Schiesssport
Christian Reitz mag viele Pistolen

Der Regensburger wurde mit seinen Nebenwaffen zum besten Mann der EM – und schoss ganz nebenbei auch noch Weltrekord.

03.08.2015 | Stand 16.09.2023, 7:03 Uhr
Christian Reitz entschädigte sich mit seiner Zweit- und Drittdisziplin bei der EM in Maribor für das Malheur mit seiner Spezialwaffe. −Foto: Brüssel

Frust? Damit mag sich Christian Reitz gar nicht groß auseinandersetzen in einem Fall wie diesem. „Ich habe einfach von vorne bis hinten nix getroffen und wusste nicht warum.“ Wie erfahren der 28-jährige Pistolenschütze aus Regensburg ist, zeigte, wie er mit dem vermasselten Finale mit der Schnellfeuerpistole bei der Europameisterschaft in Maribor vor einer Woche umging. Weil sich partout keine Ursache fand, machte der Weltranglistenzweite schlicht einen Haken dahinter, dass er mit seiner Spezialwaffe im Finale als Erster ausschied und nur Sechster wurde. „Nebenbei“ reichte es ja dennoch zu Teamgold.

Vier Tage, drei Goldmedaillen und eine Silberplakette später stand Christian Reitz als erfolgreichster EM-Teilnehmer da. „Ja, das war ein sehr schöner Abschluss“, sagte Reitz nach den Erfolgen mit seinen Nebenwaffen Standard- und Zentralfeuerpistole – und hat es mit dem Überschwang wohl genauso wenig wie mit Frust.

Maribor zeigte wieder einmal die gesamte Palette, wie eng es im internationalen Schießsport zugehen kann und welche Kleinigkeiten den Ausschlag geben. „Die Ursachen, die einen beeinflussen können ganz banal sein. Sie sind so vielfältig, das können andere Sportler manchmal gar nicht so recht nachfühlen“, sagt Reitz über die ganz besondere wie auch faszinierende Psychologie seines Sports.

Natürlich sinnierte der Regensburger, dessen Freundin Sandra Hornung diese Woche im Weltcup-Einsatz ist, über das Licht und den Kontrast der Scheiben. Auch die Temperaturschwankungen („Erst waren es 40, dann 20, 21, 22 Grad“) mögen schwierig gewesen sein. Doch am Ende beschloss Reitz zusammen mit seinem Heim- und Bundestrainer Detlef Glenz: „Wir reden nichts kaputt.“

Simulation ist Teil des Trainings

Simulation von aus der Bahn werfenden Faktoren ist ein fester Bestandteil des Schützentrainings. „Klar ist das beste Training der Wettkampf“, sagt Reitz. „Aber der Trainer gibt in der Vorbereitung schon auch mal bewusst falsche Kommandos, um zu sehen, wie man reagiert. Viele Faktoren sind aber auch physisch vorhanden.“ Er berichtet zum Beispiel von einer etwas spezielleren Olympia-Vorbereitung auf London 2012. Beim Weltcup hatte das deutsche Team das Licht als heller empfunden – und simulierte die Bedingungen in der Vorbereitung in Suhl eben mit zusätzlichen Strahlern.

Wer Christian Reitz im Wettkampf bebachtet, empfindet ihn als extrem ruhig. „Das wird mir öfter so gesagt“, sagt der Regensburger. Im Kopf spielen sich andere Dinge ab. „Ich zeige das nicht so. Jeder hat eine andere Bewältigungsstrategie“, sagt Reitz und nennt als Beispiel das Hilfsmittel seines Weltklasse-Partners Oliver Geis, der die Weltrangliste anführt und in Maribor auch Europameister mit der Schnellfeuerpistole. „Olli malträtiert immer einen Trockensack vom Bowling. Das hilft ihm ungemein. Würde man ihm den wegnehmen, würde ihm etwas fehlen.“

Würde man Christian Reitz aus den Pistolenteams nehmen, würde auch etwas fehlen. „Da bin ich dann der dritte Mann“, hatte er bescheiden über seine Rolle mit der Standardpistole und Zentralfeuerpistole vor der EM gesagt. „Das trainiere ich wenig bis gar nicht, auch wenn gerade bei der Zentralfeuerpistole vieles sehr vertraut ist.“ Der dritte war der beste Mann und bewies, warum man ihn gesetzt hatte und die Spezialisten aus dem Europacup-Team die beiden anderen Plätze in einer Ausscheidung ausschossen.

„Das waren ein paar Ringe zuviel“

Verwundert war Christian Reitz mit der Standardpistole. „Das Ergebnis war fast ein bisschen zu schlecht. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass 573 Ringe zu einer Medaille reichen“, sagt er. „Auch das Mannschaftsgold war eher glücklich. Ein Türke hatte eine Waffenstörung.“ Mit der Zentralfeuerpistole gratulierte die Konkurenz schon während des Wettkampfs, als er uneinholbar war. „Da dachte ich: Jetzt hast du’s übertrieben. Das waren ein paar Ringe zuviel.“ Exakt waren es 595 von 600 möglichen Ringen. Dass er damit einen acht Jahre alten Weltrekord auslöschte, „das wusste ich nicht“.

Auch seine eigene Bestleistung mit der von ihm ja seltener benutzten Waffe pulverisierte er förmlich. Sein persönlicher Rekord bis Maribor? „Da muss ich erst nachschauen.“ Herauskam eine 588, vor zwei Jahren, als Christian Reitz Vize-Europameister geworden war. Bei sovielen Medaillen in so vielen Disziplinen kann man schon mal den Überblick verlieren.