Verkehr
Sind Kinder im Fahrradanhänger sicher?

Die Fahrrad-Gespanne sind bei Eltern beliebt. Doch der schwere Unfall im Norden Regensburgs löst eine heftige Debatte aus.

09.10.2017 | Stand 16.09.2023, 6:18 Uhr
Kathrin Robinson

Bei dem Unfall in der Nähe des DEZ wurde ein einjähriges Kind schwer verletzt.Foto: Geisenhanslüke

Es ist eine Schreckensvorstellung für alle Eltern: Man radelt mit dem Nachwuchs im Fahrradanhänger zur Kita oder zum Spielplatz. Plötzlich ein Quietschen. Es kracht. Metall knirscht. Stofffetzen fliegen. Ein Fahrzeug ist in den Anhänger gekracht. Für eine Regensburger Mutter ist dieses Horrorszenario am vergangenen Freitag zur Wirklichkeit geworden.Ihr einjähriges Kind wurde schwerst verletzt, als ein Betonmischer im Regensburger Norden beim Abbiegen von der Nordgaustraße nach rechts in die Frankenstraße mit dem Gespann kollidierte.Das Kind habe diverse Brüche und Quetschungen erlitten, teilte die Polizei am Montag auf Nachfrage mit, befinde sich aber auf dem Wege der Besserung. Den genauen Unfallhergang muss noch ein Gutachten klären. Vieles ist also noch unklar. Doch der Unfall hat bereits eine Debatte darüber ausgelöst, wie sicher Fahrradanhänger tatsächlich sind.Auch auf der Facebook-Seite unseres Medienhauses wurde über die Vor- und Nachteile der Anhänger diskutiert.Viele User argumentieren, dass sie im Verkehr leicht zu übersehen sind.

Unfälle mit Anhängern sind selten

Fest steht: Während früher herkömmliche Kinder-Fahrradsitze noch vorherrschend waren, haben Fahrradanhänger und Lastenfahrräder für den Kindertransport längst die Straßen erobert. Doch welches Transportmittel ist sicherer? „Alle haben ihre Risiken“, sagt Wolfgang Bogie vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Regensburg.

„Wenn ich das Kind im Kindersitz habe und mit dem Rad umkippe, fällt es aus einer ziemlichen Höhe auf die Straße.“ Er sieht in den Fahrradanhängern an sich kein Sicherheitsproblem. Stattdessen gebe es generell ein Sicherheitsproblem beim Thema Rechtsabbiegen – insbesondere bei Lkw, sagt er. Lkw-Fahrer haben zwar eine erhöhte Sitzposition – aber bestimmte Bereiche vorne und an der Seite des Fahrzeugs sind nur schwer einzusehen. „Baubedingt gibt es hier einen besonders großen toten Winkel“, bestätigt auch Albert Brück vom Polizeipräsidium Oberpfalz. „Deshalb müssen Lkw mit speziellen Spiegeln und technischen Vorrichtungen ausgestattet sein.“

Klaus Wörle, Vorsitzender des ADFC in Regensburg, sieht genau hier das Problem. Es gebe zwar Abbiegeassistenten für Lkw, bei denen Sensoren das Umfeld des Fahrzeugs erfassen, über Hindernisse informieren und im Notfall auch eine Bremsung einleiten. „Aber gesetzlich verpflichtend sind diese nicht. Viele Fahrzeughalter sparen sich daher die Aufrüstung.“

Es ist also nicht so, dass Fahrradanhänger per se schlecht sichtbar sind. Bewegt sich der Anhänger im toten Winkel ist er für einen Fahrer ebenso nicht zu sehen wie die Silhouette eines Fußgängers oder eines Radlers ohne Anhänger. Deshalb sagt auch Wörle: „Fahrradanhänger sind sicher – zumal die Anhänger, die in Deutschland verkauft werden, alle bestimmten technischen Anforderungen genügen müssen.“ Zwischen Anhängern und Fahrradsitzen sieht er vom Sicherheitsaspekt her keinen Unterschied. Generell, so betont er, seien Unfälle mit Kindern in Anhängern oder auf dem Kindersitz sehr selten. „Auch weil die Eltern, die radelnd mit ihrem Nachwuchs unterwegs sind, sehr viel überlegter fahren als andere Verkehrsteilnehmer.“

„Fahrradanhänger sind sicher – zumal die Anhänger, die in Deutschland verkauft werden, alle bestimmten technischen Anforderungen genügen müssen.“Klaus Wörle, Vorsitzender des ADFC in Regensburg

In der Frage Kindersitz oder Fahrradanhänger will sich auch die Polizei nicht eindeutig positionieren. Für beides gebe es Für und Wider, sagt Albert Brück vom Polizeipräsidium. Der ADAC hat die Stärken und Schwächen beider Transportsysteme zuletzt 2008 unter die Lupe genommen. Das Fazit: „Ein klassischer Sieger lässt sich nicht küren – es kommt im Wesentlichen auf die Einsatzbedingungen an.“

Das Testergebnis besitzt einer Sprecherin zufolge bis heute Gültigkeit. Während der Radler mit Fahrradanhänger auf engen Fahrradwegen, im Fall von Gegenverkehr oder beim Rangieren immer die Breite des Gespanns mitdenken muss, müssen sich Eltern, die sich für einen Kindersitz entscheiden, unter anderem mehr auf die eigene Balance konzentrieren – zumal, wenn man einen kleinen Zapplephilipp hinter sich hat.

Helm ist absolutes Muss

Spurwechsel oder enge Kurven können so eine ganz schön wackelige Angelegenheit sein und durchaus brenzlig werden. Nur was Komfort und Bequemlichkeit angeht, kommt der Test zu einem eindeutigen Ergebnis: Fahrradanhänger schneiden hier vor allem für längere Strecken besser ab, weil sie dem Nachwuchs mehr Platz bieten und vor Wind und Wetter schützen. Doch unabhängig von Sitz oder Anhänger – auf alle Fälle gilt: Kinder müssen immer einen Fahrradhelm tragen und angegurtet sein.

„Auch wenn die Ampel grün zeigt und jemand abbiegen will, lieber erstmal die Geschwindigkeit drosseln und den Blickkontakt mit dem Fahrer herstellen.“Wolfgang Bogie, VCD

Letztlich müssen sich Eltern, die ihre Kleinen mit dem Rad mitnehmen wollen, also überlegen, welches System am besten zu den Anforderungen ihres Alltags passt. Und noch eines bleibt wichtig – das führen auch viele User bei der Diskussion auf Facebook an: gegenseitige Rücksichtnahme im Straßenverkehr. Deshalb gibt auch Wolfgang Bogie vom VCD allen Radlern eine Empfehlung mit auf den Weg: „Auch wenn die Ampel grün zeigt und jemand abbiegen will, lieber erstmal die Geschwindigkeit drosseln und den Blickkontakt mit dem Fahrer herstellen.“

Nicht nur Brummi-Fahrer, auch Bus-Fahrer haben Probleme mit dem toten Winkel. Beim RVV sind die Fahrer angehalten, dort, wo Radler und Fußgänger unterwegs sind, besondere Vorsicht walten zu lassen. „Im Gegenzug bitten wir Radler und Fußgänger ebenso, vorsichtig zu sein“, sagt Marion Brasserler, die stellvertretende Pressesprecherin der Stadtwerke.

Weitere Nachrichten und Berichte aus Regensburg lesen Sie hier.

Aktuelles aus der Region und der Welt gibt es über WhatsApp direkt auf das Smartphone:www.mittelbayerische.de/whatsapp