Forschung
Der „Führer“ schaute viel auf sich

Adolf Hitler beschäftigte sich ausgiebig mit seinem Äußeren. Esther Sophia Sünderhauf plant ein Buch über seinen Dresscode.

27.05.2016 | Stand 16.09.2023, 6:45 Uhr
Esther Sophia Sünderhauf hat den Dresscode von Adolf Hitler erforscht. −Foto: Sünderhauf

Sie haben Adolf Hitlers Dresscode erforscht. Wie sind Sie auf den Stoff gestoßen?

Dr. Esther Sophia Sünderhauf: Im Zuge einer Ausstellungsvorbereitung habe ich das Fotoarchiv des Deutschen Historischen Museums in Berlin auf Bilder aus der NS-Zeit durchgesehen. Dabei fiel mir auf, dass Hitler mit seiner Kleidung ständig wechselnde Rollen einnimmt. Als in Griechenland ein Symposium zum Thema „Dress & Politics“ stattfand, habe ich ein Referat zu „Hitler’s Dress Code“ angemeldet, war mir doch genau dieser Zusammenhang zwischen Bekleidung und Politik aufgefallen. Inzwischen habe ich einen Aufsatz darüber publiziert, den Vortrag ausgebaut und nun ist ein Buch geplant.

Was hat Sie während Ihrer Recherche verblüfft?

Überrascht hat, dass Hitler sich erst in Kleidungsstücken fotografieren ließ, bevor er sich darin öffentlich zeigte. Das spricht dafür, wie wichtig ihm die Kontrolle über sein Bild war und wie bedacht er auf die Wirkung seines Äußeren war, aber auch, wie unsicher er bis zuletzt gewesen ist. Nicht weniger überraschend war, wie ausgiebig sich die Hitler nahe stehenden Zeitzeugen seinem Äußeren und seiner Bekleidung widmen und dass sie alle bis in Einzelheiten übereinstimmend berichten. Sie haben erkannt, dass ihre Beobachtungen späterhin Schlüsse über Psyche, Verhalten und Ansprüche des Diktators ermöglichen würden.

Mehr über Hitlers Dresscode lesen Sie hier.

Wie sind die Reaktionen in Ihrem Umfeld auf Ihre Erkenntnisse?

Zunächst sind die meisten erstaunt, dass Hitlers Bekleidung überhaupt ein Thema sein könnte, weil sein Rollenwechsel durch Kleiderwechsel bisher noch nicht systematisch wahrgenommen wurde. Wenn ich dann aber die Bilder zusammen mit den Quellen analysiere, so wird rasch offenbar, dass sich hier ein spannendes Gebiet der politischen Ikonographie eröffnet, welches die Hitler-Forschung bislang übersehen hat. Eine positive Resonanz ist schon jetzt da.

Warum wollen wir immer noch alles über Hitler wissen?

Hitler war für die Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts so verhängnisvoll und folgenreich wie kein anderer. Wie konnte es sein, dass er eine so große öffentliche Wirkung entfalten konnte? Da sind natürlich seine mittels der Kleidung vorgetragenen Rollenspiele ein wichtiges Element. Es ist eine Zeichensprache jenseits der Sprache, die unterbewusst verstanden wird. Diese symbolische Kommunikation gibt es heute bei Politikern, Rebellen und Revolutionären ebenso und sie aus der Geschichte heraus zu begreifen, hilft uns, unsere Gegenwart klarer zu sehen.Interview: Marianne Sperb, MZ

Zur Person: Die Kunsthistorikerin Dr. Ester Sophia Sünderhauf, 1969 in Dresden geboren, leitet seit 2014 die Von Parish Kostümbibliothek in Nymphenburg, eine Abteilung des Stadtmuseums München. Ihre Forschungen über Hitlers Dresscode stellte sie zuletzt auf Einladung des Historischen Vereins Regensburg im Thon-Dittmer-Palais vor.

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