Trauer
„Er hat auch unser Leben zerstört“

Vor 20 Jahren wurde Margit Ruhstorfer im Kelheimer Frauenforst ermordet. Für ihre Eltern vergeht kein Tag ohne Trauer um sie.

09.06.2017 | Stand 16.09.2023, 6:28 Uhr
Peter Hübl

Der Gedenkstein im Kelheimer Forst Fotos: Forster

Jogger, Radfahrer und Spaziergänger, die unweit der Ausflugsgaststätte Frauenhäusl im Kelheimer Forst an einer mächtigen Buche vorbeikommen, passieren auch den Gedenkstein, der erst auf den zweiten Blick als solcher zu erkennen ist. Er ist dicht von Efeu überwachsen, davor wächst ein Buchs. Auf einer schwarzen Granitplatte steht „In Gedenken an Margit“, darunter das Datum „09.06.1997“. Es ist der Tag, an dem für Renate und Karl Ruhstorfer aus Abensberg eine Welt zerbrach. Es ist der Tag, an dem ihre Tochter Margit, damals 31 Jahre alt, ermordet wurde.

Der Kelheimer Forst ist bis heute ein beliebter Ort für Freizeitsportler. Die Buche neben dem Gedenkstein in der Waldabteilung Sulzberg trägt ein Hinweisschild: Die „Frauenhäusl-Runde“ für Nordic-Walker verläuft in unmittelbarer Nähe zu dem Gedenkstein. Auch Margit Ruhstorfer ist vor 20 Jahren hier als Joggerin unterwegs. Bis sie auf der heute idyllischen Lichtung nahe der Straße einem damals 19-jährigen Bundeswehrsoldaten in die Hände fällt.

Sie setzt sich verzweifelt gegen ihn zur Wehr, das zeigen später die Ermittlungen – aber gegen den 1,91 Meter großen und kräftigen Mann, der mit einem dünnen Stahlseil bewaffnet ist, hat sie keine Chance. Am Tag nach der grausamen Tat finden Suchtrupps die Leiche der jungen Frau:

Der Mörder hat sein Opfer erdrosselt und dann auch noch die Leiche geschändet. Mit dem größten Massen-Gentest, der bis dahin in Bayern durchgeführt wird, entlarvt ihn die Polizei schließlich ein Jahr nach der Tat.

Über den Täter und dessen Fehden mit der Justiz ist seither viel berichtet worden. Erstmals nach dem Mord sprachen die Eltern Karl und Renate Ruhstorfer mit unserem Medienhaus über das tragische Geschehen.

Welche Gefühle und Erinnerungen verbinden Sie mit den Ereignissen vor 20 Jahren?

Karl und Renate Ruhstorfer: „20 Jahre ohne Margit… Obwohl wir täglich in Gedanken bei ihr sind, fehlt sie uns sehr: uns, den Eltern, dem Bruder Karl mit seiner Familie und auch ihrem Lebensgefährten Thomas und dessen Schwester Christiane. Unsere Tochter hatte einen großen und innigen Freundeskreis. Sie hat so gerne gelacht. Margit war für jeden Menschen da, schon ihr Beruf sagt das aus: Sie war Sozialpädagogin. Sie suchte immer Gerechtigkeit. Margit war durch ihr angenehmes und einfühlsames Wesen sowie durch ihre überaus große Hilfsbereitschaft geschätzt und beliebt.“

Wie haben Sie die schweren ersten Jahre nach dem Tod Ihrer Tochter meistern können?

„Wir trauern lebenslänglich. Der Mörder hat nicht nur das Leben unserer Tochter, sondern auch unser Leben zerstört. Wir mussten die Metzgerei aufgeben, weil wir es gesundheitlich nicht mehr schaffen konnten. Aber wir sind noch heute dankbar, dass uns nach dieser so unmenschlichen und furchtbaren Tat so viele Menschen zur Seite standen. Wir denken da zunächst an unsere Verwandten, guten Freunde und Bekannten, aber auch an die große Anteilnahme der Abensberger Bevölkerung.“

Sie hatten damals auch den ,Weißen Ring’ kontaktiert.

Ja, dem ,Weißen Ring’ gebührt ganz großer Dank! Die damaligen Leiter und Organisatoren dieser Institution, die Familie Henning aus Ihrlerstein, haben großen Anteil daran, dass wir mit diesem schmerzlichen Schicksal nicht nur leben lernten, sondern es dann auch einigermaßen bewältigen konnten. Wir sind mit den Hennings heute noch eng verbunden.“

Wie ist das Leben ohne Margit?

„Immer wiederkehrende Tage sind besonders schwer für uns: Weihnachten zum Beispiel, Geburtstage, Muttertag. Margit war Taufpatin von Marina, der Tochter ihres Bruders Charly. Sie wollte immer, dass es uns allen gut geht. Nach außen sind wir wohl gefasst und anders, aber in unseren Herzen herrscht tiefe Traurigkeit und Schmerz. Wir sagen, immer wenn wir traurig sind, leidet sie darunter.“

Es gibt ja immer wieder Verhandlungen wegen der Sicherungsverwahrung und sogar Schadenersatzforderungen des Täters gegenüber dem Freistaat. Wie denken Sie darüber?

„Eigentlich wollten wir dazu nichts mehr sagen. Aber wenn man sieht, wie nobel dieser Mörder untergebracht ist unddass er vor einigen Monaten noch eine Entschädigung von mehreren tausend Euro bekommen hat, dann gibt uns das einen Stich mitten ins Herz. Das ist eine Verhöhnung des Opfers und der Hinterbliebenen. Es ist schlimm, dass sich Rechtsanwälte für so etwas hergeben. Manchmal haben wir das Gefühl, dass Täterschutz höher gewichtet wird als der Opferschutz. Ist das Gerechtigkeit? Das verstehe, wer will.“