Leben
Geboren in den eigenen vier Wänden

Regina und Sebastian Liebermann aus Bad Abbach erlebten schon vor Heilig Abend eine ganz besondere Nacht.

24.12.2016 | Stand 16.09.2023, 6:33 Uhr
Verena Meyer mit Florian: Es bleibt spannend für die Hebamme. Vielleicht begleitet sie noch eine „Christkinds“- Geburt. −Foto: Weigert

Es ist soweit. Der Gedanke, dass sie jetzt am späten Abend nicht woanders hin muss, gibt ihr Sicherheit. Das was kommt, läuft ab wie in einem Film, wird sie hinterher sagen. Denn alles, was notwendig ist oder sein könnte, haben sie vorher besprochen. Als die Wehen im Fünf-Minuten-Takt die bevorstehende Geburt ankündigen, hat sie Hebamme Verena Meyer angerufen. Kurze Zeit später ist die zur Stelle. Sie wird Regina Liebermann aus Bad Abbach zur Seite stehen, wenn sie ihr zweites Kind gebärt. Diesmal in den eigenen vier Wänden. Regina und ihr Mann Sebastian wünschen sich eine Hausgeburt.

Fast wie eine Herbergssuche

Im Kreis Kelheim ein Paar zu finden, dass von einer solchen erzählen mag, glich einer Herbergssuche. Mancher entgegnete: „Gibt’s das überhaupt noch?“. Ja, öfter als man denkt. Doch die Eltern, die sich dafür entscheiden, hängen das nicht gern an die große Glocke. So heißen Regina und Sebastian im echten Leben anders. Nur ihr engstes Umfeld weiß, dass vor 16 Tagen der kleine Florian in ihrem Zuhause zur Welt gekommen ist. Anonym erzählen sie ihre Geschichte.

Es ist eine Woche früher als erwartet. Noch am Nachmittag hatte Regina mit ihrer dreijährigen Tochter Mia Plätzchen gebacken. Weil Zuckerperlen fehlten, düste sie zum Supermarkt und kaufte welche. Bis zum Abend saßen sie zu dritt um den Tisch im Esszimmer und verzierten Butterplätzchen und Schokoschnitten.

Als Regina gegen zehn Uhr abends Wehen spürt, denkt sie noch, dass das eine „Übungseinheit“ wird. Sicherheitshalber ruft sie Hebamme Verena an. Die sagt: „Ich höre es am Telefon, ob es ernst ist ober nicht.“

Gegen 1 Uhr weckt Regina ihren Mann. Sie haben ausgemacht, dass er, wenn’s soweit ist, Mia zu den Schwiegereltern bringt. Schlaftrunken und ein wenig überrumpelt, zieht sich Sebastian an. Er holt Mia aus dem Bett, nimmt den kleinen Koffer, der bereit steht, und bringt sie zum Auto. Trotz Wehen funktioniert die 32-Jährige als Mama. Sie sieht sofort, dass Mias Lieblingskuscheltiere Hase und Eule fehlen. Sebastian schnallt die Kleine im Schlafanzug im Kindersitz fest und hüllt sie in eine Decke. Erst am nächsten Morgen wird auffallen, dass der Koffer in der Aufregung im Hof stehen geblieben ist.

Dass sie ihre Kinder nicht in der Klinik gebären wollte, wusste Krankenschwester Regina schon immer. Mia kam im Regensburger Geburtshaus zur Welt. Weil das seit Ende November zu ist, fiel die Wahl auf die Hausgeburt und die vertraute Hebamme. Sicher überlegten sie, ob da die Nachbarn was mitkriegen. Die Bedenken waren aber schnell vom Tisch. Da der Kleine gesund und die Schwangerschaft problemlos war, waren sich Regina und Sebastian einig. Zumal Hebamme Verena auch in Bad Abbach wohnt. Für die Liebermanns war’s die richtige Entscheidung. Nur von außen werden sie als „Exoten“ betrachtet, sagen sie.

Die große Skepsis der anderen

Vor allem von der eigenen Generation hören sie Sätze wie „ihr seid ja mutig, ich würd’s mich nicht trauen“. Selbst manche Frauenärzte heißen Hausgeburten nicht gut. Man sei ja nicht mehr im 20. Jahrhundert. „Das Sicherheitsdenken in Deutschland ist extrem. Doch auch in der Klinik ist nichts sicher“, sagt Regina. Sie hält den kleinen Florian im Arm und bereut nichts.

Kurz vor 3 Uhr kam er in der Badewanne zur Welt. Papa Sebastian verpasste den Moment knapp. Denn er fuhr 30 Minuten hin und 30 zurück. „Das war vielleicht ganz gut, ich kann nämlich kein Blut sehen“, sagt er. Gut zwei Stunden später war Verena Meyers Job erledigt. Sebastian schlief ein. Regina aber lag hormongeflutet da und betrachtete ihr Neugeborenes. Die Zeit über die Feiertage ist für sie nun „wie ein Sechser im Lotto“. Sebastian hat sich den Jahresurlaub aufgespart. Ganz ohne Verpflichtungen wollen sie Weihnachten genießen.

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