Menschen
Berufung: Von der Hobelbank zum Altar

Florian Weindler schildert seinen verschlungenen Weg zum Priesterberuf. Mitte 2016 erreicht der Nittenauer sein Ziel.

29.12.2015 | Stand 16.09.2023, 6:56 Uhr
Ein großer Moment für Florian Weindler: Bischof Voderholzer weiht ihn zum Diakon. „Jetzt ist es passiert! Jetzt gibt es kein Zurück“, geht es dem Nittenauer durch den Kopf. −Foto: Artmann/Archiv

Bluejeans und Troyer-Pulli, Vollbart und Pferdeschwanz? Florian Weindler hat uns die Verblüffung hoffentlich längst verziehen! In der Tat hatte sich der Reporter unter einem Priesteranwärter zumindest äußerlich etwas anderes vorgestellt – und war dann umso angenehmer überrascht. Furchtbar, diese Klischees! Andererseits: War nicht auch Jesus eher locker gekleidet? Trug nicht auch er langes Haar?

Wie auch immer: Florian Weindler, 33, Sohn von Gaby und Werner Weindler, hat sich also entschieden, Geistlicher zu werden. Am 5. Dezember erhielt er von Bischof Rudolf Voderholzer in Teublitz die Weihe zum Diakon, die Priesterweihe im Dom zu Regensburg folgt am 25. Juni 2016. Doch so geradlinig, wie sich das anhört, war der Weg nicht. Der MZ schilderte Weindler, wie sich die Berufung zum Diener Gottes erst herauskristallisierte – und welche Rückschläge es gab.

Unter Pfarrer Josef Schiedermeier war Florian Weindler bereits als neunjähriger Bub Ministrant. „Irgendwas gefällt mir daran besonders ...“, spürte der Knabe, vor dem Altar kniend. Bis heute kann er die Ursache dieses Glücksgefühl nicht konkretisieren. Als aber im Jugendchor des Papas auch noch stimmliche Qualitäten unüberhörbar werden, ist bereits der Besuch des Domspatzengymnasiums vorgezeichnet. Florian Weindler rückt ins Internat ein, erlebt dort im ersten Jahr noch Papstbruder Georg Ratzinger. Die Abnabelung vom Elternhaus wird ihm erleichtert durch aufmunternde Worte des Vaters, der ebenfalls Internatsschüler war: „Manchmal ist es schwierig, aber meistens schön.“

Als Domspatz ist Weindler verpflichtet, regelmäßig Gottesdienste zu besuchen; in seiner Klasse gewinnt er Freunde, die mit „Kirche und Religion“ nicht mehr am Hut haben, als viele Jugendliche eines gewöhnlichen Gymnasiums, aber auch solche, die sich sogar ein Leben als Ordensbruder gut vorstellen können. Florian Weindler ist irgendwo dazwischen, auf jeden Fall noch nicht auf ein Theologiestudium fixiert, denn: „Da gab es ein Problem: das Zölibat. Das hat mich zunächst noch abgehalten.“

Mit 18 in ein Mädchen verliebt

Der junge Weindler verliebt sich mit 18 in ein Mädchen, ist zwei Jahre eng mit ihm verbandelt. „Da war das mit dem Priesterberuf sowieso gegessen.“ Für viel wahrscheinlicher hält es Weindler nun, etwas „Technisches“ zu erlernen. Doch als die Beziehung zur Freundin zerbricht, ist wieder alles anders ...

„Da gab es ein Problem: das Zölibat“Florian Weindler

Die Zeit unmittelbar nach dem Abitur nutzt Weindler zur Orientierung. Da wird ihm klar, „dass ich doch eher etwas mit Menschen machen möchte“. Das Gefühl verstärkt sich entscheidend beim europäischen Jugendtreff derGemeinschaft von Taizéan Silvester 2003 in Hamburg. Während der meditativen Gebete und Gesänge spürt Weindler, „dass da mehr ist“ und was seine Berufung sei.

Alles klar? Von wegen! Zwar folgt wenig später tatsächlich der Eintritt ins RegensburgerPriesterseminar,doch wirklich entschieden ist über die Zukunft noch immer nicht. 2006 macht Weindler erneut einen Schnitt. Zur endgültigen Selbstfindung unterbricht er das Studium an der Universität und beginnt eine Schreinerlehre. Nach drei Jahren schließt er sie erfolgreich mit der Gesellenprüfung ab. Während dieser Zeit hat er nicht nur an hölzernen Werkstücken geschnitzt, sondern auch an sich selbst. Und. Er legt sich endgültig auf den Priesterberuf fest. Hilfreich ist ihm dabei die Erkenntnis, „dass ich jetzt bewiesen habe, dass ich auch eine gute Alternative wüsste“.

2009 kehrt Weindler ins Priesterseminar zurück

Der bessere Weg aber ist das Priesterseminar. Dort kehrt Weindler also 2009 zurück. Weil eine Fortführung des Studiums aber nur an einer anderen Uni möglich gewesen wäre, entscheidet sich der Nittenauer für den sogenannten 3. Bildungsweg.Bischof Dr. Rudolf Graber (†1992)hatte dieses Collegium in den 1970er Jahren initiiert, um auch spätberufene Seiteneinsteiger ohne Abitur für die Arbeit im Weinberg des Herrn zu gewinnen.

Zielstrebig setzt nun auch Weindler hier seinen Weg fort – und schließt Anfang 2015 als katholischer Theologe ab. Im Mai begann sein einjähriges Pastoralpraktikum in der Stadtpfarrei Roding. Es ist immer wider unterbrochen von Ausbildungseinheiten in Regensburg, wo die praktische Theorie noch einmal ausgiebig erörtert wird. Andachten und Wortgottesdienste, Meditationen und die Krankenkommunion – das Aufgabenspektrum Weindlers hat noch enge Grenzen. Er sieht sich in der Rolle des „Mitläufers“ und Beobachters.

Die nicht immer ruhmreiche Vergangenheit derDomspatzen (Misshandlungen in der Vorschule), Missbrauchsvorwürfe gegen Priester, schwindender Glaube und Kirchenaustritte – Florian Weindler verschließt vor alledem die Augen nicht. Im Gegenteil. Er hat sich damit auseinandergesetzt und will nichts beschönigen, zumal jedes Vergehen in der „moralischen Instanz Kirche“ besonders schlimm wiegt. Doch groß ins Zweifeln kam Weindler seit seiner Rückkehr ins Seminar nicht mehr. Die keineswegs zynisch gemeinte Anmerkung, es habe schon bessere Zeiten für angehende Priester gegeben als heute, kontert er souverän:„In der Säkularisation war’s schwieriger!“