MZ-Serie
Die verlassenen Stollen im Erzberg

Die Region um Amberg war das „Ruhrgebiet des Mittelalters“. Eisenerz wurde abgebaut und verhüttet. Längst vergessene Orte erinnern an die Geschichte.

14.09.2014 | Stand 16.09.2023, 7:13 Uhr
Fritz Wallner

Der ehemalige Steiger Hans Schöner posiert in voller Bergwerksmontur vor dem Eingang zum Theresienstollen – nach einem Meter ist der Stollen zugemauert. Foto: Winter

Wer ihn nicht kennt, wird ihn nicht finden. Der Theresienstollen liegt am Rande der Amberger Altstadt im Hinterhof einer Druckerei an der Sulzbacher Straße. Ein schweres, eisernes Tor verwehrt den Zutritt. Drinnen steht eine Figur der Heiligen Barbara, Schutzpatronin der Bergleute. Nach nur einem guten Meter ist Schluss: Niemand kann mehr in den historischen Stollen unter dem Amberger Erzberg einfahren. Er wurde aus Sicherheitsgründen zugemauert. Um überhaupt einen Blick hineinwerfen zu können, braucht man die Hilfe von Hans Schöner. Der ehemalige Steiger rückt in voller Bergmannsmontur an und sperrt das Gitter zu dem Stollen auf, in dem er einen Großteil seines Berufslebens verbracht hat.

Der Erzabbau florierte lange Zeit

Schon im Mittelalter florierten in Amberg und Umgebung der Erzabbau und die Verhüttung des Erzes zu Roheisen. Die früheste Erwähnung des Erzabbaus in Amberg stammt aus dem Jahr 1270, sagt der Geologe und Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer des Industrie- und Bergbaumuseums in Theuern, Dr. Helmut Wolf. Bis zu 300 Hüttenwerke wurden mit Oberpfälzer Erz beliefert. Der größte Teil stammte aus oberflächennahen Erznestern oder aus Schächten, die bis zu einer Tiefe von zehn Metern reichten. Erst in den folgenden Jahrhunderten begann man mit dem bergmännischen Abbau des Erzes.

Der Amberger Erzberg, der bis 1621 alleine der Stadt, später dem Kurfürsten und schließlich dem bayerischen Staat gehörte, wurde über verschiedene Förderschächte erschlossen, wovon der „Barbaraschacht“ bis in die Neuzeit in Betrieb war. Ab 1842 wurde der Theresienstollen aufgeschlossen, der nach Therese von Sachsen-Hildburghausen, der regierenden Königin von Bayern 1825 bis 1845 benannt wurde. 977 Meter weit wurde er in den Berg vorgetrieben. Der Theresienstollen diente der Versorgung der Schachtanlagen unter anderem mit Grubenholz, der Ein- und Ausfahrt der Bergleute und vor allem dem Abpumpen von Wasser, das den Bergbau behinderte.

Niedergang in den 1960er Jahren

„Eswar eine schwere Arbeit im Berg“, erinnert sich Hans Schöner, der heute noch als Vorsitzender der Amberger Bergknappen die alte Bergmannstradition aufrecht erhält. „Vor allem hatten wir mit dem Wasser zu kämpfen, damit die Stollen nicht absaufen“. Das unterirdisches System im Berg wurde im Laufe der Jahrzehnte ständig erweitert. Denn im Februar 1882 hatte der bayerische Landtag beschlossen, in Amberg nicht nur Erz zu fördern, sondern auch einen Hochofen zu bauen, das Erz zu verhütten und das Roheisen zu verkaufen. Bereits 1908 zählte die Belegschaft desAmberger Eisenwerkes bereits 305 Bergleute und 119 Hochofenarbeiter. Der Theresienstollen hatte eine zentrale Erschließungsfunktion, während das erzhaltige Gestein über einen höher liegenden Schacht ausgefördert wurde.

Die Geschäftsentwicklung der Amberger Hütte verlief weiterhin sehr positiv und es wurden ergänzende Geschäftsbereiche aufgebaut. 1890 wurde eine Schlackenziegelei errichtet, 1899 eine Gaskraftanlage fertiggestellt und ab 1909 der Kalksteinbruch in Theuern erschlossen. 1908 wurde vom Landtag der Errichtung einer Rohr- und Handelsgießerei zugestimmt. Ein zweiter Hochofen wurde 12. März 1911 in Betrieb genommen und die Amberger Hütte zu Ehren des Prinzregenten Luitpold in Luitpoldhütte umbenannt. Kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde der dritte Hochofen angeblasen.

Nach Kriegswirtschaft und dem „Wirtschaftswunder“ der 1950er Jahre zeichnete sich ab 1960 ab, dass inländisches Roheisen gegenüber Billigimporten nicht mehr konkurrenzfähig war. Gleichzeitig versiegten die Erzvorkommen. Hans Schöner arbeitete bis zur Schließung des Bergwerkes und damit auch des Theresienstollens als Steiger in der Luitpoldhütte. Das Leben im fast 9,5 Kilometer langen System der Strecken, Stollen und Schächte im Amberger Erzberg kam zum Erliegen. „Ich war sehr gerne Bergmann“, sagt er und schließt das schwere eiserne Tor am Theresienstollen wieder. 1962 wurde der Hochofen III der Luitpoldhütte niedergeblasen, 1968 der Hochofenbetrieb endgültig eingestellt. Zwischen 1964 und 1968 gingen 1000 der vormals 2300 Arbeitsplätze verloren. Heute gehört die Luitpoldhütte mehrheitlich den russischen Cheboksary Aggregate Works und wird nur noch als Gießerei betrieben.

Der Amberger Heimatforscher Hans Prem und seine Mitstreiter halten die Erinnerung an die Stollen und Schächte in Erinnerung. Ein Erzweg ist im Entstehen. „Auch den mittlerweile mit einer Betonplatte verschlossenen Eingang des Barbaraschachtes haben wir wiederentdeckt“, sagt er. Der Erzweg führt durch die Arbeitersiedlungen der Luitpoldhöhe vorbei am alte Transformatorenhaus zum historischen Pulverturm. Von hier oben kann man den Eingang des Theresienstollens tief unten nur erahnen.