Wirtschaft
Ein Meister aller Motorradklassen

Tom Sigl verkaufte sein Auto, um sich selbstständig zu machen. Heute beliefert er die Besten der Besten mit Carbon-Bauteilen.

22.07.2017 | Stand 16.09.2023, 6:24 Uhr
Frank Betthausen

Tom Sigl trägt sein AC/DC-Shirt und seine kurze Hose zu Hause genauso wie in der Firma. „Ich arbeite noch mit. Warum soll ich mich verstellen?“, fragt er. Die Entwicklung seines Betriebs, auf diese Feststellung legt er besonders Wert, „wäre nicht ohne die top-motivierten und engagierten Mitarbeiter möglich gewesen“.Foto: Betthausen

Tom Sigl war am Ende – und das, obwohl er erst am Anfang stand. Als der Niederbayer 2007 den Sprung in die Selbstständigkeit wagte, setzte er alles auf eine Karte. 50 Euro hatte er noch. Mit dem Geld meldete er sein Gewerbe an. Um Material kaufen zu können, verhökerte er sein Auto. Stundenlang saß er vor seinem PC und wartete darauf, dass endlich jemand etwas in seinem Online-Shop bestellte. Von diesem Moment an ging alles ganz schnell…

Heute, zehn Jahre später, fahren Motorräder der höchsten und bekanntesten Rennklassen mit seinen Carbon-Bauteilen. Und: Sigl steht vor einem Riesenschritt. Wenn alles nach Plan läuft, zieht er spätestens 2018 mit seiner Firma, Carbon-Sigl, und seinen zwölf Mitarbeitern von Loitzendorf im Landkreis Straubing-Bogen nach Wilting um. In einen 2,2 Millionen Euro teuren Neubau unterhalb des neuen BRK-Seniorenheims.

„Ein wenig blutet mir schon das Herz“, sagt der 38-Jährige, der bereits während seines Maschinenbau-Studiums in Regensburg daheim im Keller Carbonteile laminiert hatte. Der Wechsel in den Landkreis Cham heißt, sich von einer Umgebung zu trennen, die nicht nur für ihn Kult-Charakter hat. Auch seine Geschäftspartner aus England, die bislang im feinen Anzug über fleckige Vliesteppiche in den beengten Gängen zwischen den Maschinen und Arbeitsplätzen herumlaufen mussten, erlebten diesen Ort so. 80er-Jahre-Charme! Und ein Loitzendorfer Weißwurstfrühstück inklusive!

Wie in Opas Kellerwerkstatt

„Geheimhaltung ist bei uns oberstes Gebot“, sagt der gebürtige Landshuter. „Deswegen ist es gar nicht so schlecht, wenn uns nicht jeder gleich findet.“ Die Firma sei in der Szene mittlerweile bekannt. „Da kommen immer wieder Motorradfahrer vorbei, weil sie sich denken: Schauen wir doch mal, was der Sigl so macht.“

Und das ist eine ganze Menge! Von der Entwicklung und dem Design bis hin zum Formenbau und der Bauteilfertigung reicht seine Palette an Carbon-Produkten. Carbon – das als Erklärung – ist ein Faser-Kunststoff-Verbundstoff mit extremer Festigkeit, der dennoch sehr leicht und nahezu beliebig formbar ist.

„Geheimhaltung ist bei uns oberstes Gebot. Deswegen ist es gar nicht so schlecht, wenn uns nicht jeder gleich findet.“Tom Sigl

Als Entwickler und Produzent bewegt sich Sigl, wie er sagt, bewusst im Hintergrund. Und: in Nischen! Was ihn antreibt, sind Leidenschaft und Exklusivität – nicht die Preise und Stückzahlen der großen Firmen. Dafür freuen seine Mitarbeiter und er sich umso mehr, wenn sie einen Sportsender einschalten und die Grand-Prix-Maschinen mit Verkleidungen, Kotflügeln oder Haltern aus Loitzendorf – bald Wilting – über die Rennstrecke donnern. „Wir machen alles“, sagt Sigl. „Formenbau vom Tank bis zum Heck.“ Für Automobile genauso wie für Motorräder. Wobei Letztere der Schwerpunkt seiner Arbeit sind – und schon immer seine Herzenssache waren. Vier Maschinen hat der 38-Jährige – zwei Rennbikes, eine Motocross-Maschine und ein Straßenmotorrad. Seine Freizeitrennen fährt der dreifache Vater, der mit seiner Frau Silvia in Cham lebt, im tschechischen Brünn. Nebenbei ist er Mitglied im Motocross-Club Zettisch.

Die meisten seiner Geschäftskontakte, erzählt er, sind durch den Rennsport entstanden. Dass er es in den vergangenen zehn Jahren geschafft hat, seine Bauteile „mit einfachsten Mitteln in die höchsten Motorradklassen der Welt zu bringen“, macht ihn stolz.

Was Arbeit bedeutet, weiß er

Es hat ihn aber nie vergessen lassen, wo er herkommt. Sigl trägt sein schwarzes AC/DC-Shirt und seine kurze Hose zu Hause genauso überzeugt wie in der Firma. „Ich arbeite noch mit. Warum soll ich mich verstellen?“, fragt er. Und was Arbeit bedeutet, weiß der Geschäftsmann, der seine Laufbahn mit einer Ausbildung zum Modellbaumechaniker bei BMW begann, genau.

In den ersten drei Jahren seiner Selbstständigkeit – vorher hatte er als Abteilungsleiter in der Carbon-Branche gearbeitet – brachte er es auf 400 Stunden pro Monat. „Aus Überzeugung halt“, sagt er. Und schiebt hinterher: „Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, ziehe ich es durch.“

So wie den Umzug nach Wilting – mit dem er sicher erst am Anfang steht und lange nicht am Ende ist.

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