Prozess
Claudia Pechstein geht das Geld aus

Verdienst- und Sponsoren-Ausfälle sowie Anwalts- und Gerichtskosten haben ein Loch in das Budget der Athletin gerissen.

01.07.2015 | Stand 01.07.2015, 17:03 Uhr
Eisschnellläuferin Claudia Pechstein und ihr Lebensgefährte Matthias Große. −Foto: dpa

Diskus-Olympiasieger Robert Harting machte im Bundestag den „finanziellen Ruin“ von Claudia Pechstein öffentlich, nun hat die Eisschnelllauf-Olympiasiegerin in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ihre prekäre Finanzsituation eingestanden. „Mir ist alles genommen worden. Ich habe lernen müssen, damit zu leben“, sagte die 43 Jahre alte Berlinerin.

Beim anstehenden Prozess vor dem Bundesgerichtshof (BGH) fehlt ihr das Geld für einen Anwalt. Ist es ein Hilferuf, um Sponsoren und Unterstützer zu gewinnen? Oder ein Hinweis auf eine drohende Privatinsolvenz? Hier sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Woher kommen die Finanzprobleme?

Wegen ihrer Doping-Sperre von 2009 und 2011 sprangen fast alle Sponsoren ab. Fast 170 000 Euro investierte Pechstein in drei Verfahren mit der ISU, dem Internationalen Sportgerichtshof CAS und dem Schweizer Bundesgericht. Da sie nicht erfolgreich war, musste sie alle Kosten der Gegenseite tragen. Auch ihre eigenen Anwälte waren zu bezahlen. Dazu kommen sechsstellige Verdienstausfälle durch den Ausschluss aus der Sportfördergruppe der Bundespolizei. Ihr Gehalt als Polizeihauptmeisterin gehe vollständig für die Raten drauf, mit denen sie die Honorare der Anwälte abstottert, verriet Pechstein der „FAZ“. Auch ihr Haus sei mit Hypotheken belastet.

Was kosten Anwälte vor dem BGH?

Vor dem Bundesgerichtshof sind nur ausgewählte Anwälte zugelassen. Auf Pechstein kämen beim Streitwert von 4,4 Millionen Euro für den Anwalt 34 299 Euro Verfahrens- sowie 22 369 Euro Termingebühren – plus die jeweilige Mehrwertsteuer – zu, die sie nicht stemmen kann. Sollte sie den Prozess verlieren, müsste sie auch für die Kosten der Gegenseite in gleicher Höhe aufkommen.

Ist der Prozess gefährdet?

Der Bundesgerichtshof wird nach der Revision der ISU in jedem Fall darüber entscheiden, ob er das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 15. Januar bestätigt. Dieses hatte die Klage von Pechstein im Schadenersatzprozess zugelassen. Sollte aber Pechstein aber vor dem BGH sich nicht durch einen Anwalt vertreten lassen können, würden ihre Chancen gravierend sinken.

Gäbe es Prozesskostenhilfe?

Natürlich. Aber diese ist trotz des hohen Streitwerts von 4,4 Millionen mit einer Summe von 30 000 Euro gedeckelt. Für Pechstein entfiele damit eine maximale Unterstützung vonseiten des Staates in Höhe von 1028,10 Euro (Verwaltungsgebühr) und 679,50 (Termingebühr). Dazu muss sie ihre Vermögensverhältnisse komplett offenlegen.

Was ist mit der Anti-Doping-Gesetz-Klage?

Die Berlinerin hat wie Robert Harting und Betty Heidler angekündigt, gegen das Anti-Doping-Gesetz, das am 1. Januar 2016 in Kraft treten soll, zu klagen. Diese Klage würde nicht annähernd so viel Geld verschlingen wie der BGH-Prozess. Sie wehrt sich gegen den Paragrafen 11 des Gesetz-Entwurfs, in dem es um den Zwang der Sportler geht, sich der Sportgerichtsbarkeit zu unterwerfen. „Trotz des Urteils des Münchner Oberlandesgerichtes soll der Schiedszwang jetzt per Gesetz geregelt werden. Damit würden die Verbände noch mehr Macht zur Willkür erhalten“, sagte sie.

Kann Pechstein eine private Insolvenz verhindern?

„Ohne meinen Lebensgefährten Matthias hätte ich das alles nicht durchgestanden“, erklärte sie. Immobilien-Unternehmer Matthias Große, der unter anderem das von ihm erworbene Grundstück rund um den Berliner Müggelturm wieder zu einer Touristen-Attraktion umbauen will, hatte ihr zuletzt finanziell immer Rückhalt gegeben, ihr zu den Olympischen Winterspielen 2014 sogar einen PS-starken Geländewagen der Marke Hummer geschenkt. „Solange ich kann, werde ich verhindern, dass sie in die Privatinsolvenz geht“, erklärte Große.

Ist das ein Hilferuf?

In erster Linie gehe es darum, die Öffentlichkeit aufzuklären, dass man im Sport nur dann zu seinem Recht kommen kann, wenn man entsprechend vermögend ist, sagte ihr Manager Ralf Grengel. „Wenn sich durch diesen Hilferuf der eine oder andere Geldgeber bei uns meldet, wäre das ein angenehmer Begleitumstand“, fügte er hinzu. (dpa)