Recht
Webcam wegen Klagen abgebaut

User konnten bis Donnerstag Bilder von Nittenau betrachten, die am Feuerwehrhaus aufgenommen wurden. Das gefiel nicht jedem.

17.04.2015 | Stand 16.09.2023, 7:07 Uhr
Blick vom Feuerwehrhauses in Nittenau: Das Bild ist eine Momentaufnahme und damit o.k. – die dauerhafte Übertragung durch eine Webcam könnte aber als Eingriff in Persönlichkeitsrechte ausgelegt werden. −Foto: ht

Hans Fünffinger ist alles andere als ein „Schnüffler“, der Menschen zu nahe treten würde oder gar durch ihr Schlüsselloch spitzen wollte. Und doch sah sich der EDV-Techniker, der bei der Stadtverwaltung sein Brot verdient, nun einem ähnlichen Vorwurf ausgesetzt.

Fünffinger betreibt privat – und ohne gewerblichen Hintergrund – eineHomepage. Über diese können verschiedene Webcams angeklickt werden, die aktuelle Bilder von Nittenau zeigen. Eine Kamera bietet Panoramaansichten über die Regentalstadt, eine gewährt Tierfreunden rund um die Uhr einen Blick ins Storchennest auf dem „Haus des Gastes“ und eine, erst vor wenigen Wochen installiert, „begleitet“ die Arbeiten auf der Pfarrheim-Baustelle, ebenfalls im Ortskern gelegen. Ein weiteres, sich drehendes Aufnahmegerät war seit im Oktober 2013 auf dem Dach des Schlauchturms vom Feuerwehrgerätehaus in der Bodensteiner Straße montiert. Zu sehen war hier vergleichsweise wenig Spektakuläres: ein Teil der Dachlandschaft der Stadt mit dem alles überragenden Kirchturm von Mariae Geburt.

Doch nicht jeder war mit den Aufnahmen einverstanden. Ein Anlieger, der aus Datenschutzgründen namentlich nicht genannt werden kann, reklamierte, ihm gefalle es überhaupt nicht, dass sein Haus oder auch nur ein Teil davon weltweit zur Schau gestellt werde. Man könne ja auch nicht wissen, wer alles die Bilder betrachte. Kurzum: Der Bürger sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt.

Aus dem Protest wurde zwar kein Sturm, aber mindestens zwei weitere Bewohner meldeten nach Informationen der MZ im Rathaus ebenfalls Bedenken an, wobei mindestens einer die Bilder angeblich mangels eigenem Internetzugang gar nicht gesehen haben soll. Ihm habe die Information gereicht, im Fokus einer „Überwachungskamera“ zu sein.

Daraufhin kam es zu einem Krisengespräch mit Bürgermeister Karl Bley und Hans Fünffinger. Bley ist sich eigentlich ziemlich sicher, dass Fünffinger mit seiner Webcam sauber gearbeitet hat und keine Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. „Denn die Bilder waren ja ohnehin nicht so scharf, als dass man jede einzelne Person hätte erkennen können.“

Doch ganz so leicht hätten sich die besorgten Bürger wohl nicht befrieden lassen. Bley fürchtete eine rechtliche Auseinandersetzung – und ist deshalb nicht unglücklich, dass Fünffinger die Notbremse gezogen und die Kamera stillgelegt hat. Am Donnerstag wurde sie per Drehleiter vom Turm geholt und eingelagert.

Eine Eskalation ist also vermieden, doch Fünffinger wirkt geknickt. Er unterstreicht im MZ-Gespräch noch einmal sein eigentliches Anliegen: mitzuhelfen, dass Nittenau als fortschrittliche Stadt wahrgenommen wird; Einheimische sollten sich zuhause entspannt der Bilder erfreuen, die zum Beispiel von Adebar direkt in ihr Büro geliefert werden; und Ortsfremde sollten die Möglichkeit haben, via Internet einen ersten, positiven Eindruck von der Regentalstadt zu gewinnen. Vielleicht verführten die Aufnahmen zu einem Ausflug nach oder gar Urlaub in Nittenau ...

Dieses Bemühen hat jetzt einen herben Dämpfer erhalten. Fünffinger stellt ernsthaft die Frage, ob Nittenau an sich schon reif sei für diese Art der Präsentation – oder ob es der Mehrheit lieber wäre, in der Stadt ginge alles so seinen Gang, wie es in den vergangenen 50 Jahren der Fall war.

Fünffinger hat sich nach eigener Darstellung bemüht, den Konflikt im persönlichen Gespräch mit einem der Beschwerdeführer zu lösen. „Keine Chance.“ Es sei unmöglich gewesen, den Unterschied zwischen Webcam und „Überwachungskamera“ zu erklären. Oberflächliches Wissen und die Mentalität, Neues reflexartig abzulehnen, bilden in den Augen Fünffingers eine fatale Allianz. Bedeutet das Aus der Kamera am Feuerwehrhaus den Anfang vom Ende des gesamten Projekts? Der Bürgermeister will es nicht hoffen und macht Mut: „Die Störche am Haus des Gastes haben sich noch nicht beklagt.“