Porträt
Eine einfache Frau, die viel bewegt

Rita Blümel schmiss nach dem Tod ihres Mannes den Hof, ist Krankenschwester und Kreisbäuerin – Selbstmitleid will sie nicht.

29.07.2016 | Stand 29.07.2016, 18:30 Uhr

Es gibt Menschen, die vermitteln Ihrem Gegenüber ein gutes Gefühl: Rita Blümel aus Unterlaichling (bei Schierling im Landkreis Regensburg) ist so ein Mensch. Fotos: privat/Lukesch

Es gibt Menschen, die vermitteln ihrem Gegenüber ein gutes Gefühl. Sie strahlen positive Energie aus, interessieren sich für den anderen, nehmen sich selbst zurück, sind offen, völlig vorurteils- und auch wertfrei. Rita Blümel aus Unterlaichling (bei Schierling im Landkreis Regensburg) ist so ein Mensch. Wenn sie in ihrem wunderschönen großen Garten sitzt, umgeben von sattem Grün, bunten Blumen und saftigen Pflanzen, strahlt sie Ruhe und Zufriedenheit aus. Dabei hat Rita Blümel (54) viel in ihrem Leben bewältigt und jede Menge Aufgaben zu erfüllen. Da ist der Bauernhof, der bewirtschaftet werden will, da sind ihre Arbeit als Krankenschwester im Krankenhaus St. Josef in Regensburg, ihre fünf Kinder und vier Enkelkinder, und ihr Ehrenamt als Kreisbäuerin des Bayerischen Bauernverbandes.

2012 ist ihr Mann nach langer Krankheit gestorben. Ein Schlag, an dem manch andere Frau vielleicht zerbrochen wäre, zumal da ja der Bauernhof weitergeführt werden musste, die fünf Kinder alle noch zuhause lebten und auch ihr Ehrenamt als Kreisbäuerin einiges an Energie abforderte. Doch Rita Blümel ist aus anderem Holz geschnitzt. „Selbstmitleid kann ich überhaupt nicht leiden“, stellt sie klar. Es bringe einen schließlich nicht weiter und koste Energie, die man doch eigentlich brauche, um Schicksalsschläge zu bewältigen. Zu jammern über die viele Arbeit oder überhaupt über Arbeit kommt der gebürtigen Niederbayerin nicht in den Sinn. „Es ist doch schön, wenn man arbeiten kann“, sagt sie und mit dieser inneren Einstellung geht sie jede Aufgabe, die ihr gestellt wird, mit der ihr eigenen positiven Motivation an.

Als engagierte Kreisbäuerin trägt sie viel Verantwortung

Das war auch im Jahr 2006 so, als sie zur Kreisbäuerin im Bayerischen Bauernverband (BBV) im Landkreis Regensburg gewählt wurde. „Ich hab nie im Leben daran gedacht, dass ich jemals Kreisbäuerin werden könnte!“, sagt Blümel selbst. Zwar war sie schon viele Jahre lang als BBV-Ortsbäuerin aktiv und hat diese Aufgabe auch gern erfüllt. Dennoch war die Übernahme des Amtes der Kreisbäuerin ein sehr großer Schritt für die fünffache Mutter. „Ich hab doch niemanden von den ganzen Leuten, mit denen ich dann zu tun hatte, gekannt“, erinnert sich Blümel heute. Mit Optimismus und der inneren Freude, eine neue Aufgabe anzugehen, arbeitete sich Blümel auch in die Aufgaben der Kreisbäuerin hinein, sie wurde Mitglied des Kreistages und trägt seitdem viel Verantwortung.

„Selbstmitleid kann ich überhaupt nicht leiden.“

In der durch zahlreiche Rituale und Formalien geprägten Welt von Vereinen, Verbänden, Institutionen und politischen Gremien fiel Rita Blümel dem aufmerksamen Beobachter vom ersten Tag ihrer Amtsübernahme an durch ihre unverfälschte und menschennahe Art des Umgangs auf. Wer zuerst dachte, dies sei ihrer Unerfahrenheit zu Beginn ihrer Amtszeit als Kreisbäuerin geschuldet, täuschte sich. Rita Blümel ist sich über all die Jahre selbst treu geblieben. Sie möchte die Menschen als Menschen sehen und auch so behandeln. Sie will nicht zynisch durch die Welt gehen, über alle kritisch urteilen und nur das Negative sehen. Sie will das Leben, die Menschen und die Welt positiv bewerten. Natürlich geht dies nicht immer und überall. So macht Rita Blümel zum Beispiel zurzeit das Bild der Landwirtschaft in der Bevölkerung Sorgen. „Wenn ich im Flugzeug sitze und auf die Erde schaue, dann fallen die Siedlungen gar nicht so sehr auf. Die größten Flächen sind die landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen. Wenn ich das sehe, macht mich das stolz, denn es sind wir Bauern, die diese Landschaft pflegen und erhalten“, sagt sie. Rita Blümel will in ihrem Amt als Kreisbäuerin mithelfen, dass die Menschen ein realistisches Bild von den lebenswichtigen Aufgaben der Landwirtschaft erhalten. Deshalb ist ihr auch die Bildungsarbeit der BBV-Landfrauen enorm wichtig. „Mich freut es sehr, wenn wir gemeinsam etwas bewegen können“, sagt sie.

