Serie
Michael Schlamps 700 Mäh-Drescher

Magerrasen – ein Fall für den Schäfer und seine Tiere. Stille über Weltenburg ist ihm lieber als Fragen nach Schäfer Heinrich

21.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:01 Uhr
Zwei altdeutsche Hütehunde unterstützen Michael Schlamp in seinem Job. Haupthündin Paula und Beihund Benno. Der „Azubi“ geht beim Schäfer an der Leine. Nur manchmal bekommt er schon einen eigenen Auftrag. Darauf brennt der einjährige Rüde. −Foto: Fotos: Weigert

Es wirkt sehr idyllisch. Auf dem Nordwest-Hang oberhalb von Weltenburg öffnet Michael Schlamp den Zaun zum Pferch, in dem seine gut 700 Merino-Landschafe die Nacht verbracht haben. Der 32-jährige Eininger geht mitten in die Herde – das sieht aus, als teile sich ein Meer aus Schafrücken. Der Schäfer begutachtet, ob alle Tiere wohlauf sind. Vor allem die Lämmer. Und ob es unerwarteten Nachwuchs gibt. Schlamp ist einer von drei Schäfern, die im Landkreis unterwegs sind.

Ein leiser Wind wiegt die dürren Grashalme hin und her. Von fern trägt er das Knattern eines Mofas herauf. Ab und an blökt es leise. Ansonsten sind da nur die leisen Tritte der Schafe oder das leise Abreißen der Grashalme durch die vielen vierbeinigen Mäh-Drescher zu hören. Mehr nicht.

Sie sind hier im Auftrag des Landschaftspflegeverbands VöF. Was so malerisch aussieht, ist für den Schäfer ein hartes Brot. „Eigentlich bin ich der Sklave meiner Schafe“, sagt Schlamp und stützt sich auf seinen Schäferstab aus Schwarzdornholz mit der metallenen Schippe unten dran.

Beim Hüten hängt er oft am Handy

Doch er will nicht jammern. Er liebt seinen Beruf und könnte sich keinen besseren vorstellen. Zum Schäfersein müsse man geboren sein, sagt der vierfache Familienvater. Er hat Minimum einen Zehn-Stunden-Tag. Sieben Tage die Woche. Mittlerweile sei die einzige Daseins-Berechtigung der Schäfer die Landschaftspflege, sagt Schlamp. Keine Schäferei, kein Verdienst. Neben dem VöF zählt er Kommunen oder den Bund Naturschutz zu seinen Kunden. Wolle ist schon lange kein zweites Standbein mehr, und Fleisch verkauft er nur zu Ostern und Weihnachten. Die Zahl der Lämmer ist schließlich endlich. Ein bis zwei, mehr bekommt ein Muttertier nicht pro Saison.

Wenn er ohne Zeitungsbesuch beim Hüten ist, hängt er oft am Handy. Denn ein Büro in dem Sinn hat er nicht. Vieles gelte es tagsüber zu managen. Dennoch bleibt ihm viel Zeit zum Grübeln. „Das ist schlecht“, sagt Michael Schlamp und schickt ein Grinsen hinterher. Das kann nicht darüber hinweg täuschen, dass die Rahmenbedingungen schlechter werden für seine Zunft. Die Zahl der Kollegen schrumpft.

Hier am Weltenburger Berg haben es seine Mäh-Drescher nicht sonderlich eilig aus dem Pferch zu kommen. Die Hitze zuletzt bescherte viel dürres Gras. Da will bei den vierbeinigen Feinschmeckern kein rechter Futterneid aufkommen. Leckerer Klee ist längst abgeknipst. Gute Gräser auch. Was jetzt noch am „Frühstücksbüffet“ wartet, sind dürre, härtere Gräser. Die sind eher nach dem Geschmack der Ziegen, die vereinzelt unter den Schafen zu finden sind. Auch das hat Naturschutz-Gründe. Sie „rasieren“ auch Hecken und eben die härteren Gräser.

Auf dem Eichberg oder Galget wie es im Volksmund heißt, ist Schäfer Schlamp mit seiner Herde schon einige Tage im Mäh-Einsatz. Je nach Aufwuchs und Witterung schaffen sie eineinhalb bis zwei Hektar Magerrasen am Tag. 15 sind es insgesamt.

Langsam wie in einer Choreografie trotten die Tiere hinter den Leitschafen über den Hang. Paula, die sechsjährige Haupthündin, weiß, was zu tun ist. Sie rennt ihre Runde, die Schafe laufen gemächlich in die Richtung in die sie laufen sollen. „Azubi“-Hund Benno ist der Beihund. Der Schäfer führt den zweiten altdeutschen Hütehund an der kurzen Leine bei sich. Benno ist unruhig, er sucht Blickkontakt zum Herrchen. Er will auch einen Auftrag, ist heiß auf Arbeit. Er wird mal ein Guter, sagt der Schäfer nicht ohne Stolz.

Als einige wollige Vierbeiner sich der Furche, also der Grenze zu einem Acker, nähern, ist’s soweit. Benno darf von der Leine und den Schafen zeigen, dass sie „da draußen“ nichts verloren haben. Während Paula auf der gegenüberliegenden Seite des Schäfers selbständig ihren Dienst versieht, hat auch Benno seine Sache sehr gut gemacht.

Shaun, das Schaf, ist ein „Krippl“

Unter den Merinos stechen einige Schafe optisch heraus. Ein Coburger Fuchs etwa, mit rötlichem Kopf und Beinen, ein deutsches Bergschaf mit weißer, längerer, leicht gewellter Wolle oder ein Suffolk mit schwarzem Kopf und schwarzen Füßen. Ja, genau, so wie „Shaun, das Schaf“ aus der bekannten Kinder-TV-Serie. Und wie im Fernsehen sind die Tiere dieser Rasse auch im echten Leben eigensinnige „Krippl“, sagt Schlamp. Ganz im Gegensatz zu den Merinos. Sie verfügen über stark ausgeprägten Herdentrieb.

Die „Einzelschafe“ gehören Schlamps Kindern. Jedes durfte sich eins aussuchen. Das vierte im Bunde ist eines mit schwarz-weiß gesprenkeltem Kopf und Beinen.

Stress verspüren seine Tiere eher selten. Bei kleinen Flächen oder Nässe etwa. Dann schmeckt ihnen das Gras auch nicht. Denn bei Regen fängt dieses „an zu stinken“. Je größer die Fläche desto besser. So wie an diesem Tag.

Und was stresst den Schäfer? Wenn er mehrere Tage direkt am Donau-Radweg zur Weide stand und von den Radfahrern immer und immer wieder dieselben Fragen kommen. Wie das Wetter wird? Oder ob er den Schäfer Heinrich aus „Bauer sucht Frau“ kennt.

Und die ersten 14 Tage im Frühjahr, wenn er mit ganz vielen jungen Lämmern loszieht, sind ziemlich chaotisch für Schäfer und Hütehunde. Im August hat sich längst alles eingespielt. Die Tiere kennen ihn und laufen hinter ihm her. Er sei ja auch der eigentliche „Führungshammel“, sagt Schlamp. Und das ist wichtig. Denn: Alle Wege, die er mit den Schafen zurücklegt, legt er zu Fuß zurück. Von Eining zur Sandharlandener Heide oder den Kelheimwinzerer Hängen. Dann queren sie frühmorgens vor dem Verkehr Kelheim. „Und der Bauhof kehrt per Maschine hinter uns her.“