Comedy
Botschafter des schlechten Geschmacks

Mit Hohntiraden und Schmähreden präsentierte sich Harry G vor mehr als 3000 Zuschauern in der Donauarena.

14.05.2017 | Stand 16.09.2023, 6:34 Uhr
Angelika Lukesch

Harry G präsentierte in der Donauarena sein Programm „#HarrydieEhre“. Foto: Niering

Comedians, auch solche, die sich, mehr oder weniger berechtigt, Kabarettisten nennen, wachsen derzeit an jeder Ecke. Manche erreichen einen hohen Bekanntheitsgrad mittels sozialer Netzwerke. Die einen erschaffen sich als Kunstfigur, weil sie meinen, etwas zu sagen zu haben, die anderen, weil sie an einem quälenden Mitteilungsbedürfnis beziehungsweise brennenden Aufmerksamkeitsdefizit leiden. Zumeist reicht den letzteren ein einziges Thema und ein einziger Blickwinkel, um aus dieser statischen Perspektive über alles und jeden (irgend) etwas zu sagen und sich damit als (irgendwie) bekannt oder gar (irgendwie) berühmt zu profilieren.

Ausschließlich ein Thema: Bayern

Der Oberpfälzer Harry G, der in Regensburg zur Schule gegangen ist und hier als Lokalmatador in der Comedy-Szene gefeiert wird, hat sich seit 2013, als er per YouTube über das Oktoberfest und dessen Besucher lästerte, ausschließlich dem Thema Bayern verschrieben. Als grantelnder Urbayer ließ er sich mit seinem ersten Programm „Leben mit dem Isarpreiß“ deutschlandweit über die Beziehungen der Bayern zu allen Formen von Auswärtigen (Nicht-Bayern) aus.

Schon bei diesem Programm war die Substanz überschaubar, denn allzu viel lässt sich auch bei gutem Willen nicht darüber sagen, selbst wenn man mit den verbalen Versatzstücken „Saufen“, „Fressen“, „Leberkäs´“ und „Mia san mia“ Länge gewinnt und das Thema wie einen österreichischen Strudelteig dehnt. Dieses seichte, aber harmlose Programm war hie und da ein Grinsen wert. Es war jedoch vor allem eine Blümchenwiese im Vergleich zu dem Kahlschlag des guten Geschmacks, den Harry G vor mehr als 3000 Besuchern in der Donauarena mit seinem neuen Programm „#HarrydieEhre“ verübte.

Fremdschämen und Wunsch nach vorzeitiger Flucht

Im Mittelpunkt standen, natürlich, wieder die Bayern und der Bayern Verhältnis zu all jenen und all dem, die/was nicht Bayern oder bayerisch sind/ist. Wenn bayerischer Humor darin gipfelt, dass alle anderen Dialekte und Idiome geschmäht und nicht einmal auf besonders gute Weise imitiert werden, dann ist auch die humoristische Ausbeute sehr klein. Die Feststellung, dass die Franken „Bayerns Ossis“ seien, steht hier stellvertretend für viele „Gags“ des Harry G, die frei von Hintersinn, flach oder einfach nur plump waren. Der Comedian handelte die gängigen Themen ab: Angela Merkel („Frei von horizontaler Gesichtsmuskulatur!“), Joggen („Ist die schlimmste Sportart auf der ganzen Welt!“), Veganer („Bitte einen Schweinsbraten mit Knödel, aber ohne Fleisch und Soße und den Knödel roh!“).

Harry Gs Vorzeigebayer ernährt sich von Fleisch und Leberkäse, den er stets „frisst“, und natürlich vom Bier, das er stets „sauft“, denn schließlich ist es ein Grundnahrungsmittel, haha. Schnell verstrickte sich Harry G auch in Widersprüche: Einesteils schimpfte er darüber, dass Bayern von außen als biersaufende Stereotypen wahrgenommen würden, anderenteils malte er den Urbayern genau als solches bierkonsumierendes, Leberkäs „fressendes“ Urviech an die Wand.

Männern legte Harry G ans Herz, in ein veganes Café zu gehen, wenn sie „Titten sehen“ wollten, denn „da stillen alle Frauen. Da kannst alle Titten sehen, große, kleine und Hängetitten“. Haben Männer solche peinlichen Aufforderungen verdient? Und: Was ist lustig daran?

Wenn bayerischer Humor darin gipfelt, dass alle anderen Dialekte und Idiome geschmäht und nicht einmal auf besonders gute Weise imitiert werden, dann ist auch die humoristische Ausbeute sehr klein.

Harry G ist überzeugt, dass erst die Nutzung von allen sozialen Medien inklusive YouTube einen ernst zu nehmenden Menschen komplettiert. Diese Sichtweise nimmt nicht wunder, wenn man weiß, wie der Comedian bekannt wurde. Sein Mütchen kühlte Harry G auch an „den älteren Menschen“, unter anderem an seiner Mutter, stellvertretend für alle Mütter (und überhaupt ältere Menschen ab 50). Die Geschichte, wie er seiner Mutter ein billiges Smartphone schenkte („Lohnt sich ja nicht mehr, für die was Teueres zu kaufen!“) und jene sich so „blöd“ damit anstellte und „wie ein Orang Utan“ auf das Display schlug, war umso peinlicher, als die Mutter im Publikum saß und von Harry G nach seiner Tirade aufgefordert wurde: „Steh doch mal auf, Mama!“. Fremdschämen und der Wunsch nach vorzeitiger Flucht waren allgegenwärtig.

Derb, ordinär und einfallslos

Harry Gs Versuch, den aktuellen Modethemen aller Comedians eigene lustige Seiten abzugewinnen, gipfelte bei ihm in ausfallenden Beschimpfungs- und Schmähtiraden, die derb, ordinär und vom humoristischen Ansatz her einfallslos waren. Auch wenn’s lustig gemeint war, half das nicht über die Geschmacklosigkeit der Darbietung hinweg. Die Themen des Oberpfälzer Comedians sind banal und werden vordergründig und mit großzügiger Verwendung jeglicher Klischees zu Witzen verarbeitet, die man irgendwann schon irgendwo gehört hat, lediglich etwas liebenswürdiger.

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