Jubiläum
Die Balance des Lebens gefunden

Dr. Bauer wird Sonntag 70, schaut zurück und nach vorn. Er und seine Frau führen seit über 30 Jahren eine Praxis in Cham.

26.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:27 Uhr

70 Jahre alt wird er am Sonntag – doch auch der Balancestamm im Garten ist nicht vor ihm sicher, ebenso wenig wie das Dach des Olympiastadions in München, von dem er sich vor kurzem mit seiner Frau Dr. Cornelia Bauer abgeseilt hat. Foto: Klöckner

Dort, wo die Stadt seit Jahren krankt und eine Medizin gegen Leerstände und Menschenleere sucht, hat er mit seiner Frau Cornelia seine Praxis für Allgemeinmedizin: Dr. Franz Bauer. Seit jetzt 31 Jahren machen die Bauers am Marktplatz die Chamer gesund. Und machen sich auch ihre Gedanken zur Innenstadt. „Parkplätze waren bei uns nie wichtig! Dennoch bringen wir viele Menschen in die Mitte Chams!“, sagt er.

Und empfiehlt den Stadtoberen, auf Praxen oder ähnliches zu setzen, um die Altstadt zu beleben, statt auf Stellplätze für Autos. Ansonsten biete die Innenstadt doch alles, was man brauche. Solch ein Einmischen, Lösungen suchen, Fehler beseitigen und handeln – das passt zu ihm. Er schaut nicht zu – er macht lieber mit.

Dazu hat ein Oben und Unten irgendwie immer sein Leben bestimmt. Am Sonntag wird Dr. Franz Bauer 70 Jahre alt und hat seine Balance gefunden. Fragt man ihn, ob er zufrieden ist mit dem, was er geschafft hat, lächelt er leicht durch den grauen Bart: „Zufrieden? Ja, ich bin zufrieden!“ Wer daraus schließt, dass er nun zu allem Ja und Amen sagt, der irrt gewaltig. Gefallen lässt er sich noch immer nichts.

Tonnenweise Kohlen schaufeln

Das hat er auch dem harten Lebensstart zu verdanken – ganz unten, wie Dr. Franz Bauer es selbst beschreibt. Geboren in Schwarzenfeld, im Landkreis Schwandorf, sind seine Eltern in der harten Nachkriegszeit Kohlenhändler. „Ich bin in einfachsten Verhältnissen groß geworden!“, sagt er. Und hat gleich mitbekommen, dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. „Mein Vater und ich waren die Firma“ – das bedeutete oft, tonnenweise Kohle vom Waggon auf den Lastwagen schaufeln „Der Zentner kostete fünf Mark“, erinnert er sich. Sein Vater, eigentlich ein gelernter Schreiner, hatte jedoch Besseres für ihn im Sinn. Er habe ihn zum Abitur „getrieben“, um ihm über die Bildung den Weg nach oben zu ebnen.

Doch beim ersten Anlauf am Gymnasium in Schwandorf scheiterte der jungen Querdenker, der anderes suchte und vieles ändern wollte. Er eckte an – und fiel durch. Ein Schuljahr später in Weiden hat‘s gepasst. Das Abitur in der Tasche war Medizin erstes Ziel – doch brauchte es Wartezeit für einen Studienplatz. „Damals gab es eine Ärzteschwemme“, sagt er – aus heutiger Sicht fast unglaublich.

Er machte eine Ausbildung zum Apotheker-Assistenten, arbeitete einige Jahre in Apotheken in Bruck, Regensburg und Nittenau. Dann flatterte 1973 die ersehnte Zusage für einen Medizinstudienplatz in den Briefkasten – und verschob das Unten nach oben. Er sollte vom Süden in den hohen Norden – an die Uni nach Kiel. Unentschieden, ob er das tun solle, habe der Apotheker den Ausschlag gegeben und zugeraten: „Mach das!“

