Diskussion in Regensburg
Alltagsrassismus ist allgegenwärtig

28.09.2022 | Stand 15.09.2023, 3:30 Uhr |
Martina Groh-Schad
Auf dem Podium diskutierten: Dogan Cetinkaya (v. l.) vom Integrationsbeirat, Adjoa Yeboah vom Jugendbeirat, Patricia Kowalska von der Beratungsstelle B.U.D. Bayern, EBW-Leiter Dr. Carsten Lenk, Youssouf Issakha und Ivan Mahmoud von Campus Asyl e.V sowie Martina Ortner, Professorin an der OTH − Foto: Groh-Schad

„Rassismus an der Disco-Tür“: Sechs Jahre nach dem Projekt des Jugendbeirats hat sich wenig getan.

Adjoa Yeboah wurde in Landshut geboren. Die Jugendbeirätin der Stadt hat familiäre Wurzeln in Ghana, Deutschland und Portugal. Die Haut der 20-Jährigen ist schwarz. Daher wird sie oft nach ihrer Herkunft gefragt. „Ich komme von überall her“, antwortet die gebürtige Niederbayerin gern und bekommt statt bayerischer Anerkennung zu hören: „Aus Ghana kommst Du also.“ Zumindest war sie dort schon im Urlaub.

Ivan Mahmoud, Beirat von Campus Asyl, hat es schlimm erwischt. Was ist er nun? Russe oder Türke? Der 25-Jährige sieht Deutsch aus, aber wie sieht eigentlich ein Deutscher aus? Ivan stammt aus Syrien und lebt seit 2016 im Land. „Mahmoud ist ein türkischer Vorname“, wurde ihm schon oft bescheinigt und das Wissen abgesprochen, dass es sein Nachname ist. Alltagsrassismus, wie er gegenwärtig ist.

Fachleute und Betroffene diskutierten

Carsten Lenk, Leiter des Evangelischen Bildungswerkes Regensburg, und Youssouf Issakha von Campus Asyl diskutierten im Rahmen der Interkulturellen Wochen auf der Bühne des Turmtheaters im DEZ mit Fachleuten und Betroffenen über ihre Erfahrungen, Perspektiven und den Blickwinkel der Wissenschaft.

Dabei wurden Fragen aufgeworfen – was kann man tun, wenn man Hilfe benötigt? Und wie kann man helfen? Das Ergebnis fällt ernüchternd aus. Sechs Jahre nach dem Projekt „Rassismus an der Disco-Tür“ des Regensburger Jugendbeirats, das bundesweit Aufmerksamkeit erzeugte, hat sich wenig getan. Ein Zuschauer wertet die Einrichtung der Antidiskriminierungsstelle der Stadt als eine direkte Folge der Diskussion und sieht hier eine konkrete Verbesserung. „Es hat eine leichte Sensibilisierung stattgefunden“, so der Eindruck von Dogan Cetinkaya vom Integrationsbeirat. Er weiß, wovon er spricht. Seit 40 Jahren lebt er in Deutschland.

Er ist Akademiker und erlebt trotzdem bis heute, dass sich Menschen wundern, wie er sich ein Haus leisten kann. Der Schelm treibt ihn an, wenn er von seinen Problemen mit dem Sozialamt berichtet, die seine Kredite nicht akzeptieren wollen, um sein Haus abzuzahlen. Er nimmt es mit Humor, in die sich Bitterkeit mischt. Vor allem, wenn er an frühere Jahre denkt, als er nette Telefonate mit Arbeitgebern führte, bis er seinen Namen nennen musste. Seine Sprache ist nicht das Problem. Es ist der Name, der ihn anders macht und selbst am Telefon mehr zählt als alles, was er kann. „Durch solch krassen Rassismus wird man zurückgeworfen.“

Wissenschaftlicher Blick auf Alltagsrassismus

Martina Ortner, Professorin an der OTH Regensburg beschäftigt sich mit dem wissenschaftlichen Blick auf Alltagsrassismus. Die Zeit ist kurz und so kann sie viele Bereiche nur anreißen, wie den „wohlmeinenden Rassismus“, der aufkommt, wenn jemand glaubt, dem Gegenüber etwas Gutes zu tun und in Wahrheit abwertet. Eine Begrifflichkeit, die Patricia Kowalska, Beraterin bei der Beratungsstelle B.U.D. Bayern, auf die Palme bringt. Die Beratungsstelle versteht sich als unabhängige Anlaufstelle bei rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Bayern.

Ihr Rat ist, im Fall von Rassismus Öffentlichkeit herzustellen, Recht durchzusetzen und gemeinsam vorzugehen. „Es ist wichtig, sich gegenseitig zu unterstützen“, betont auch Adjoa Yeboah. „Wenn man Ungerechtigkeit sieht, ist es gut zu helfen und dem Betroffenen das Gefühl zu geben, da zu sein.“

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