Gesundheit
Reha-Klinik zu Unrecht am Pranger

Laut Plusminus fehlt im Passauer Wolf Nittenau eine Hygiene-Fachkraft. „Eine Fehleinschätzung!“, kontert der Geschäftsleiter.

20.01.2017 | Stand 16.09.2023, 6:25 Uhr
Iin einem Zimmer der „Neurologischen Früh-Reha“ im Passauer Wolf, Nittenau: Reinigungskraft Simone Gleixner wischt den Boden. Chefarzt Stephan Graeber und Hygienebeauftragte Tatjana Braun schauen ihr bei der gestellten Szene über die Schulter. −Foto: Rieke

Als das ARD-Magazin „Plusminus“ und die Berliner Redaktion „Correctiv“ unlängst (11. Januar) über Hygienemängel in vielen deutschen Krankenhäusern berichteten, war die Aufmerksamkeit groß. Denn spätestens seit 2015 tödlicheKeime im Universitätsklinikum Kielfür Schlagzeilen sorgten, ist die Bevölkerung bei diesem Thema hoch sensibilisiert. Schließlich muss jeder selbst irgendwann in ein Krankenhaus – sei es als Patient oder Besucher. Und niemand will sich ausgerechnet dort infizieren.

Welche Tragweite Komplikationen durch resistente Keime haben können, veranschaulichte Plusminus amBeispiel eines Mannes, der nach einem zunächst simplen Beinbruch die Hölle erlebte– und letztlich ein Bein verlor. Außerdem wurde in der Sendung auf eine „interaktive Karte“ verwiesen, auf der sich jeder, der Zugang zum Internet hat, informieren konnte, wie es um die Hygienestandards in den Kliniken seiner unmittelbaren Umgebung bestellt sei.

Die Sache mit dem „roten Punkt“

Und siehe da: Auch die Nittenauer Reha-Klinik des Passauer Wolf war, wie viele andere Einrichtungen auch, mit einem roten Punkt markiert, was nichts anderes bedeuten sollte, als dass gewisse Standards, welche dasRobert-Koch-Institutschon vor Jahren als Empfehlungen ausgegeben hat, nicht erfüllt würden. In der Neurologischen Früh-Reha-Abteilung (zwölf Betten) gebe es zwar einen Hygiene-beauftragten Arzt, einen sogenannten Hygieniker und drei entsprechende Pfleger, aber keine spezielle Hygiene-Fachkraft. – Durchgefallen!

Die MZ konfrontierte den Geschäftsführer des Gesundheitsunternehmens, Stefan Scharl, mit der Darstellung der Dinge – und ihm gelingt es relativ einfach, die Vorwürfe zu entkräften. Zwar räumt Scharl ein, dass sich der „Passauer Wolf“ für Nittenau tatsächlich keine eigene hauptamtliche Hygiene-Fachkraft leiste, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftige. „Dafür sind wir hier einfach zu klein.“ Doch stattdessen arbeite das Unternehmen seit über zehn Jahren mit einem externen Dienstleister zusammen, was vom Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen als gleichwertige Lösung anerkannt werde.

„Der Dienstleister kommt mindestens an zwei Tagen im Monat direkt ins Haus, um zu beraten, und zu schulen, Prozeduren zu entwickeln und zu kontrollieren, ob gewisse Dinge auch umgesetzt worden sind“, berichtet Scharl. Außerdem stehe der Experte bei Bedarf Gewehr bei Fuß und sei jederzeit telefonisch erreichbar.

Kooperation trägt Früchte

Die Kooperation sei fruchtbar und habe viele Fortschritte gebracht, berichtet der Geschäftsführer. Es habe auch nie einen Zweifel an der Notwendigkeit gegeben, in Sachen Hygiene kontinuierlich am Ball zu bleiben und mögliche Verbesserungen anzustreben. „Denn natürlich bekommen auch wir in der Rehaklinik immer wieder Patienten, bei denen multiresistente Keime für Probleme sorgen, so dass besondere Dinge zu beachten sind.“

Wie die Falschinformation in die Grafik geraten ist, darüber kann Scharl aktuell nur spekulieren. Es sei denkbar, dass es bei der Übertragung der Angaben aus den Qualitätsberichten (von 2014!) zu dem Fehler gekommen sei, es sei aber auch eine Rundung zum Nachteil des Passauer Wolf nicht auszuschließen. Letztlich zeigt sich Scharl gegenüber jenen, die für die Recherche verantwortlich sind, gnädig. „Wir klagen niemanden an. Wir weisen nur darauf hin, dass eine offensichtlich vereinfachte Darstellung zu einer Fehleinschätzung geführt hat.“

Ein Mitarbeiter von„Correctiv“räumte gegenüber der MZ ein, dass sich die Beschwerden über die Inhalte der interaktiven Karte in seiner Redaktion zuletzt gehäuft hätten. Doch sein Team wasche die Hände in Unschuld, schließlich habe man sich nur einer Datenbank des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) bedient, deren Inhalt auf freiwilligen Angaben der Krankenhäuser beruhte. Es sei durchaus möglich, dass die Kliniken selbst die eine oder andere falsche Angabe gemacht hätten, nicht um zu täuschen, sondern weil man einzelne Felder nicht ernst genug nahm.

Wie auch immer: Wer jetzt noch im Internet nach der fragliche Grafik sucht, wird enttäuscht. Sie wurde aus dem Netz entfernt. In der Erklärung dazu heißt es unter anderem: „Nach der Berichterstattung haben wir mehrere Hinweise auf Widersprüchlichkeiten (...) erhalten. Unter anderem habe es technische Schwierigkeiten bei der Datenübermittlung an den G-BA gegeben. Außerdem kam es aufgrund von Verordnungen in einigen Bundesländern zu Missverständnissen in der Auswertung der Daten, mithin in Einzelfällen auch zu Fehlern in unserer Karte.“

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