An der Frauenleiche

Auch nach Kiel verfolgte ihn das Unten und Oben – in makabrer Weise, aber mit langjährigen Folgen. Denn beim Präparieren einer Frauenleiche lernte er seine künftige Frau, eine Kielerin, kennen. „Sie arbeitete unten am Fuß, ich oben am Kopf“, so Dr. Bauer. Die beiden trafen sich aber nicht in der Mitte – sondern er übernahm ihre Fußpräparat-Arbeit, wenn sie nicht kam. Ein erster Liebesdienst, der bei ihr gut ankam. Es war nicht der letzte – so gründeten sie bald eine Familie. Nach dem Studium war das gemeinsame Ziel ausgemacht – „wir wollten an den Bodensee“, sagt er. Doch dort war schon alles vergeben. Nach Arbeit in einigen Krankenhäusern kam das nächste Unten: Er wurde arbeitslos kurz vor dem 40. Lebensjahr.

Und startete nach einem Dreivierteljahr ohne Job Bewerbungsrundrufe. Einer landete beim Besitzer der Bayerwald-Klinik in Windischbergerdorf, Robert Schneider: „Der sagte, wenn du morgen anfangen kannst, kannst du kommen!“ Gesagt – getan. So landeten Bauers 1984 in Cham, wo auch gleich das erste ihrer drei Kinder zur Welt kam. Doch mit Schneider sei er nicht zurechtgekommen, so Bauer. Die Flucht nach vorn war die Praxiseröffnung am Marktplatz im Jahre 1986 – im bis dahin nicht ausgebauten Dachgeschoss der dortigen Apotheke.

Die erste Ärztin in einer Praxis

Sie sei die erste Ärztin in Cham gewesen, erinnert sich Dr. Cornelia Bauer. Selbst in der Gynäkologie habe es keine Frauen gegeben. Deshalb habe sie Schwangerschaftsvorbereitungen übernommen. Der Start lief schleppend – die Chamer Ärzteschaft war wenig erfreut über die Konkurrenz. „Im ersten Quartal hatten wir 200 Patienten“, erinnern sie sich. In Hochzeiten waren es zeitweise 2000. Der Einzugsbereich geht heute weit über die Stadt hinaus. Geerbt hat Dr. Bauer von seinem Vater zwei wichtige Eigenschaften, denen er auch heute mit Vorliebe nachgeht. Er arbeitet gerne handwerklich, was überall rund ums Haus der Bauers zu entdecken ist. Und er schaut gern über den Tellerrand der eigenen Welt – sprich: Er ist schon einmal monatelang mit seiner Cornelia in der Weltgeschichte unterwegs, ob im Taucheranzug, mit Kajak, Segelboot oder dem grünen, selbst ausgebauten Wohnmobil.

Heute sind die Bauers in der Mitte angekommen. Die drei Kinder stehen längst auf eigenen Beinen, das vierte Enkelkind wird erwartet. Die Nachfolge ist geregelt, langsam kommt der Rückzug vom Job. Und sogar eine Auszeichnung gab es noch: Im Sommer bekam die Praxis einen Focus-Award als „empfohlene Hausarztpraxis“. Das heißt, es ist Zeit die Seele baumeln zu – und zu feiern!

Die Nachfolgeregelung:

Während Dr. Cornelia Bauer durchaus ans Aufhören denkt, ist ihr Mann noch nicht so weit. Ein paar Stunden pro Woche wolle er noch mitmischen. Chefin in der Praxis am Marktplatz ist jetzt die Allgemeinärztin Dr. Viktoria Guralnik, die vor drei Jahren hier begonnen hat. Unterstützt wird sie von der „Weiterbildungsassistentin“ Barbara Waas, die nach Medizinstudium nun noch zwei Jahre bis zur Internistin braucht.

Lange hätten sie eine Nachfolge gesucht, einiges probiert – und, wie bei vielen, habe nichts funktioniert, so Bauers. Der Zufall habe alles geregelt– als sich die neue Ärztin beworben habe.

Es seien Klischees zu Landärzten unterwegs, die abschrecken würden, sagt Dr. Franz Bauer. Etwa, dass man viel zu viel arbeiten müsse, kein Geld verdiene und nur wenig Urlaub nehmen könne. Das sei einfach falsch.

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