Porträt
Große Künstlerin mit vielen Talenten

Gundi Ellert wird 60. Die bekannte Schauspielerin, die mit dem Theaterintendanten Frank Baumbauer verheiratet ist, stammt aus Velburg in der Oberpfalz.

06.09.2011 | Stand 16.09.2023, 21:06 Uhr
Ulrich Kelber

München/Velburg. „Sie hat einen ganz eigenen Humor, der unverwechselbar ist – einen sanften, schrägen Humor.“ So lobte die Regisseurin Dagmar Knöpfel bei den Dreharbeiten zu einer „Tatort“-Folge die Schauspielerin Gundi Ellert. Nicht nur auf der Theaterbühne zählt Gundi Ellert zu den ganz großen Darstellerinnen. Ebenso gut im Geschäft ist sie bei Film und Fernsehen. Und wenn sie sich auch nicht auf den Typus der Volksschauspielerin einengen lässt, ist sie doch ganz besonders gefragt, wenn es um bayerisches Kolorit geht. Aktuell ist sie zu sehen in „Sommer in Orange“, der neuen Komödie von Marcus H. Rosenmüller um die Bhagwan-Jünger, die ein biederes Bauerndorf in Aufregung versetzen. Und im Oktober läuft im Fernsehen der bereits mit Lorbeeren bedachte Alpenkrimi „Föhnlage“, wo sie eine resolute Bestattungsunternehmerin spielt.

Am 8. September 1951 wurde Hildegunda Ellert in Lengenfeld geboren, heute ein Ortsteil der kleinen Stadt Velburg im Landkreis Neumarkt. Mit fünf Schwestern wuchs sie auf, der Vater war Sattlermeister. Als Kind sei sie „vorlaut und altklug“ gewesen, aber auch „besserwisserisch und jähzornig“, bekannte sie einmal in einem Gespräch mit der „Theater-Rundschau“. Mutig musste sie auch sein, denn es galt, sich zu emanzipieren, sich den eigenen Weg zu erkämpfen. Zunächst sah es nämlich keineswegs nach Karriere aus. In eine Lehre wurde sie gesteckt, Apothekenhelferin sollte sie werden. Dann mit 17 eine frühe „Muss“-Ehe (die 1968 geborene Tochter Patrizia Schwöbel wurde auch Schauspielerin; Sohn Julian Friedrich aus einer bald folgenden zweiten Ehe ist seit 1999 Musiker und gründete die Rock-Pop-Band „Montag“).

Karrierestart in Berlin

Der Ausbruch: 1972 kam Gundi Ellert nach München, besuchte die Schauspielschule von Ruth von Zerboni. 1975 gab es das erste feste Engagement bei einem kleinen Berliner Theater, wo sie unter anderem in Lautensacks „Pfarrhauskomödie“ auf der Bühne stand. Bei einer Tournee-Produktion durfte sie dann die Titelrolle in Bölls „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ spielen. 1977 hatte Gundi Ellert es geschafft, bekam Engagements bei den beiden großen Münchner Bühnen, pendelte zwischen dem Residenztheater und den Kammerspielen.

München/VelburgAls Ludwig Thomas „Magdalena“ war sie in diesen Jahren zu sehen, als das Annerl in „Der starke Stamm“ von Marieluise Fleißer, als Innocentia in Lautensacks „Hahnenkampf“ und als Liese in „Der Nusser“ von Franz Xaver Kroetz. Aber auch in ganz anderen Stücken war sie präsent, etwa in den Shakespeare-Inszenierungen von Dieter Dorn, „Ein Sommernachtstraum“, und Hans Lietzau, „König Lear“. Und als Ingmar Bergman in München Regie führte, spielte sie in Molieres „Don Juan“ mit und in Strindbergs „Fräulein Julie“. 1981 gab es die erste große Anerkennung – den Kunst-Förderungspreis der Stadt München. Gerühmt wurde an Gundi Ellert damals „der enorme, von jedem Klischee unbeeinflusste Einsatz, mit dem sie an jede neue Rolle herangeht, die Vitalität, die Eindringlichkeit und Überzeugungskraft, mit der sie Figuren gestaltet.“

1994 folgte der „Ritterschlag“: Bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift „Theater heute“ wurde sie für ihre Rolle in Elfriede Jelineks „Wolken.Heim“ zur Schauspielerin des Jahres gekürt. Ihrem Lebensgefährten Frank Baumbauer war sie 1988 ans Theater Basel und ’93 ans Schauspielhaus Hamburg gefolgt. Als Baumbauer 2001 die Intendanz der Kammerspiele übernahm, kehrte sie mit ihm nach München zurück, wo sie auch nach dessen Abschied 2009 weiter auf der Bühne steht.

