wenigen Brutplätzen beschränkt. In unserer Region nisten einige wenige Paare in der Regentalaue bei Cham, im Donautal zwischen Regensburg und Deggendorf sowie im Altmühltal.

Ihr Fortbestand wird trotz Flächenankäufen und Lebensraummanagement im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes des Bundes als ungewiss eingestuft, denn das kleine regionale Brutvorkommen (aktuell maximal sieben brütende Paare) ist abhängig von einem intensiven Management zur Brutzeit, das heißt einem wirksamen Schutz der Brutplätze vor menschlichen Störungen und Gefahren durch landwirtschaftliche Arbeiten. Vogelkundler begleiten die Landwirte deshalb bei der Mahd.

Große Hufeisennase (Rhinolophus ferrumequinum)

Eine Fledermaus, die in Bayern vom Aussterben bedroht ist, ist die Große Hufeisennase. Die einzige Kolonie Deutschlands befindet sich im Fledermaushaus Hohenburg (Kreis Amberg-Sulzbach). Die geschätzte Gesamtzahl der Tiere liegt bei rund 180 Individuen. Die Art ist stark abhängig von der Betreuung der Jungtiere und der Sicherung des Quartiergebäudes sowie der wichtigsten Winterquartiere in Höhlen.

Weitere Lebensraumverbesserungen auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels durch Entbuschung und Beweidung sowie die Bereitstellung weiterer Quartiere durch das Öffnen von Dachböden historischer Gebäude (Kirchen, Rathaus Hohenburg) sollen den Tieren helfen. Momentan stehen die Chancen auf ein Überleben in Bayern gut, da die Population wächst. Erste Ausbreitungstendenzen von Individuen werden in den letzten Jahren in der Frankenalb festgestellt, die früher durchgängig von der Großen Hufeisennase besiedelt war.

Der Text ist eine Leseprobe aus der Sonntagszeitung, die die Mittelbayerische exklusiv für ePaper-Kunden auf den Markt gebracht hat. Ein Angebot für ein Testabo der Sonntagszeitung finden Siein unserem Aboshop.

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