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Das Mädchen mit dem göttlichen Schwung

Ein Video zeigt Marie-Agnes Fischer bei einem ihrer ersten Abschläge. Schon mit 6 Jahren schien sie nah am perfekten Golf.

30.06.2018 | Stand 16.09.2023, 6:10 Uhr
Helmut Wanner

Dieses Mädchen berechtigt zu den höchsten Hoffnungen: Marie Agnes Fischer (12) in der Indooranlage Foto: Wanner

Das kurze Video macht in Golflehrerkreisen die Runde. Damals war Marie-Agnes Fischer 6 Jahre alt und hatte gerade ein Wochenende mit dem Trainer Derreck McKenzie hinter sich. Das Bewegtbild zeigt: Der perfekte Schwung scheint ihr angeboren.

Sechs Jahre und Tausende Trainingsstunden am Golfplatz Thiergarten später treffen wir die Gymnasiastin in der elterlichen Wohnung in der Von-der-Tannstraße 36. Gegolft kann im Winter auch hier werden. Im T-Shirt mit der Aufschrift „Perfect“ stützt sich die 12-Jährige in der Indooranlage auf ihr Eisen. Sie kommt alsstrahlende Doppelsiegerinvon der Bayerischen Meisterschaft in der Altersklasse 12 und 14. Ihre direkte Altersklasse hat sie regelrecht dominiert. Sie gewann mit 36 Schlägen Vorsprung.

Regensburger Olympia-Hoffnung

Ihr stolzer Vater, Dr. Thomas Fischer, vergleicht das mit anderen Sportarten: „Bei einem Skirennen wären das zwei Minuten Vorsprung.“ Marie-Agnes sammelt Titel: Süddeutsche Meisterin, Siegerin der Talentiade, Nummer 1 der deutschen und Bayerischen Rangliste, jüngste Bundesligaspielerin aller Zeiten in der deutschen Golfliga und vielleicht künftige Olympionikin. „Bei der Olympiade 2024 will ich gewinnen“, sagt das Mitglied des Golf- und Landclubs Regensburg. Die Olympiade in Tokyo 2020 kommt zu früh. Dann ist sie erst 14 Jahre alt. Sie hat jetzt das Handicap 4,6.

Wer ist dieses Mädchen Marie-Agnes Fischer, das sich für jeden Sport begeistert, Theater spielt, vom Film träumt und Cello, Waldhorn und Gitarre übt? Ja, mit dem Cello hat sie auch noch einen ersten Platz in Jugend musiziert gemacht.

Bilder einer jungen, aber steilen Karriere:

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Eine Schultüte hat sie nie bekommen, weil sie nie eingeschult wurde. Mehr als die Hälfte ihres jungen Lebens hat die Tochter des VW-Managers in China zugebracht. Dr. Thomas Fischer ist ein Wirtschaftspionier im Land der Mitte. Erst zu Beginn der 4. Klasse wechselte sie in den normalen Schulbetrieb. Sie besuchte die Von-der-Tann-Schule und schaffte spielend den Übertritt ins Gymnasium der Englischen Fräulein. Marie-Agnes besucht das St Marien Gymnasium in Regensburg - stolz und mit Überzeugung spricht sie von ihrer Schule als „Schule mit Herzensbildung“ und dass es in ihrer Schule sogar eine Hauskapelle gibt, als Klassensprecherin ist sie für ihre Mitschüler da und wirkt mit in der Imkerei, in der Theatergruppe, sowie als Cellistin mit einem ersten Preis bei „Jugend musiziert“ im Schulorchester wie auch im deutschen Celloorchester und als Gasthornistin in der traditionsreichen Big Band des AAG .

In ihrer Schule trifft man sie nicht nur im Klassenzimmer und der Pausenhalle immer fröhlich und gut gelaunt in der Schar ihrer Freundinnen an, sondern auch mal in in stiller Andacht in der Schulkapelle oder im Spagat, Rad schlagend und auf Handstand marschierend in der bewegten Pause in der Turnhalle.

