Menschen
Die Wald- und Wiesenpfarrerin geht

Auch wenn es schwerfällt: Charlotte Peschke verlässt nach zehn Jahren sympathischer Seelsorge Cham und geht nach Fürth-Süd.

30.09.2017 | Stand 16.09.2023, 6:20 Uhr

Schweren Herzens, aber entschlossen kehrt Pfarrerin Charlotte Peschke der evangelischen Gemeinde in Cham den Rücken: „Auch wenn es unglaublich schwerfällt. Ich muss nochmal was Neues machen.“ Foto: Schiedermeier

Ungezählte Male ist Charlotte Peschke diese 13 Granitstufen von der Erlöserkirche herunter geschritten. Für unser Titelfoto hat sie es noch einmal getan. „Soll ich kurz mal schweben“, fragt sie und hält an, einen Fuß in der Luft. So haben wir sie abgebildet. Nicht nur, weil sie es selber so wollte, als wir nach ihrem Lieblingsplätzchen in Cham fragten. Nein, auch deswegen, weil sie mühelos wieder einmal gezeigt hat, was sie auszeichnet. Selbst wenn die Frau Pfarrerin von oben kommt, wirkt sie nie von oben herab.

Dafür haben die Menschen in Cham sie geliebt. Für ihre offene Art und dafür, dass sie immer die richtigen Worte gefunden hat und ein Herz hatte für die Bayerwaldler, die man ihr anvertraut hatte. Denn einfach ist es mit denen erst, wenn man sie überzeugt hat. Das kann dauern. Und gerade jetzt wäre es einfach geworden – da geht sie! Sie nennt das „aus der Komfortzone kommen“.

Das haben viele nicht verstanden. Manche versuchen auch jetzt noch, sie von dieser Idee abzubringen, am 15. Januar ihren Dienst in der Pfarrei Fürth-Süd zu beginnen. Es ist auch schwer zu verstehen, dass sie gerade deswegen geht, weil es läuft. „Ich muss nochmal etwas Neues wagen. Ich habe auch immer betont, dass ich nicht bis zu meinem Ruhestand hierbleiben will“, sagt sie.

Wie jetzt? Die Frau, die sich selbst als Wald- und Wiesenpfarrerin bezeichnet, geht in eine Stadtpfarrei? Wo hätte sie Wald und Wiese, wenn nicht hier. Charlotte Peschke lacht. „Das ist wahr. Als ich hierher kam, da war ich von der Natur hier total begeistert. Ich habe mir gedacht: Daran gewöhnt man sich wahrscheinlich. Die Begeisterung ist aber bis heute geblieben. Auch die über meine Pfarrei. Über die vielen Menschen, die mir geholfen haben, über die tollen Ideen, die wir hier umgesetzt haben.“

Wer ist sie dann, diese Pfarrerstochter aus Franken? „Ich bin jemand, der in einer Familie groß geworden ist, in der ich von Kind auf gelernt habe, dass Glaube etwas ist, was zum Leben passt und täglich dort vorkommt. Das möchte ich den Menschen mitgeben, dass der Glaube zum Leben passt und nicht irgendetwas Abgehobenes ist.“ Deswegen lehnt sie es auch ab, die Frau Pfarrerin zu sein, die irgendwo ganz oben angehimmelt werden muss. „Ich doziere und predige nicht ständig. Ich habe das studiert und kann was beitragen.“

Am 14. Januar wird die Pfarrerin in Cham verabschiedet, am 15. Januar tritt sie offiziell ihren Dienst in Fürth-Süd an. Es ist ein Arbeiterviertel mit hohem Migrantenanteil und vielen Kindern. Peschke hat das Selbstbewusstsein für so eine Stelle: „Wir haben hier gemeinsam viel geschafft. Wir haben Leute ins Boot geholt, denen der Bezug zur Kirche nicht in die Wiege gelegt war. Das ist es, was die Landeskirche jetzt woanders erst versucht.“ Die Pfarrerin sucht die Herausforderung. „Es ist gerade so viel im Umbruch. Alleine, wie sich der Begriff Familie verändert hat. Da stellt sich doch die Frage: Wie lade ich so jemanden ein?“ – Bemerkenswert, in einer Zeit, in der andere fragen: Wie grenze ich so jemanden aus?

Schade, wenn so jemand geht. Peschke versucht es mit Trost: „Ich gehe ja nicht, weil ich keinen Bock mehr habe oder weil ich die Leute hier doof finde. Cham war eine gute Zeit.“

Es geht Richtung Heimat. Näher zu den Eltern und zu den zwei Patenkindern. – Trotzdem. Schade!

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