Finanzen
Verkalkuliert für 2,1 Millionen Euro

Die Kosten für die Fassade der Chamer Stadthalle sind von 1,7 auf 3,8 Millionen gestiegen. Wir haben den Architekten gefragt.

08.10.2016 | Stand 16.09.2023, 6:44 Uhr
Ernst Fischer
Noch ziert nur ein Gerüst die Betonwände der neuen Stadthalle. Der Architekt will eine Art „Goldkästchen“ draus machen mit Metallstäben, die sich rund ums Obergeschoss ziehen. −Foto: ef

Die Bombe schlug erst lautlos ein. In nichtöffentlicher Sitzung bekam der Stadtrat Anfang September die Horror-Zahlen auf den Tisch: Die Fassade der neuen Stadthalle wird um 2,1 Millionen Euro teurer als vom Architekten geplant.

Öffentlich wurde die Sache durchHintergrundinformationen unserer Zeitung. Zwei Wochen später verkündete es die Bürgermeisterin in einer Pressekonferenz mit den Sprechern aller Stadtratsfraktionen an der Seite. „Der Stadtrat schluckt die Fassaden-Kröte“ – so haben wir die Entscheidung überschrieben, die dabei bekanntgegeben wurde. Mit „überwältigender Mehrheit“ habe der Stadtrat die Fassade dann doch akzeptiert, trotz „Entsetzen über die Mehrkosten“ und „Enttäuschung über den Architekten“.

Professor Ansgar B.M. Lamott heißt der Mann, dem diese Enttäuschung gilt. Er hat mit seinem Stuttgarter Büro unter 25 Bewerbern den Zuschlag zur Planung der Chamer Stadthalle bekommen. Wir haben ihn gefragt: Kann er die Kostenexplosion erklären?

Herr Lamott, die Ausschreibung hat ergeben, dass Ihre Kostenberechnung für die Stadthallen-Fassade um 2,1 Millionen zu niedrig war. Wie überrascht waren Sie selbst davon?

Das Ganze war Anfang September innig im Stadtrat diskutiert worden, als die Gebote vorlagen. Überrascht hat mich vor allem, dass aus diesen geheimen Sitzungen gleich darauf etwas in der Zeitung stand. Das war sicher nicht gut für eine sachliche Diskussion. Ich frage mich, wie solche Informationen in die Öffentlichkeit geraten.

„Wir waren auch überrascht, dass die Kosten sich so entwickelt haben.“Ansgar B.M. Lamott

Und die drastische Kostensteigerung um weit über 100 Prozent?

Wir waren auch überrascht und enttäuscht, dass die Kosten für die Fassade sich so entwickelt haben.

War das denn so nicht kalkulierbar?

Wir haben natürlich auch dazu den Versuch einer Ursachenforschung gemacht. Aber dazu kann ich viele Details nicht veröffentlichen, weil es da auch um den Datenschutz beteiligter Firmen geht.

Worauf basierte Ihre Kostenberechnung?

Wir haben uns von einer einschlägig bekannten Firma ein Muster für die Fassade machen lassen. Und dazu haben wir noch eine zweite Firma beteiligt. Das war die Preisgrundlage für unsere Kostenberechnung, die wir dem Stadtrat vorgelegt haben.

Wann war das?

Der Beschluss für die Fassade ist im Frühjahr 2015 gefallen.

Und in gut einem Jahr sind aus 1,7 Millionen 3,8 Millionen Euro geworden. Hat sich da jemand verrechnet?

Wir waren erstmal genau so geschockt wie der Stadtrat, als wir die Gebote hörten.

Und Ihre Erklärung?

Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Fakt ist, dass die beiden Firmen, auf die sich unsere Kostenberechnung stützte, keine Gebote bei der Ausschreibung abgegeben haben.

Warum das denn?

Über die Hintergründe von Firmenentscheidungen kann ich nicht öffentlich spekulieren.

Wie viele Gebote hat es gegeben?

Vier Firmen haben sich an der Ausschreibung beteiligt. Das sind deutlich weniger, als wir erwartet hatten. Es gibt viele einschlägige Firmen in Deutschland, die so einen Auftrag machen könnten.

Und wieso waren so wenige an dem Chamer Fassaden-Projekt interessiert?

Wir haben gerade Hochkonjunktur am Bau. Alles investiert in Betongold. Da sind die Auftragsbücher der Firmen voll. Und damit steigen auch die Preise. Wir bauen ja nicht nur in Cham und sehen das bei Projekten in ganz Deutschland. Die Kosten-Beschlüsse zum Bau liegen oft zeitlich so weit zurück, dass die Kostenrechnung nicht mehr realistisch ist.

Gilt das auch für die Chamer Stadthallen-Fassade? Liegt eine Preissteigerung von 1,7 auf 3,8 Millionen Euro nach ihren Erfahrungen bei anderen Projekten tatsächlich im realen Schnitt?

Eine Kostensteigerung in dieser Größenordnung war auch für uns ziemlich einzigartig.

Kostenexplosionen bei öffentlichen Bauten sind ja nichts Neues: Berliner Flughafen, Hamburger Elbphilharmonie. Muss sich die Chamer Stadthalle da jetzt auch einreihen?

Das ist auch so ein Phänomen heute: Der schnelllebige Journalismus stürzt sich gerne auf solche Negativbeispiele. Dabei werden die meisten öffentlichen Projekte auch kostengerecht abgewickelt. Bei uns ist das zum Beispiel zu mindestens 95 Prozent der Fall. Das gilt übrigens auch für die meisten Gewerke bei der Chamer Stadthalle. Aber davon redet keiner. Doch wenn etwas schief läuft, dann ist immer der Architekt der Dumme.

„Wenn etwas schief läuft, dann ist immer der Architekt der Dumme.“Ansgar B.M. Lamott

Ist er das wirklich? Der Lohn des Architekten orientiert sich doch nach der Honorarordnung an den Baukosten. Sie könnten also von der Chamer Kostensteigerung sogar profitieren…

Nein, das ist nicht automatisch so.

Und wie ist das konkret im Fall Cham?

In diesem Fall sage ich dazu nichts. Das ist eine Sache, die allein zwischen dem Bauherrn, der Stadt Cham, und uns besprochen wird. Und über diese Frage haben wir noch nicht geredet.

Das heißt, auch die Stadt hat diese Frage noch nicht an Sie gestellt. Gilt das auch für eventuelle Regressforderungen?

Auch das ist eine Frage zwischen dem Bauherrn und uns, die ich nicht in der Öffentlichkeit erörtere.

Aber Sie könnten hier den Chamer Bürgern etwas sagen, die sich ja die 2,1 Millionen Euro Mehrkosten für die Stadthalle woanders wegsparen müssen…

So viel dazu: Wir haben kein provisionsorientiertes Interesse, womit wir die Chamer Bürger ärgern wollten.

Und wenn Sie an einem Chamer Stammtisch sitzen würden, und ein Steuerzahler fragt Sie direkt ins Gesicht , inwieweit Sie als Architekt mit Verantwortung tragen für die 2,1 Millionen Mehrausgaben, was würden Sie ihm sagen?

Sind da zwei Millionen Einsparung drin?

Wir tun unser Allerbestes und werden das in enger Absprache mit dem Stadtrat machen.

Letzte Frage: Steht der Zeitplan noch beim Stadthallen-Bau?

Durch die Fassadendiskussion sind wir zwar zuletzt etwas in Verzug geraten. Aber im Moment läuft alles gut auf der Baustelle. Wir gehen deshalb davon aus, dass der Eröffnungstermin im Frühjahr 2018 gehalten werden kann.

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