Wirtschaft
Die „i-Tüpfelchen“ für die Altstadt

Kreative entdecken Burglengenfeld für ihre Geschäftsideen. Von der Handweberei über Glaskunst bis zum Café voller „Ambiente.

27.03.2015 | Stand 16.09.2023, 7:10 Uhr
Günther Braun und seine Frau haben den nächsten Schritt getan: Zu dem Laden „kreativ und mehr“ haben die beiden in der Kirchenstraße nun das Café Ambiente eröffnet. −Foto: Baumgarten

Das Gluckern und Zischen des Milchaufschäumers untermalt das Gespräch der Frauen am Nachbartisch. Hochkonzentriert steht Günther Braun hinter der wuchtigen Theke aus urigem Holz. Während der 44-Jährige den „richtigen Druck“ auf das Pulver genau dosiert, arbeiten seine Kaumuskeln mit. Selbst als die Maschine das Pulver mit kochend heißem Wasser zu köstlichem Kaffee macht, wirkt er immer noch etwas angespannt.

Der zweite Tag eines langgehegten Traumes hat schließlich gerade erst begonnen. Ein neuer Weg für ihn wie auch seine Frau, die direkt nebenan ihren Laden für Floristik, Dekorationen und Geschenke betreibt. Kurz vor neun zeigt die Uhr, als sich der große, sympathische Mann lässig auf einen der Barhocker lehnt und erzählt. „Café, das ist Kraft sammeln, Genuss, sich Zeit nehmen“, sinniert er. „Das ist für mich Verweilen können, ein Lebensgefühl, ganz lässig und locker – man kann hier sein wie man ist.“

„Unseren Traum verwirklicht“

Hier, das ist ein fast winzig kleiner Raum in der Kirchenstraße 6, in dem sich der gelernte Maler und Lackierer mit seiner Ehefrau Luzia verwirklicht hat. 14 Tage lang haben sie das ehemalige Nagestudio ins „Café Ambiente“ verwandelt. „Wir haben uns unseren kleinen Traum verwirklicht“, sagt er. Seit vielen Jahren trugen sich der selbstständige Kapitalmanager und die gelernte Kinderkrankenschwester, die ihre Passion für Pflanzen und Objekte bis vor einem Jahr nur zuhause in Unterpfraundorf auslebte, mit diesem Gedanken von einem eigenen Lokal.

Als sie auf der Suche nach neuen, nach eigenen Geschäftsräumen für die Ehefrau zum ersten Mal vor dem Haus in der Kirchenstraße in Burglengenfeld stehen, waren sie sich einig: „Und das wird dann unser Café, habe ich gesagt“, erzählt die 47-Jährige. Knapp ein Jahr nach der Eröffnung von „kreativ und mehr“ – wo sie aus Alt, Modern und Pflanzen kleine Arrangement zaubert – ist es geschafft. Was sich Günther nächtelang im Kopf Stück für Stück ausgemalt hat, ist seit Donnerstag nun Realität geworden.

Holzmöbel, die der 44-Jährige seit einigen Jahren von alten Bauernhöfen sammelt und selbst aufbereitet hat, und die unverkennbar gestalterische Handschrift seiner Frau haben aus diesem winzigen Raum das „Café Ambiente“ gemacht. Wo ausnahmslos nichts von der Stange ist: weder bei den ganztägigen Frühstücken oder den selbst gemachtem Kuchen, noch bei der Bio-Milch oder dem Kaffee – alles kommt von regionalen Anbietern. Platz bietet das Lokal zwar nur für maximal zwölf Personen – aber auch der Laden von Luzia Braun kann genutzt werden.

Das Alles in Burglengenfeld umzusetzen, wo seine Frau geboren und zur Schule gegangen ist, war Günthers Idee und die erste Wahl. „Eine aufstrebende Stadt, die offen für Neues, etwas Anderes ist“, sagt er. Betrieben wird das „Ambiente“ als Tagescafé von der ganzen Familie: von Günther als Nebenerwerbs-Barista, mit Hilfe der beiden Kinder und seiner Frau Luzia. Ihre Kunden von „kreativ und mehr“ sollen hier Platz zum Plauschen und Relaxen finden. Nicht nur bei den Kaffeespezialitäten ist Individualität Trumpf: Die Teesorten namens „Fehenduft“ oder „Morgentau“ kommen hier von der Kräuterhexe.

i-Tüpfelchen für die Innenstadt

Luzia Braun und ihr Mann sind aber nicht die Einzigen: Immer mehr Kreative entdecken Burglengenfeld und schaffen wahre Kleinode in den Nebenstraßen und Gassen. Sie ergänzen die Geschäfte und Lokale in der historischen Altstadt – versehen sie mit dem i-Tüpfelchen. Wie die Glasdesignerin Jutta Kulow, die in ihrem Atelier direkt am Marktplatz 5 selbst kreierten Schmuck und Objekte anbietet. Alles Einzelstücke, bei denen Glas unter anderem mit Edelmetallen verbunden wird. Die gelernte Lithografin kam 2006 der Liebe wegen ins Städtedreieck und eröffnete vor drei Jahren ihr Atelier.