„Wenn ich im Flugzeug sitze und auf die Erde schaue, dann fallen die Siedlungen gar nicht so sehr auf. Die größten Flächen sind die landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen. Wenn ich das sehe, macht mich das stolz, denn es sind wir Bauern, die diese Landschaft pflegen und erhalten.“

Auch wenn Rita Blümel, was sie sehr oft tun muss, Reden hält oder Grußworte spricht, stechen ihre Inhalte und die Art, wie sie sie mitteilt, stets heraus. Sie gibt nichts auf Worthülsen, auf Phrasen oder gescheite Worte, die sie sich irgendwo abgeschrieben hat. Sie sagt das, was ihr durch den Kopf geht, sie erzählt von ihren Gedanken und Überlegungen und sie formuliert es so, dass es jeder verstehen kann. „Ich mag die einfache Sprache“, sagt Blümel. Auch die mittlerweile zehn Jahre, in denen sie als Kreisbäuerin viele offizielle Termine absolvieren musste, haben nichts an Blümels Verhalten geändert. Noch immer ragt sie aus der Flut der rhetorisch gewandten Phrasendrescher am Rednerpult wohltuend heraus. Wichtig ist Rita Blümel auch, dass sie Gefühle weitergibt und den Gefühlen anderer Beachtung schenkt. „Schließlich sind wir doch alle Menschen“, meint sie. Den Regensburger Bischof Dr. Rudolf Voderholzer zum Beispiel hat Rita Blümel einfach persönlich gefragt, ob er nicht einmal zu einem Landfrauentag kommen wolle. Der Bischof wollte und seither kommt er zur großen Freude Rita Blümels, für die ihr Glaube sehr wichtig ist, regelmäßig zu dem Treffen. „So einfach ist das, wenn man mit den Menschen ganz natürlich umgeht.“

In der Familie helfen und halten alle zusammen

Mit 22 Jahren hat die in Niederbayern geborene Frau in den Vollerwerbsbauernhof in Unterlaichling eingeheiratet. Da sie selbst auch aus einem Bauernhof stammte, war ihr das Leben auf dem Land vertraut. Nur, dass es sie in die Oberpfalz verschlagen hat, das habe sie sich früher nicht vorstellen können, erzählt Blümel heute lächelnd. 1984 brachte sie die erste Tochter Bernadette, 1986 die Zwillinge Juliane und Albert zur Welt. 1993 kam die Tochter Magdalena und 1995 noch der Sohn Andreas zur Familie dazu. Als 2008 ihr Mann schwer erkrankte, führte die Familienfrau den Betrieb weiter. Sie wollte alles für die Kinder erhalten – und zusammen mit ihren Kindern schaffte sie das auch. Der jüngste Sohn wird den Betrieb übernehmen. In der Familie Blümel haben immer alle zusammengeholfen, erzählt Rita Blümel, und das tun sie auch jetzt noch. „Ich habe meine Kinder schon früh mithelfen lassen mit Aufgaben, die sie bewältigen konnten.“ Das habe sich den Kindern eingeprägt, das sei Teil ihrer Lebensart.

„Arbeit ist selten eine Last für mich, eigentlich immer eine Freude. Man muss dankbar sein, wenn man arbeiten kann.“

Rita Blümel hat in ihrer Jugend den Beruf der Krankenschwester erlernt und bis zur Geburt ihres ersten Kindes im Josefskrankenhaus in Regensburg gearbeitet. Danach war sie zuhause bei den Kindern, im Betrieb. Nachdem im Jahr 2008 ihr Mann erkrankte, fing sie 2009 wieder an, in ihrem Beruf zu arbeiten. 2011 hat Rita Blümel die äußerst arbeitsaufwändige Viehwirtschaft, auch auf Anraten ihres Mannes, endgültig aufgegeben. Heute arbeitet sie in Teilzeit im Josefskrankenhaus. „Ich mach’ alles gern, ich hab immer alles gern gemacht. Ich bin gerne zuhause bei den Kindern gewesen, ich hab immer schon gern im Bauernhof gearbeitet, im Garten, ich bin gern Krankenschwester. Arbeit ist selten eine Last für mich, eigentlich immer eine Freude. Man muss dankbar sein, wenn man arbeiten kann“, sagt Blümel. Mit dieser Einstellung stellt sie sich allen Aufgaben, die das Leben bereithält. So rettete sie eines Tages auch beherzt Anton Rothfischer, dem Bürgermeister von Wörth an der Donau, das Leben. Er war zusammengebrochen und Rita Blümel erhielt ihn mit einer Herz-Druck-Massage am Leben.

Arbeit in der Entwicklungshilfe als mögliches Ziel für die Zukunft

Natürlich war der Tod ihres Mannes ein großes Unglück, doch auf die Idee zu fragen „Warum ich?“ ist Rita Blümel nie gekommen. „Das ist so eine dumme Frage. Sollte es vielleicht lieber einem anderen passieren?“ Dass sie alles schaffen konnte, empfindet Rita Blümel als Glück und dafür ist sie dankbar. Auf die Frage, was sie noch für Ziele habe, meint sie lächelnd: „Ich glaube, ich habe so ziemlich alles abgearbeitet. Meinen Kindern habe ich beigebracht, dass das Leben immer weitergeht.“ Ihre größte Freude sei, dass ihre Mutter mit 82 Jahren noch am Leben sei. Doch dann fällt der hübschen dunkelhaarigen Frau doch noch etwas ein, von dem sie schon immer geträumt hat: „Ich wollte schon immer einmal in der Entwicklungshilfe arbeiten, um zu sehen, wie die Bevölkerung in den Entwicklungsländern lebt.“

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