Kritische Stücke aus eigener Feder

Aber Gundi Ellert hat sich nicht damit begnügt, auf der Bühne zu stehen, sie hat selbst einige Theaterstücke geschrieben – alle sehr böse und kritisch. „Elena und Robert“ – uraufgeführt 1988 im Münchner Marstall – ist eine anklagende Milieustudie. Es geht um zwei alte Menschen, abgeschoben in ein Pflegeheim, denen die letzte Liebe nicht gegönnt wird. „Lenas Schwester“ (1992) ist eine Dreiecksgeschichte um zwei Frauen, die von einem machohaften und gewalttätigen Mann drangsaliert und gedemütigt werden. Für dieses Stück bekam Gundi Ellert den Literaturpreis des BDI-Kulturkreises. Abhängigkeit, Unterdrückung, Duckmäusertum und spießiges Provinzleben waren das Thema in „Josephs Töchter“, wo die Kinder zu Opfern eines despotischen Familientyrannen werden.

München/VelburgUnd schließlich „Jagdzeit“: Da sind die Väter dumpfe Rassisten, die eine Hetzjagd auf illegale Grenzgänger veranstalten; nicht besser die Kinder, auch sie anfällig für dumpfe Parolen, sie sind Monster, die auf Raubzüge gehen, aggressiv und hemmungslos in ihrer Gewalttätigkeit. „Ein Stück, das die Gegenwart als Steinzeit entlarven möchte, Deutschland als Kriegsschauplatz aller Altersklassen“, schrieb der „Spiegel“ 1994 zur Uraufführung am Münchner Residenztheater. In einer verknappten, stakkatohaft wirkenden Sprache bricht Gundi Ellerts Wut über Missstände in der Gesellschaft hervor.

„Schreiben hilft mir, mich mit dieser Welt auseinanderzusetzen“, erzählte die Autorin in einem Interview mit „Theater heute“. Ganz aktuell klingt ein Satz, den sie über ihr Stück sagte: „Die Kinder sind Opfer, und ich glaube, dass Opfer sehr oft zu den grausamsten Tätern werden können. Wenn eine Gesellschaft Opfer produziert und wir es nicht schaffen, diese hoffnungslose Jugend – oder den Teil von ihr, der hoffnungslos ist – aufzufangen, produzieren wir Täter, denen das Mitleiden aberzogen worden ist.“

Umtriebig und höchst aktiv ist Gundi Ellert, durchsetzungsfähig und geschäftstüchtig (seit ein paar Jahren betreibt sie sogar ein exklusives Modegeschäft in München).

Willig übernahm sie anfangs in Film und Fernsehen auch Rollen, die eher anspruchslos waren. Lisa Fitz, die Kabarettistin mit dem losen Plappermaul, hat in ihrer kürzlich erschienenen Autobiografie über ihre Anfänge bei „Schulmädchenreport“, den läppischen Sexfilmchen der 70er Jahre, geplaudert und dabei recht gemein denunziert: „Ich war das einzige Mädchen im Film, das Nein sagte und den Sex verweigerte. Meine Kollegen Gundi Ellert, Jutta Speidel und Konstantin Wecker hatten wesentlich Schärferes zu spielen und mögen heute nicht mehr so gerne daran erinnert werden. Mit Recht.“ Aber Tagesgagen zwischen 500 und 1000 Mark waren verlockend.

Schauspielerin von Format

Den Lästereien von Lisa Fitz zum Trotz: Es gibt eine stattliche Reihe von Filmen, wo Gundi Ellert wirklich zeigen konnte, was sie darstellerisch drauf hat, etwa in der Lena-Christ-Verfilmung „Madam Bäuerin“, in „Marias letzte Reise“, wo sie an der Seite von Monica Bleibtreu spielte – genauso wie in Bettina Oberlis Verfilmung von „Tannöd“, dem Krimi der Regensburger Autorin Andrea Maria Schenkel.

Dass sie sich aufs Komödiantische ebenso versteht, war in der Verfilmung von Jan Weilers Bestseller „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ zu sehen, wo sie die über die italienische Lebensart zunächst recht konsternierte Mutter des deutschen Bräutigams spielte. In Wirklichkeit weiß Gundi Ellert Italien sehr wohl zu schätzen, sie spricht sogar sehr gut Italienisch, denn seit vielen Jahren besitzen sie und ihr Mann ein Rustico in der Toskana, ein schön restauriertes Natursteinhaus mit großem Swimmingpool, umgeben von vielen Olivenbäumen, deren Früchte jeden Herbst in harter Arbeit selbst geerntet und zur Mühle gebracht werden. Ein Teil des gewonnenen Öls werde dann gegen Wein eingetauscht, hat Frank Baumbauer einmal verraten. . .