Auszeichnungen
Rainer Pawelke krönt sein Lebenswerk

Der Traumfabrikant erhält den Regensburger Kulturpreis. Seine Shows sind gefeiert, sein Sporttheater hat Schule gemacht.

28.07.2015 | Stand 16.09.2023, 7:04 Uhr
Rainer Pawelke dankt für langen Applaus: In der Minoritenkirche erhielt er am Montagabend den Kulturpreis. −Foto: altrofoto.de

Am Ende musste Rainer Pawelke nochmal auf die Bühne: Der Beifall für den Regensburger Kulturpreisträger in der Minoritenkirche wollte nicht enden. Stehende Ovationen – das gab’s angeblich noch nie bei einer Kulturpreisverleihung. Oberbürgermeister Joachim Wolbergs würdigte den Gründer und Kopf der Traumfabrik am Montagabend für sein Lebenswerk. Er habe das kulturelle Leben Regensburgs maßgeblich bereichert.

Der „Zaubermeister“ schuf mit seiner Synthese aus Sport, Kultur, Artistik und magischen Bildern Spektakel, seine perfekt produzierten Shows sind international bejubelt, so Wolbergs. Seine Traumfabrik, heuer 35 Jahre alt, sei ein Botschafter der Stadt, seine Sportkultur-Akademie setze im Schulsport und in der Lehrerfortbildung Akzente, betone der OB. Er nannte eine Reihe Auszeichnungen – 1993 gehörte auch der Regensburger Kulturpreis für die Institution Traumfabrik dazu – und würdigte Pawelke in zahlreichen Rollen: als Wissenschaftler und Dozent, als Regisseur und Choreograph. „Danke, dass du nie aufgehört hast, zu träumen.“

Der Traumfabrikant: gelöst und milde

Einen Eindruck von Pawelkes choreografischer Arbeit gab Thomas Dietz. Der Jongleur „malte“ mit blauen Leuchtbällen zu Musikstücken Lichtmuster in die Luft. Für das Rahmenprogramm hatte die Stadt drei junge Tänzer engagiert: Nylea Mata Castilla umkreiste in „Die Schwerkraft“ das Thema Geld und die Frage, was uns niederdrückt, was uns aufrichtet und was uns reich macht. Amalia Darie zelebrierte in „Die Erfüllung“ ein tänzerisches Spiel mit halbvollen/halbleeren Gläsern. Jonas Dürrbeck zeigte in „Das Gleichgewicht“ beeindruckende Muskelkraft am einem vertikalen Rundbalken. Ausdauernd, wie in Zeitlupe und scheinbar schwerlos zog sein Körper horizontale Kreise.

Debatten um den Kulturbegriff

Der Kulturpreis ist mit 10 000 Euro dotiert, die Kulturförderpreise mit je 2500 Euro. Während der Hauptpreis in den kulturellen Grenzbereich der Sporttheater-Show fiel, honorierten die drei Förderpreise – an Stefan Bircheneder, Jürgen Böhm und Lorenz Kellhuber – durchweg künstlerische Leistungen. Bis 2013 wurden die Auszeichnungen beim Stadtfreiheitstag im November verliehen, im kalten Reichssaal, bei einem langen und zeitweise auch langweiligen Ehrungsmarathon. Seit 2014 feiert Regensburg seine Preisträger an einem gesonderten Abend. Die Neuerung tut der Veranstaltung gut; bis weit nach Mitternacht redeten sich die Gäste im Garten des ehemaligen Klosters fest – auch über die Frage, wie weit der Kulturbegriff zu fassen ist und wo die Trennlinie von Spektakel und Schöpfergeist verläuft.

Wolbergs propagiert „Kultur für alle“

Wolbergs – und zuvor, in der Begrüßung, auch Kulturreferent Klemens Unger – hatte zum Auftakt des Abends sein Kulturverständnis umrissen: Kultur bestimmte die Identität einer Stadt und sei eine Grundlage für friedliches Zusammenleben und für die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Regensburg wolle einen fruchtbaren Nährboden für Kunst und Kultur schaffen. Das Angebot in der historischen, gleichzeitig jungen und urbanen Stadt beeindrucke ihn. „Es gibt in allen Genres junge Köpfe, die etwas gestalten wollen.“ Sie brauchten Raum, um neue, auch schräge Dinge auszuprobieren, und Förderung, um sich auch Fehler leisten zu können. Das Popkultur-Festival, ein neues Format, soll deshalb Schwerpunkt-Förderung erhalten, das Deggingerhaus in der Wahlenstraße unter städtischer Fittiche zum quirligen Ort für den Austausch werden. „Kultur für alle“: Der Slogan aus den 1970er gelte mehr denn je, sagte Wolbergs – auch mit Blick auf den Umgang mit Flüchtlingen und auf den Bau des neuen jüdischen Gemeindezentrums, das eine Aufgabe der ganzen Stadtgesellschaft sei.

Die Ödnis in magischer Aura

Stefan Bircheneder findet seine Motive an Unorten, in alten Fabriken, verfallenen Werkshallen und menschenleeren Stadtbrachen. Mit der Detailverliebtheit alter Meister bringt er die Szenerien auf die Leinwand und gibt ihnen in fotorealistisch anmutenden Gemälden eine surreale Aura. Der Künstler hat auch die „Kunstmesse Regensburg“ initiiert, die alle zwei Jahre über die Bühne geht. Die nächste präsentiert im September 2015 im Leeren Beutel die Werke von rund 80 Künstlern. Bircheneder stärke Regensburgs Ansehen und Selbstverständnis als Kulturstadt mit dem Fokus auf zeitgenössischer Kunst, so Wolbergs. „Er belebt die Regensburger Kunstszene.“

Spiel mit verschiedensten Ausdrucksmitteln

Bircheneder, Jahrgang 1974, war früher Kirchenmaler. Jürgen Böhm, Jahrgang 1976, kommt aus der Holzbildhauerei, hat bei Magdalena Jetelová studiert und wendet sich heute verschiedensten Ausdrucksmitteln zu. Er treibt ein intelligentes Spiel mit Video, Performance, experimenteller Fotografie, Licht und elektronischen Bauteilen. Er sucht seine Themen am Puls der Zeit und zwingt zum Nachdenken über Kommunikation, Überwachung, Identität oder Information. Böhm, aktueller Kulturpreisträger des Bezirks Oberpfalz, leiste einen wesentlichen Beitrag für das zeitgenössische Kunstverständnis, so Wolbergs.

Der Ausnahme-Jazzer. Lorenz Kellhuber

2014 gewann Kellhuber – als erster deutscher Musiker – in Montreux den Improvisationswettbewerb für Jazz Solo Piano. Zum Preis gehörten auch vier Tage Session in der Schweiz; am Ende legten der Pianist und sein Trio ihre neue CD vor, „State of Mind“. In der Minoritenkirche zeigte ein Videoclip den Pianisten beim Spiel: Jazz, so luzide und gläsern wie Bach, zwischen Ewigkeitsanspruch und Leichtigkeit. Man wünschte sich, Kellhuber würde lange nicht aufhören. Ende 2015 kommt die vierte CD auf den Markt.