Entdeckt hat Jutta Kulow den Laden in bester Lage per Zufall – und auch sie hat sich sofort entschieden. „Ich fertige Einzelstücke“, sagt sie, „die brauchen einen besonderen Platz.“ Burglengenfeld war deshalb erste Wahl; eine schöne Stadt mit Potenzial und vor allem sehr nah zur Werkstatt in Pirkensee. Überzeugen will sie ihre Kundschaft mit Stil, Qualität und vor allem Exklusivität. „Einfach ist das nicht“, gesteht die Designerin offen. Aber: Jedes Handwerk muss seinen eigenen Weg finden.

Das hat auch Sirko Galz getan. Das rhythmisch-monotone Kla-klack, kla-klack, kla-klack aus seien Geschäftsräumen neben der Vitus-Kirche macht neugierig. Der 36-Jährige fertigt in der Handweberei ganz individuelle Textilien, vom Seidenschal bis zum Teppich. „Die Räume waren perfekt“, erzählt er. Das Potenzial der Burglengenfelder Altstadt ist für den studierten Diplom-Ingenieur für Landschaftsnutzung auch in der Kirchenstraße vorhanden, „definitiv“. Als Autodidakt hat sich der vielseitige 36-Jährige das Weben selbst beigebracht hat.

Die Kunden können ihm bei der Arbeit an den zwei Webstühlen in der Schauwerkstatt zusehen. „Handwerk sichtbar und erlebbar machen, abseits der Handelsketten-Monotonie, das ist mein Ziel“, sagt Galz. Individualität, Langlebigkeit und hochwertige Materialien werden immer mehr geschätzt. Er hat sich in weniger als zwei Jahren einen festen Kundenstamm aufgebaut, wenngleich manche nur kommen, um zu schauen. „Da ist ok, und wenn die Leute im Gespräch merken, mit welcher Leidenschaft ich das tue – dann läuft das von allein.“

Eine gehörige Portion Leidenschaft ist es, die auch Sebastian Thomann antreibt. Und die Liebe zu Büchern. Der studiert Diplom-Theologe ist gebürtiger Burglengenfelder, war jahrelang als Sozialpädagoge in der Jugendarbeit tätig und kehrte vor drei Jahren wieder heim. Im September 2012 verwirklichte der 37-Jährige sich dann selbst in und mit seinem eigenen Buchladen. „Sowas gehört einfach an einen Marktplatz“, erzählt er. Für ihn ist das nicht nur ein Laden – „es ist ein Studier-, Wohnzimmer und Atelier“.

Sein Credo und wohl beste Geschäftspolitik: Eine außergewöhnliche Dichte an guten Bücher zu führen. „Denn nur Qualität spricht sich rum“. erklärt er. Mit Lesungen und eigenen Veranstaltungen hat Thomann ein Nische mit großem Potenzial besetzt. Der 37-Jährige vermarktet sich selbst und seinen Laden außerdem mit selbstkreierten Postkarten. Und er hat schon ein eigenes Buch herausgegeben: Gesichter einer Stadt, ein Bild-Porträt seiner Heimat. In Kürze erscheint ein Kartenspiel, für das er die Illustrationen erstellt hat.

„Es gibt viel zu entdecken“

Das die Innenstadt pulsiert und voller Leben ist, belegen für den Vorsitzenden des Burglengenfelder Wirtschaftsforums, Bernhard Nußstein, nicht weniger als zehn Neueröffnungen in den letzten rund zweieinhalb Jahren. Ob in der Kirchenstraße oder Rathausstraße, in der Klostergasse, in der Robert-Koch-Straße, in der Hauptstraße oder direkt am Marktplatz. „Die Burglengenfelder Innenstadt lebt und wächst, allen Unkenrufen zum Trotz“, sagt Nußstein. „Es gibt bei uns viel zu entdecken – man muss es nur tun …“