„Brigitte Mohnhaupt hat ein Recht auf Privatheit“

Regensburger Rechtsanwalt Franz Schwinghammer vertritt Ex-Terroristin / Keine Entschuldigung – aber Verantwortung

29.03.2007 | Stand 29.03.2007, 0:00 Uhr

Von Gustav Norgall, MZ

REGENSBURG. „Das Recht auf Eingliederung in die Gesellschaft und die Persönlichkeitsrechte von Brigitte Mohnhaupt müssen beachtet werden. Sie muss behandelt werden wie jede andere aus der Haft entlassene Person auch.“ Der Regensburger Rechtsanwalt Franz Schwinghammer vertritt seit 15 Jahren die am Sonntag morgen aus der Justizvollzugsanstalt Aichach entlassene Ex-RAF-Terroristin. Gegenüber der MZ betonte Schwinghammer gestern: „Mohnhaupt hat ein Recht auf Privatheit.“ Schwinghammer will die Rechte seiner Mandantin notfalls auch zivilrechtlich schützen.

Verfolgt von Journalisten

Mohnhaupt will künftig in Baden-Württemberg leben. Das bestätigte der Geschäftsführer der privaten Bewährungshilfe „Neustart“ in Stuttgart. Nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom Februar zur Haftentlassung Mohnhaupts muss sie sich in den ersten drei Monaten alle zwei Wochen bei ihrem Bewährungshelfer melden, anschließend ein Mal monatlich. Die Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. Den Wohnort Mohnhaupts gab der Sprecher von „Neustart“ nicht preis. Nach einem Medienbericht könnte Mohnhaupt in Karlsruhe leben und arbeiten.

Mittlerweile versuchen viele Boulevardmedien, den Aufenthaltsort von Mohnhaupt heraus zu finden. Auch vor Schwinghammers Büro versammelten sich Fotografen und wollten Auskunft über seine Mandantin. „Sie haben mich sogar verfolgt und sind mir nachgefahren.“ Erst nach der Drohung mit dem Einschalten der Polizei hätten diese Journalisten von ihm abgelassen.

„Wenn das so weiter geht, wird die Chance für ein neues Leben für Frau Mohnhaupt verbrannt“, warnt Schwinghammer. Mit Hilfe eines auf das Presserecht spezialisierten Kollegen habe man bereits gegen den Springer-Verlag eine Unterlassungsverfügung erwirkt. Die „Bild“-Zeitung hatte unerlaubt neuere Fotos von Mohnhaupt veröffentlicht. Schwinghammer verwies gegenüber der MZ auf die Begründung des Landgerichts Hamburg für diese Verfügung: Die Bemühungen der Justiz, Frau Mohnhaupt auf die Entlassung und ein Leben in Freiheit vorzubereiten, dürften nicht konterkariert werden.

Scharf wandte sich Schwinghammer gegen Kritik von Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) an der Entlassung von Mohnhaupt. Stoiber hatte sie „als Provokation für das Rechtsgefühl der breiten Mehrheit“ bezeichnet. Der Anwalt erinnerte daran, dass die Justizvollzugsanstalt Aichach im Auftrag des Oberlandesgerichts Stuttgart im Laufe des Entlassungsverfahrens mehrere Zukunftsprognosen erstellt habe. „Diese waren über die Jahre hinweg nur positiv.“ Eine Gefährdung der Allgemeinheit nach einer Entlassung sei verneint worden. „Die JVA Aichach liegt aber in Bayern.“ Da ein Entlasssungsverfahren eine Berichtssache sei, sei selbstverständlich immer München, also das Innenministerium und damit auch Stoiber unterrichtet worden. „Es wurde aber niemals etwas unternommen.“ Sich erst jetzt „hinzustellen und auf der Medienwelle zu reiten, ist Populismus pur“.

Die 57-jährige Mohnhaupt gehörte von 1977 bis zu ihrer Festnahme 1982 zur Führungsebene der RAF, zu der sie bereits 1970 gestoßen war. Mohnhaupt gilt als Rädelsführerin der Entführung und Ermordung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977. Sie war auch am Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und an der missglückten Entführung des Bankiers Jürgen Ponto beteiligt, auf den sie die tödlichen Schüsse abgab. Nach ihrer Festnahme wurde sie 1985 zu fünf Mal lebenslang verurteilt. Von ihren 24 Haftjahren verbrachte Mohnhaupt 22 im Frauengefängnis in Aichach.

In der Öffentlichkeit werden immer wieder aktive Zeichen der Reue von entlassenen Terroristen verlangt. Schwinghammer berichtet aus seinen Gesprächen mit Mohnhaupt, dass sie diese Forderungen kenne, aber für sich zu dem Schluss gekommen sei, man könne sich nur entschuldigen, wenn man etwas getan hat, was man wieder gut machen kann. Wenn man den Vater oder den Sohn getötet habe, könne man sich nicht entschuldigen, denn diese Verantwortung trage man ein Leben lang. Die Gutachter, die Mohnhaupts Entlassung befürwortet haben, hätten diese Einstellung als Zeichen der Reue und nicht der Heuchelei bewertet. Außerdem erinnert Schwinghammer daran, dass die Familienangehörigen der Opfer sich oft beklagt hätten, dass sie vom Staat im Stich gelassen worden seien. „Jetzt politisch diese Gefühle zu benutzen, ist daher nicht korrekt.“

Kein Auftritt in Talkshows

Nach Einschätzung von Schwinghammer will sich Mohnhaupt jetzt Zeit nehmen, „um die Veränderungen zu begreifen, die sich in den 24 Jahren ihrer Haftzeit vollzogen haben“. Sie werde eher die Ruhe suchen und auch nicht in Talkshows auftreten. Dies sie auch geboten, „weil sie den Persönlichkeitsschutz nur hat, wenn sie nicht selber in die Öffentlichkeit drängt“. Allerdings schließt Schwinghammer nicht aus, dass Mohnhaupt zu späterer Zeit in einem „ruhigeren Medium“ sich äußern wird. „Sie sieht sich nämlich in der Verantwortung für die damalige Zeit.“