Roman
Ein Papier-Dinosaurier voller Kraft

Der Ex-Regensburgerin Kristina Pfister gelingt ein Überraschungserfolg. Ihr Debüt erzählt virtuos von einem Leben ohne Plan.

21.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Kristina Pfister hat einige Zeit in Regensburg gelebt und kommt häufig zu Besuch in die Stadt. Die Zeit wird allerdings gerade knapp: Die Autorin ist viel unterwegs mit ihrem ersten Roman. −Foto: Sperb

Kristina Pfister liegt es fern, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Eher umgekehrt. Großes Gedöns liegt ihr nicht. Über sich und ihre Arbeit spricht sie zurückhaltend, überlegt, sparsam. Beim Treffen im Hotel Goliath in Regensburg macht sie den Eindruck, sie würde jetzt ganz gern an ihrem Schreibtisch sitzen und an einem Text feilen, lieber jedenfalls als auf einem der orangen Polstermöbel in der Hotel-Lobby, um Fragen zu beantworten und Eigen-PR zu machen. Aber es hilft ja nichts: Die 29-Jährige ist ein aufglimmender Stern am Literaturhimmel. Und so was bringt Interviews mit sich.

Kristina Pfister hat, ohne Auftrag oder gesicherte Erfolgsaussichten, einen Roman geschrieben, der prompt beim Verlag Klett-Cotta angenommen wurde und der gerade sein Publikum findet: „Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“. Erste Besprechungen klingen nachhaltig beeindruckt von einer Geschichte, die sich geradezu spektakulär ereignislos entrollt.

Kristina Pfister lässt uns teilhaben an einigen Monaten im Leben einer jungen Frau, die durch die Leere am Ende der Jugend treibt. Annika, die Ich-Erzählerin, „hangelt sich von einem Praktikum zum nächsten“, ohne Plan und ohne Ziel am Horizont, drei Monate hier, dann drei dort, 40 Wochenstunden für 400 Euro. Während ihre Kommilitonen Fotos von neuen Freunden und neuen Errungenschaften posten, studiert sie Stellenanzeigen, die nach Service- oder Schreibkräften suchen, und weiß dabei nicht mal, ob sie „eine Kraft“ ist.

Gestrandet wie ein fetter Blauwal

Annika fühlt sich „weich und zersetzt wie ein Brötchen, das zu lange im Wasser gelegen“ hat. Sie strandet wieder zu Hause, bei ihrer Mutter, „wie einer dieser fetten Blauwale, die überall in Neuseeland an den Stränden lagen und langsam verreckten“. Kristina Pfister erzählt in klaren, kräftigen Bildern. Ihre Sprache gleitet seidig dahin, den Erzählfluss strukturieren klug gesetzte Vor- und Rückblenden. Die Geschichte zieht ihre unterschwellige Energie aus Szenen, die oft nur vage skizzieren. Das Ungesagte nimmt sich Raum. In zehn Episoden entsteht das Leben einer eigenwilligen Frau, die eine Richtung sucht, während ihre Tage zwischen zu viel Trash-TV, Drinks und Drogen verbreien.

Hier geht es zu unserem Bücher-Special.

Die Freundschaft mit Marie-Luise vom Appartement gegenüber gibt Annika einen Schubs. Diese Nachbarin lebt in den Tag hinein, lässt sich auf Abenteuer ein und nimmt sich, was sie möchte. In Annikas quälend entschleunigtem Leben springt ein Motor an. Ein Fenster geht auf. Der Roman endet an einem See: „Ich schloss die Augen, stieß mich ab und sprang.“

Auf der Buchmesse Leipzig

„Die Kunst, einen Dinosaurier zu falten“ ist ganz entschieden kein lustiges Buch, auch wenn manche Szenen zum Lachen reizen. Aber diese stille, sensationslose Geschichte, die keinen Appell formuliert, aber einen aufrichtigen Ton hat, entwickelt einen erstaunlichen Sog. In der Literaturszene wird das Debüt außergewöhnlich anerkennend aufgenommen. Interviews, ein Termin im Literaturhaus München, Präsentationen Ende März auf der Buchmesse in Leipzig: „Der Erfolg ist schon überwältigend gerade“, sagt Kristina Pfister in der Hotel-Lobby. Weitere Lesungen in Erlangen und Stuttgart stehen fest.

Kristina Pfister stammt aus Bamberg, hat in Regensburg Medienwissenschaften studiert und kommt häufig hierher zurück. Schreiben war „schon immer“ ihr Ding, sagt sie. Nicht unbedingt, weil Schreiben glücklich machen würde, eher aus „innerem Drang“. Sie verfasste Kurzgeschichten und im Alter von 17 bereits einen Roman, für die Schublade.

Wichtige Impulse holte sich die Schriftstellerin von der Bayerischen Akademie des Schreibens, an der sie als Stipendiatin teilnahm, und als Autorin in der on3-Lesereihe des BR. Nach Stationen in New York und München lebt sie heute in Nürnberg, wo sie Öffentlichkeitsarbeit für das „Erfahrungsfeld zur Entfaltung der Sinne“ der Stadt Nürnberg betreut. Und wo sie natürlich weiter schreibt. „Wenn es gut läuft, acht Seiten pro Tag.“

Und der gefaltete Dinosaurier? Er ist ein Souvenir von Marie-Luise, die sich auf Origami versteht und das Papier-Tier für ihre Freundin Annika zurücklässt. Ein großes Geschöpf nimmt zierlich Gestalt an.

Weitere Beiträge aus der Kultur lesen Sie hier.