Glosse
Achtung, Hühnergeier!

06.02.2018 | Stand 16.09.2023, 6:09 Uhr

Der Geier, genauer gesagt der Hühnergeier, jagt Federviehhaltern seit jeher einen gehörigen Schrecken ein. Der Hühnergeier ist gnadenlos. Hoch droben am weiß-blauen Firmament patrouilliert der eiskalte Killer über unseren Hühnergärten. Mitunter besitzt er sogar die Dreistheit, auf Bäumen zu lauern, von wo aus er mit seinen Adleraugen ins Tal spechtet, dorthin, wo er Hühner schlagen kann. Und plötzlich – da kann unten der Gockel, der fürsorgliche und stolze Hühnerharemswächter, noch so oft seinen Hals nach oben recken – stößt der Hühnergeier aus heiterem Himmel pfeilschnell und ohne Vorwarnung im Wanderfalken-Tempo 300 unerbittlich und senkrecht hinab in die Tiefe. Sekundenbruchteile später sind vom Opfer nur noch in Blut getränkte Federn Überbleibsel des Massakers. Dem geschockten Gockel bleibt nichts anderes mehr übrig, als mit weithin hörbarem „kikerikiii“ den Verlust einer weiteren Henne zu beklagen. Ja, der Hühnergeier ist ein Monster, das aus den Lüften kommt.

Doch, Not macht Hühnerhalter bisweilen auch erfinderisch. Einmal, in jüngeren Reportertagen, bin ich zu einem verbarrikadierten Hühnergarten gerufen worden. Dort hatte eine clevere Halterin von Federvieh zwischen Bäumen kreuz und quer rot-weiß-rote Absperrbänder gespannt, zu einem derart dichten Netz, das selbst der listigste, gemeinste, stärkste Hühnergeier nicht zu durchbrechen vermochte. Da schaut er ganz schön dumm, der Hühnergeier. Die Hühnerhalterin hat ihm ein Schnippchen geschlagen. Nix war’s mit einem Hühnerfestschmaus.

Dabei, wenn er schon ein echter Geier (?) ist, könnte er sich doch auch abseits des Hühnergartens auf Nahrungssuche begeben. Jeder weiß doch, dass bei Geiern nur Aas und Knochen auf dem Speisenplan stehen. Aber der Hühnergeier, der braucht natürlich eine frische Extra(geflügel)wurscht.