Sie liebt Sprachen und eifert hier ihrem Vater nach. Und natürlich Sport, wo sie sehr von ihrer Schule und ihrer Lehrerin Frau Seitz gefördert wird. Besonders interessant findet sie Geschichte und Biologie - vor allem wenn Raum zur Diskussion bleibt, Dann kann man von der Geschichte lernen. Vor allem vom Biologieunterricht wünscht sie sich, dass er nicht nur nach Lehrplan lauft, sondern gerade die jungen Menschen sensibilisiert zum Umwelt - und Naturschutz.-

Die Golf-Karriere von Marie-Agnes Fischer begann 2012 mitten in Zentralasien. Auf einem Golfplatz in Urumqui, Provinz Xinjiang, der am weitesten von einem Meer entfernten Hauptstadt der Welt. Dr. Fischer baute dort ein VW-Werk auf. Und was tut man da als Familie? Golf spielen. Die Langeweile ist die Muse vieler Genies.

Aufgewachsen am Golfplatz

Während der ersten Zeit wohnte die Familie direkt am 18-Loch-Platz in einem Apartmenthotel. Mutter Isabelle, eine Französin, unterrichtete Marie Agnes selbst. Den Rest des Tages verbrachte ihre Tochter auf dem Golfplatz. Das blieb nicht ohne Folgen: Im Golfclub von Urumqui ist sie mit einer Plakette verewigt. Sie gilt dort als die jüngste Spielerin, die ein sogenanntes „hole in one“ schaffte. Mit 9 Jahren traf sie aus einer Entfernung von 135 Yards (123,44 Meter) vom Abschlag direkt ins Loch. Der Preis dafür war Reisschnaps. Die Flasche war größer als sie selbst.

So hochfliegend sie in ihren Träumen ist, so bodenständig ist sie zugleich. Geboren ist Marie-Agnes an Maria Lichtmess 2006 in Cham. Das ist ihrem Vater, einem tiefgläubigen Katholiken, wichtig. Thomas Fischer ist ein Phänomen. Das Albrecht-Altdorfer-Gymnasium schloss er mit 1,0 ab. Neben Englisch, Griechisch und Latein lernte er während der Schulzeit alle romanischen Sprachen. Auch Russisch, Chinesisch und Japanisch spricht er. Mit 28 Jahren hatte er zwei Doktortitel in der Tasche, in Philosophie und in Jura. Damit, heißt es, kann man die Welt aus den Angeln heben. Fischer war zur Geburt von Marie-Agnes gewechselt von Volkswagen aus Wolfsburg nach Cham, wo er in der Unternehmensleitung der Zollner Elektronik AG mit Sitz in Zandt/ Cham verantwortlich war für den Standortaufbau der Zollner Gruppe in China und die Geschäftsentwicklung in China und Asien. VW holte ihn wieder zurück. Jeden Schritt absolviert er mit Gottvertrauen. „Man muss sich selber loslassen, dann fliegen einem die Dinge zu.“ Heute pendelt der 48-Jährige zwischen Urumqui, Wolfsburg und Regensburg.

Seine Klasse und Gelassenheit übertragen sich auf die Familie. Wie beim anhaltend erfolgreichen Golfprofi Bernhard Langer lautet bei Marie-Agnes Fischer die Hierarchie so: Erst Gott, dann Golf. Marie-Agnes dient als Ministrantin in der Dompfarrei, trägt bei der Fronleichnamsprozession das Kreuz und ist Sternsingerin. Bei Wettkämpfen betet einer inständig für sie: Vernon Fox, der behinderte, aber geniale Organist mit dem Draht nach oben (die MZ berichtete). Vernon bestürmt vor Wettkämpfen mit rührenden Worten den Himmel. Beim Abschlag, sagt sie, sei sie wie in Trance. Ihre mentale und spirituelle Stärke macht den Unterschied in einem scharfen Wettbewerb mit vielen guten Sportlern und Top-Athleten. Ihr 2009 verstorbener schwerbehinderter Bruder Louis begleitet sie ständig. Das Bild des hübschen Jungen steht auf der Anrichte im Speisezimmer. Immer stehen frische Blumen bei ihm. Marie-Agnes vertraut ihm als ihrem Schutzengel.