Wissenschaft
Die Stadtsprache hat ihren eigenen Klang

Wie spricht Regensburg? Das will die junge Germanistin Elisabeth Wellner in ihrer Doktorarbeit erkunden.

29.05.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Auch der Dialekt will gelernt sein. Unser Bild zeigt die Theatergruppe Alteglofsheim, die im Stück „Theater“ die richtige Aussprache probt. −Foto: Gruber

Elisabeth Wellner sucht derzeit nach gebürtigen Regensburgern, die – noch oder wieder – in der Stadt leben. Wie spricht Regensburg? Das will die Germanistin mit ihrer Unterstützung erforschen. „Sprache und Sprachgebrauch des Deutschen in Regensburg“, lautet der Arbeitstitel ihrer Doktorarbeit, für die sie etwa 100 Regensburger aller Generationen – ab einem Alter von etwa zehn Jahren – interviewen möchte.

„Gesucht werden Personen, die in den Stadtteilen Innenstadt, Stadtamhof, Königswiesen, Kumpfmühl oder Westenviertel wohnen und aufgewachsen sind; auch Regensburger/innen aus anderen Stadtteilen dürfen gerne teilnehmen“, so lautet der Aufruf, den die junge Sprachwissenschaftlerin Anfang Mai auch auf Facebook veröffentlichte, weil sich die Suche in der Großstadt mit vielen Zugezogenen „doch ein bisschen hinzog“. „Mindestens ein Elternteil sollte in Regensburg geboren und aufgewachsen sein“, ist ein weiteres Kriterium, je mehr Familienangehörige aus Regensburg stammten, desto besser – einerseits. Andererseits möchte Elisabeth Wellner auch Menschen mit Migrationshintergrund befragen, die in der Stadt zur Welt kamen und großgeworden sind.

„Selbst mit Dialekt aufgewachsen“

„Ich bin selbst mit Dialekt aufgewachsen“, erzählt die 28-Jährige aus dem Landkreis Deggendorf über ihre Motivation, sich wissenschaftlich dem Regensburgerischen zu widmen. „Ich bin auch sehr früh auf Dialekt als Untersuchungsgegenstand gestoßen.“ In ihrer Facharbeit am Gymnasium analysierte sie die Sprache von Heimatort und Nachbardorf. Damals habe sie sich gedacht: „Mensch, wenn ich groß bin, möchte ich das mal in einer großen Stadt was machen, weil es da mehr Veränderungen gibt.“

In ihrer Bachelorarbeit untersuchte sie die „Stadtsprache von Regensburg in der jüngeren Generation“, in der Masterarbeit die „Regensburger Stadtsprache im Spiegel der Generationen“. Auch danach hatte die leidenschaftliche Sprachwissenschaftlerin nicht genug. „Die Masterarbeit war gut, aber zu wenig umfangreich.“ In der Promotion legt sie nach, „damit man einen besseren Blick hat, welche Tendenzen sich herauskristallisieren“.

„Er verschwindet bestimmt nicht“

Auf dem Sterbebett sieht sie den Dialekt in der Großstadt derzeit nicht. „Dass die Jüngeren ihn weniger sprechen, stimmt auf jeden Fall. Aber dass er verschwindet, stimmt nicht.“ Er verändere sich, bewege sich „mehr im Übergang zwischen Bairisch und Hochdeutsch“. „Die Regensburger sind ziemlich gut im Hin- und Herswitchen“, das ist ihr Eindruck, viele sprächen mit dem Kollegen oder an der Uni anders als etwa mit den Eltern.

Ohnehin verorten Sprachwissenschaftler das Regensburgerische seit jeher „in einer Übergangszone“ zwischen „mittel- und nordbairisch“, also zwischen niederbayerisch und oberpfälzisch, wie der Laie sagen würde. Ansonsten sei die Forschungslage zur Stadtsprache, abgesehen von einem Wörterbuch „Regensburger Bairisch“ und älteren Aufsätzen des renommierten Bairisch-Experten Ludwig Zehetner, recht dünn, sagt Elisabeth Wellner. Im „Sprachatlas für Nordostbayern“ finde sich nur eine knappe Regensburger Quelle; die Wissenschaftlerin ist Mitglied einer Forschergruppe um Germanistikprofessor Hermann Scheuringer, der sich gerade um Fördermittel für die Fortführung der Arbeit am Nachschlagewerk bemüht.

„Wie sprechen Sie mit Kollegen?“

In der Zwischenzeit kann sich Elisabeth Wellner umso intensiver mit dem Regensburgerischen befassen. Um die 30 Interviews hat sie schon geführt. „Es geht los mit einem freien Gespräch“, erklärt sie ihr Vorgehen, dabei läuft ein Diktiergerät mit. Danach dürfen die Freiwilligen zuhören, sollen vier Sprachproben einer Region zuordnen, anschließend Fragen beantworten, etwa „Wie sprechen Sie mit Ihren Kollegen?“, „Wie sprechen Sie mit Ihren Eltern und Geschwistern?“, „Welche Grußformel verwenden Sie?“ Etwa eine Stunde bis eineinhalb Stunden Zeit sollten die Studienteilnehmer mitbringen, „das Ganze ist natürlich anonym“, versichert Wellner. In ihrer Doktorarbeit werden keine Namen, sondern Nummern auftauchen. Besonders freuen würde sie sich, wenn ihr Teilnehmer-Mix besonders bunt wird: Schließlich soll ihre Arbeit das Regensburgerische von Frauen und Männern, Arbeitern und Ärzten widerspiegeln.

Kontakt: Wer an Elisabeth Wellners Studie teilnehmen möchte, kann sich mit ihr unter elisabeth.wellner@ur.de oder Tel. (0175)4454988 in Verbindung setzen.