Medizin
Damit Frühchen gesünder groß werden: Regensburger Kinderklinik hat Herzenswunsch

04.11.2022 | Stand 12.10.2023, 10:27 Uhr
Juliana Ried
Eine kleine Intensivstation: Bei einer Simulation zeigen (von links) Sarah Malfertheiner, Oberärztin in der Geburtsklinik, eine Mutter, die kommissarische Leiterin der Intensivstation Simone Lang und Holger Michel, Oberarzt an der Kinderklinik, wie die mobile Versorgungseinheit für Frühchen funktioniert. −Foto: Julia Gergovich-Klein

Wenn ein Frühchen auf die Welt kommt, muss es oft noch vor dem ersten Atemzug weg von der Mutter. Ein neues Gerät ermöglicht es den Ärzten und Pflegern in der Regensburger Kinderklinik, das Baby noch an der Nabelschnur zu versorgen – aber dafür fehlt Geld.

Für das Kind ist die frühe Trennung von der Mutter ein Risiko, für die Mama ein Drama, so schildert es Sven Matthias Wellmann, Leiter der Früh- und Neugeborenenmedizin der Klinik St. Hedwig. Ein neuer Versorgungstisch könnte das vermeiden.

Unter dem Motto „Herzenswunsch Geburt“ bittet die Kinderklinik um Spenden dafür. Eine „echte Innovation“ nennt Chefarzt Wellmann die Versorgungseinheit, die die Klinik seit dem Sommer gemietet hat und gerne kaufen würde. Noch sei sie selten im Einsatz, weil sie die Arbeit von Ärzten, Pflegern und auch Hebammen verändert und sie sich darauf einstellen müssen. Dank des Tisches können Neugeborene, die allein nicht atmen können, länger an der Nabelschnur bleiben – Minuten, die ihnen zu mehr Chancen auf ein gesundes Leben verhelfen.

Das könnte Sie auch interessieren:https://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/regensburger-kliniken-stehen-unter-druck-muessen-ops-verschoben-werden-21179-art2162828.html

Wellmann erläutert: Wenn ein Kind zehn Wochen, fünfzehn Wochen zu früh zur Welt kommt – oder auch 18 Wochen zu früh, an der Grenze zur Überlebensfähigkeit – dann schreit es nicht, es atmet nicht. Dann gilt in der Regel: Das Kind wird abgenabelt von der „Vollpension“ im Bauch der Mutter, bekommt Hilfe im Erstversorgungsraum. Bis zum ersten Atemzug muss das Kind ohne Sauerstoff und frisches Blut auskommen: „In dieser Zeit ist das Kind nicht versorgt.“

Weniger „Krankheitslast“

Erst nach drei oder fünf Minuten arbeitet die Lunge, das Blut strömt in das Organ. Wenn das Kind da abgenabelt ist, fehlen ihm aber zehn, 15 Prozent Blut. Das kann zum Schock führen, zum Kreislaufzusammenbruch, letztlich dazu, dass der Arzt das Kind wiederbeleben muss. „Wir verlieren kaum ein Kind“, erklärt Wellmann. Aber durch Versorgung an der Nabelschnur könne die Klinik die „Krankheitslast“ reduzieren.

Das könnte Sie auch interessieren:https://www.mittelbayerische.de/region/regensburg-stadt-nachrichten/regensburger-krankenhaeuser-kommen-oft-an-die-belastungsgrenze-21179-art2164791.html

Weniger Kinder bräuchten dann eine Bluttransfusion; bisher benötigen diese zwei von drei Kindern, die mit weniger als 1000 Gramm geboren werden. Etwa 50 so kleine Kinder kommen im Jahr in der Hedwigsklinik zur Welt. Jedes Fünfte hat eine Hirnblutung, ebenso viele werden chronisch lungenkrank. Auch dieses Risiko reduziere der Versorgungstisch. Knapp 100 Babys im Jahr sind bei der Geburt in der Regensburger Hedwigsklinik leichter als 1500 Gramm. Auch sie bräuchten zu 90 Prozent eine Beatmung oder Hilfe beim Atmen. Vom Tisch würden aber auch Kinder profitieren, die etwas größer sind oder angeborene Fehlbildungen haben, so Wellmann.

Die Mütter profitierten vor allem emotional, weil sie miterleben könnten, wenn das Kind rosig wird, den ersten Ton von sich gibt, sich bewegt: „Das ist für ihr Selbstwertgefühl, für die Psyche ganz wichtig. Das kann man nicht nachholen.“ 30, 40 Prozent der Mütter von sehr früh Geborenen entwickelten eine Wochenbettdepression.

Klamme Krankenhäuser

Allerdings kostet nur das „Skelett“ der Erstversorgungseinheit 40.000 Euro. So viel Spenden wolle er mindestens einwerben, sagt Wellmann. Er erklärt: „Die Krankenhäuser sind klamm. Gerade in der Kindermedizin sind sie finanziell wie ausgeblutet. Für Neuanschaffungen ist es gerade in der jetzigen Zeit sehr hilfreich, wenn da noch Unterstützung durch Spendengelder ermöglicht wird.“ Der Preis samt Ausstattung, mit Wärmelampe, mit Monitor, mit Beatmungsgerät, liege bei 100.000 Euro, dazu kommen Trainingskosten.

Das weiß auch Bernadette Dechant, Vize-Vorsitzende der Regensburger Frauen-Union. Sie las, dass andere Kliniken in Bayern den Tisch nutzen, um kranke und schwache Neugeborene nah bei der Mutter bestmöglich zu versorgen – und erfuhr von Wellmann, dass auch die Hedwigsklinik das möchte. So kam es dazu, dass die Frauen-Union in Stadt und Landkreis um Spenden bittet für das Projekt. „Das ist ein Herzenswunsch, dass wir für den ostbayerischen Raum diese Erstversorgungseinheit realisieren können.“

Auch ein Elternpaar, das selbst eine zu früh geborene Tochter hat, unterstützt die Klinik. Martina Kulzer ist mittlerweile seit mehr als einem Jahr zuhause mit ihrer kleinen Tochter, denkt aber noch oft zurück an die drei Monate, die die Kleine in der Hedwigsklinik verbringen musste. „Wir sind unglaublich dankbar für das, was für unser Kind getan worden ist.“ Nun wirbt die 32-Jährige aus dem Landkreis Cham um Spenden für das „Projekt Herzenswunsch“. Da sich das Ehepaar in der Blaskapelle Wörth an der Donau engagiert, kam es dazu, dass jetzt auch auf dem Kreiskonzert des Nordbayerischen Musikbundes um Spenden für die Erstversorgungseinheit gebeten wurde. Wer etwas gebe, helfe vielen Kindern und Familien aus der Region, sagt Kulzer. „Es kann jeden treffen.“

Die Spenden-Bitte

Die Klinik:St. Hedwig ist mit etwa 3500 Geburten eines der größten Zentren in Deutschland zur Versorgung von Früh- und Neugeborenen. Vor allem Babys unter 2000 Gramm – das sind etwa 200 im Jahr – würde der Versorgungstisch helfen.

Das Spendenkonto:Klinik St. Hedwig, IBAN DE04750500000000000802