Soziales
Ein schwarzes Schaf im Jobcenter

In Regensburg steht ein Mitarbeiter im Verdacht, Gelder abgezweigt und in die eigene Tasche gesteckt zu haben.

14.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:48 Uhr
Helmut Wanner
Das Jobcenter Regensburg im Gewerbepark: Die Polizei ermittelt gegen einen Mitarbeiter. −Foto: Wanner

Oberbürgermeister Joachim Wolbergs hat einen Mitarbeiter des Jobcenters vom Dienst suspendiert. In einer schriftlichen Stellungnahme des obersten Dienstherrn auf Anfrage unserer Zeitung äußerte er sich nicht detailliert. Offenbar besteht aber der Verdacht, dass sich der Beschuldigte über Jahre hinweg bereichert hat.

„Da es deutliche Verdachtsmomente gegen eine Person im Jobcenter gab, habe ich sie vom Dienst suspendieren lassen und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Zusätzlich wurde Strafanzeige wegen Untreue erstattet,“ sagte der OB. Nun sei es Aufgabe der Behörden, strafrechtlich zu ermitteln. Staatsanwaltschaft und Polizei verwiesen auf Datenschutz und Persönlichkeitsrecht und äußerten sich nicht.

Kein Kommentar

Mit dieser Meldung ging das Jobcenter nicht von sich aus an die Medien. Unsere Zeitung besuchte Geschäftsführerin Birgitt Ehrl am Dienstag in ihrem Dienstsitz im dritten Stock des Gebäude D 83 im Gewebepark. Auf Nachfragen unserer Zeitung war ihr kein Kommentar zu dem schwarzen Schaf in ihrer Dienststelle zu entlocken. Sie informierte allgemein über die Einrichtung.

Seit das Job-Center im Rahmen der Reform unter Kanzler Gerhard Schröder vor elf Jahren gegründet wurde, ist es immer mehr gewachsen. 2008 trennte es sich räumlich von der Arbeitsagentur und zog vom Galgenberg in den Gewerbepark. 132 Mitarbeiter beraten auf fünf Stockwerken in verschiedenen Sprachen. Seit einer Woche haben sie im Job-Center einen Kollegen weniger.

„Uns geht es hier um Leistungsauszahlung und berufliche Integration“, formuliert Ehrl die Aufgaben des Jobcenters (JC) Regensburg. Mit Stichtag 1. September wurden hier 4472 sogenannte Bedarfsgemeinschaften betreut. Insgesamt 7350 Einzelpersonen beziehen Leistungen (ALG2 und Sozialgeld). Davon sind 5461 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Beträge kann Ehrl nicht nennen. Aber monatlich werden hier nach Adam Riese Millionen ausbezahlt. Auf welchen Wegen ein Mitarbeiter einen Teil dieser Gelder auf sein Konto abzweigte und welche Motive ihn dazu brachten, müssen jetzt die Ermittler klären.

Der Skandal gibtKritikernNahrung. Der Pentlinger Rechtsanwalt und Berufsbetreuer Otmar Spirk kennt die Bedingungen im Jobcenter Stadt Regensburg gut. Im Zuge der Hartz IV-Reformen wurden viele Personen vom Sozialamt, die erhebliche Schwierigkeiten haben und wenn überhaupt beschränkt arbeitsfähig sind, zwecks Kostenersparnis ins Jobcenter rübergeschoben. Otmar Spirk kritisiert: „Es ist offenbar im Jobcenter nicht vorgesehen, dass es Leistungsbezieher gibt, die besondere Probleme haben. Statt ihnen zu helfen, werden sie bei jedem Verstoß gegen die Spielregeln des Jobcenters zusätzlich mit Minderung der Geldleistungen sanktioniert und gedemütigt.“

Fristüberschreitungen beklagt

Spirk vertritt diese Menschen unter anderem gegenüber der Widerspruchsstelle und hat immer wieder Fristüberschreitungen bei der Widerspruchsbearbeitung erlebt. Er prangert an: „Es ist schon krass, wenn vom Hartz IVler viel gefordert wird, bei gleichzeitig wenig Förderung. Hinzu kommen viele Fehler desJobcenters, wenn ich mir meine hohe Erfolgsquote bei Rechtsstreitigkeiten anschaue. Und wenn dann so ein Hartz IVler seine wenigen Rechte einfordert, dauert es mit der Bearbeitung. Ich habe das Problem mit der Bearbeitung inzwischen so gelöst, dass ich bei jeder Fristüberschreitung Untätigkeitsklage beim Sozialgericht erhebe. Die Widerspruchsstelle ackert zwar am Limit, ist aber seit Jahren überbelastet. Hier hat sich auf Grund von Unterbesetzung vieles aufgestaut.“