Blutspur in die Vergangenheit

23.10.2022 | Stand 15.09.2023, 3:12 Uhr

Silbern ist das Haar geworden, silbern ist das Jubiläum: Seit 25 Jahren ermitteln Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär nun schon am „Tatort“ Köln – und zeigen die wahre Größe verdienter Veteranen.



Ihr neuer Einsatz ist alles andere als ein Geburtstags-Egotrip. Die Oldies können gönnen. Sie überlassen die wichtigste Rolle einer fleißigen Mitarbeiterin, der von Tinka Fürst gespielten Kriminaltechnikerin Natalie Förster.

Die „Spur des Blutes“ (so der Episodentitel) nachzuverfolgen gehört zu den beruflichen Aufgaben der jungen Frau. Doch die DNA-Spur, die an der Leiche der 19-jährigen Prostituierten Lara gefunden wird, ist für Natalie eine sehr spezielle, weil womöglich familiäre. Sie weist hohe Übereinstimmung mit ihrem eigenen Erbgut auf. Und dem geht die Kriminalistin auf eigene Faust nach, hinter dem Rücken der Kommissare Max Ballauf (Behrendt) und Freddy Schenk (Bär).

Denen macht die Vergewaltigung und Ermordung des drogenabhängigen Mädchens, das in einem Kanal am Stadtrand gefunden wird, ziemlich zu schaffen. Immerhin hat Laras Straßenstrich-Freundin Kim das womöglich letzte Auto fotografiert, in das sie eingestiegen ist. Der Halter ist schnell ermittelt, dessen Sohn hat’s ausgeborgt, um seine Jungfernschaft ausgerechnet in einer sogenannten Verrichtungsbox zu verlieren. Hoppla, ging da irgendwas zu schnell? Oder gar nicht? Wurde er von Lara verhöhnt und ist durchgedreht? Alles denkbar, doch dem Pickelgesicht ist so viel Brutalität nicht ernsthaft zuzutrauen. Dann schon eher dem windigen Zuhälter von Kim und Lara, der in der Mordnacht mit dem Opfer in Streit geraten ist.

So weit, so konventionell. Die erste Hälfte des Krimis ist solide, aber nicht viel mehr, auch wenn Regisseurin Tini Tüllmann ihr „Tatort“-Debüt mit peppiger Bildsprache und ungewöhnlichen Kameraperspektiven veredelt. Doch dann tritt eine weitere Hauptfigur auf den Plan: Josef Hader, der wohl beste Kabarettist und zugleich einer der Top-Schauspieler Österreichs. Als Besitzer eines Wohnmobil-Verleihs kommen auch er und sein vorbestrafter Handlanger ins Visier der Kripo, denn einer der Caravans wurde beim Leichenfundort gesichtet.

Aus einem ganz anderen Grund schießt sich Blutspurensucherin Natalie Förster auf den so unscheinbar und hilfsbereit wirkenden Zeitgenossen ein. Als die beiden schließlich aufeinandertreffen, entwickelt sich ein Psycho-Duell, das zum Spannendsten zählt, was der „Tatort“ in den letzten Monaten hervorgebracht hat. Hader gelingt es glänzend, die Zuschauer lange im Unklaren zu lassen, ob er ein harmloser Einzelgänger oder Satan in Menschengestalt ist. Großes TV-Kino. Ein würdiger Jubiläumsfall für Ballauf und Schenk.

„Tatort: Spur des Blutes“ am Sonntag, 23. Oktober, ARD, 20.15 Uhr.