Geschichte
Als Lohberg Zentrum der Ochsenherden war

„Lebensgrundlage der Menschen“: Johannes Seidl sprach in Lohberg über die Hütewirtschaft im „Wingei“ vor mehr als 300 Jahren.

11.03.2017 | Stand 16.09.2023, 6:31 Uhr
Maria Frisch
Mittagsschläfchen auf dem Arbergipfel: Ochsen aus dem Bayerischen Wald waren früher vielseitig verwendbare und daher wertvolle Nutztiere. −Foto: kfl

„Früher war die Landwirtschaft viel wert und bildete die Lebensgrundlage der Menschen“, stieg Kulturwart Johannes Seidl vor dem Waldverein in Lohberg in die Thematik ein. Es gab im gesamten Bayerischen Wald nirgends so viel Stierherden, nämlich zehn an der Zahl, wie in Lohberg. Der Referent zeigte eine alte Aufnahme aus 1904, auf der die zahlreichen Kahlflächen um die Dorfteile und Weiler zu sehen waren.

„Dort schlugen die Besiedler einst Blößen, auf denen später Birken wuchsen, die sie alle zehn bis fünfzehn Jahre wieder fällten, um zwischendurch auf den Flächen zwei Jahre hintereinander Getreide (Roggen) anzubauen“. In der Wachstumszeit der Birken wurde dort geweidet. „Für das Holz ernteten die Landwirte nur wenig Ertrag“, erläuterte Seidl. Deshalb hielten die Bauern einen relativ großen Viehbestand, für den sie jede Menge Weide benötigten.

Allzweck-Nutztier Ochse

Dort blieben sie von Mitte Juni bis Ende September. Alois Kroner aus Lohberghütte hatte die Recherchen von Johannes Seidl unterstützt und in mühseliger Kleinarbeit eine Flurkarte erstellt, auf der er sämtliche Hüteplätze markierte. Insgesamt hatten sie Ausmaße um die 2500 Tagwerk, auf denen bis zu 80 Ochsen weideten.

In Eggersberg sind zwei Hüterhäuser belegt. In einem wohnt heute Erwin Liebl und im zweiten früher Kurt Koller (Scheim Kurt). Michael Begerl geb. 17.09.1895 war zuletzt auf der Arberseite für die Eggersberger im Einsatz, wie aus einer Lohnliste von Maria Völkl hervorgeht. Nach dem Krieg traten noch Josef Kaml und Rudolf Kaml in seine Fußstapfen. Mit letzterem zog auch Johann Wellisch (Wonga Hans) als Hütbub in den Schulferien in die Wälder. Er ist heute noch ein viel gefragter Zeitzeuge.

Über das Hüttenleben am Bramersbacher Platz gibt es Aufzeichnungen von der Heimatforscherin Maria Völkl. Damals wurde behauptet, dass man für ein Dorf schneller einen Pfarrer oder einen Lehrer findet, als einen „guaden“ Hüter. „Die Hüterei war nicht ohne. Die Beauftragten entwickelten ein Gespür dafür, dass das Gras die gesamte Wachstumsperiode ausreichte, und das Vieh an Gewicht zulegte.

Wenn sie im Frühjahr auftrieben, waren die Ochsen unruhig, bis sie sich zusammengewöhnt hatten. Die Hüter stellten meist das Fehlen eines Tieres nicht optisch fest, sondern weil sie den Klang einer Schelle vermissten. Der bereits verstorbene „Haberl Max“ besaß eine der schönsten Schellensammlungen, die er sich etwas kosten ließ. „Das war sein ganzer Stolz und von jeder gäbe es eine Geschichte zu erzählen“, weiß sein Sohn Stefan.

Die Letzten ihrer Zunft

Die Lohberger hatten bis 1930 zwei Herden, die vorwiegend „zur großen Ebene“, zum Sesselplatz und zum Lohberger Steinl aufbrachen. Nach einem Grundstückswechsel „fusionierten“ sie. Der Staat duldete die Hüterei nicht mehr. Der letzte seiner Zunft war der „Hüter Hans“ (Johann Kaml), der Lohberger und Lamer Vieh gemeinsam in seiner Obhut hatte. Er wohnte in einem Waidlerhaus in Altlohberghütte.

Die Thürnsteiner nahmen die Osserwiese unter Beschlag. Die Thürnsteiner Herde umfasste knappe 30 Stück. „Die zwei Pöschl-Buben waren die letzten Hüter vom Osser. Sie sind im Krieg gefallen“, erinnerte der Kulturwart. Hinterher übernahmen die großen „Schuibuben“ den Job. Wenn sie in den höheren Gefilden waren, gingen sie oft nur zwei Tage in der Woche in die Schule. Der Paragliderverein hat einen Teil erworben.

Mitte der 50er Jahre wurde im Lamer Winkel nicht mehr aufgetrieben, im Gegensatz zu den Bodenmaisern. Dort haben sich die vormals hundert Rechtler auf drei reduziert. Die Plätze sind elektrisch eingezäunt, ebenso die Ruckowitzschachten im Nationalpark, wo braunes Vieh ohne Schellen weidet. „Es wird untersucht, ob die Beweidung für ein Biotop wertvoll ist “, informierte Johannes Seidl. Im Sommer unternehme der Wald-Verein eine Wanderung zu den Stierplätzen – auf die Lohberger oder Eggersberger Seite.

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