Medizin
Kliniken suchen dringend Personal

Pfleger und Schwestern sind im teuren Regensburg begehrt. Die Kliniken müssen sich viel einfallen lassen, um sie zu werben.

27.05.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Helmut Mayer hat sich unter anderem wegen der Möglichkeit zu studieren für den Beruf des Krankenpflegers entschieden. −Foto: Ried

Ohne das Studium wäre Helmut Mayer wohl nicht hier, auf Station im Krankenhaus Barmherzige Brüder in Prüfening, und würde Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten pflegen. Zwar hatte das Freiwillige Soziale Jahr in der Klinik bei dem 25-Jährigen das Interesse an einem sozialen Beruf geweckt. Aber er wollte auch sein Fachabitur nutzen – da kam die Möglichkeit, in einem dualen System „Pflege“ zu studieren und sich gleichzeitig zum Krankenpfleger ausbilden zu lassen, gerade recht.

Die Krankenhäuser müssen sich derzeit einiges einfallen lassen, um ausreichend Pflegepersonal zu bekommen; das Studienangebot ist da nur eines von vielen Mitteln der Mitarbeiterwerbung. „Regensburg ist eine beliebte, aber auch mittlerweile sehr teure Stadt“, erklärt Ralf Busse, Pflegedirektor bei den Barmherzigen Brüdern. Zwar gehören Krankenschwestern- und pfleger, geht es rein nach der Summe auf dem Gehaltszettel, nicht zu den Geringverdienern; nach den Richtlinien des Caritas-Verbandes, nach dem kirchliche Träger zahlen, liegt das Einstiegsgehalt nach dreijähriger Ausbildung bei gut 2330 Euro brutto plus Zulagen etwa für Feiertags- und Nachtarbeit, auf der Intensivstation gibt es mehr. Doch viele verdienen ihr Geld eben lieber an Arbeitsplätzen, an denen sie nicht zu jeder Tages- und Nachtzeit antreten müssen, in Berufen, die psychisch und körperlich weniger fordernd sind.

„Könnte 30 Mitarbeiter einstellen“

Das bekommen Busse und seine Kollegen jetzt, da die Schulabgänger weniger werden und auch andere Branchen um Bewerber buhlen, zunehmend zu spüren. „Ich könnte sicherlich 30 Mitarbeiter sofort einstellen“, sagt Busse, der derzeit Chef von deutlich mehr als 1000 Pflegekräften ist. Auf den Intensivstationen kann das Krankenhaus schon jetzt nicht alle Betten belegen. Das notwendige Personal sei „kaum mehr zu bekommen“. Die Sprecherin des Uniklinikums Regensburg (UKR) mit rund 1600 Pflege-Mitarbeitern, Katja Rußwurm, berichtet: „Die Bewerberzahlen im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege waren bis 2013 stabil, seit 2014 ist jedoch ein Rückgang um circa 20 Prozent zu verzeichnen.“ Circa 40 Vollzeitstellen habe das UKR derzeit zu besetzen. Gerade Universitätskliniken, Standorte der „Maximalversorgung“ mit besonders hohen Ansprüchen auch in der Pflege stünden „vor großen Herausforderungen, um Mitarbeiter zu finden und langfristig zu binden“. Nur aus dem kleineren Caritas-Krankenhaus St. Josef, das derzeit gut 400 Pflegefachkräfte beschäftigt, heißt es: „Derzeit können wir unseren pflegerischen Stellenbedarf noch recht gut abdecken.“ Doch auch Margarete Reiter, stellvertretende Direktorin für Pflege- und Patientenmanagement, bekommt zu spüren, dass „ein enormer Nachfragemarkt“ besteht.

Mitarbeiter und Interessenten zuvorkommend zu behandeln, ist da erste Pflicht. „Wir bekommen unser Personal überwiegend über Mundpropaganda“, erzählt Busse. Da sollten die Arbeitsbedingungen passen, das weiß man auch in den anderen Häusern: Mit möglichst flexiblen Arbeitszeiten und einem weitreichenden Weiterbildungsangebot mit Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung werben die Kliniken, in den größeren Einrichtungen Barmherzige Brüder und UKR gibt es betriebliche Kinderbetreuung und Gesundheitsförderung; das Uniklinikum hilft bei der Wohnungssuche, im kleineren Krankenhaus St. Josef sieht stellvertretende Pflegedirektorin Margarete Reiter gerade die Größe des Hauses, in dem „man sich noch gegenseitig kennt“, als Pluspunkt.

„Primäre Pflege“ in St. Josef

Die Kür sind Innovationen, etwa in der Arbeitsorganisation. In St. Josef hat die Pflegeleitung die „Primäre Pflege“ etabliert. Vize-Pflegechefin Reiter sieht in dem System, „in dem alle Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung eine zugeteilte Pflegekraft haben, die für die gesamte pflegerische Versorgung und Betreuung verantwortlich ist“, einen wesentlichen Grund für die hohe Bewerberzahl in St. Josef. Ihr Kollege Busse testet ein ähnliches Modell und beschäftigt sich mit der Frage, „Was könnte man den Leuten an alternativen Arbeitszeitmodellen anbieten?“

Bei den Barmherzigen Brüdern können sich Schulabgänger „generalistisch“ ausbilden lassen, sie sind damit für Kranken-, Alten- und die Kinderkrankenpflege qualifiziert. Das größte Experiment ist wohl das duale Studium, das es an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg im 3. Jahr gibt. Derzeit sind gut 100 Studenten eingeschrieben. Wie die Absolventen dieses Wissen in den Pflegealltag einbringen können, das probieren Helmut Mayer und seine Kollegen gerade aus. „Die Theorie bereichert die Praxis“, ist sich der junge Mann sicher.