Lebensmittel
Das Metzgerhandwerk blutet langsam aus

Fachkräftemisere, Imageprobleme, Supermarkt-Konkurrenz: Kleine Metzgerbetriebe in Schwandorf sind eine gefährdete Art.

14.02.2019 | Stand 16.09.2023, 5:46 Uhr
Reinhold Willfurth

Die Messer sind gewetzt: Kleine Metzgerbetriebe haben es nicht leicht. Foto: Patrick Pleul/dpa

Die Metzgerei Meindl in der Fronberger Straße erfreute sich aus mehreren Gründen großer Beliebtheit bei ihrer Kundschaft. Der Laden hatte erstens eine Art Monopolstellung in einem Stadtteil mit vierstelliger Einwohnerzahl, der aber abgesehen von einem Bäcker keine Einkaufsmöglichkeit hat. Zweitens versorgte die verkehrsgünstig gelegene Metzgerei Handwerker und andere Laufkundschaft mit deftigen Brotzeiten, die sich drittens, glaubt man den Urteilen in sozialen Medien, durch eine sehr gute Qualität auszeichnen. So konnte es nicht verwundern, dass im Netz und im wirklichen Leben eifrig darüber diskutiert wurde, warum „der Meindl“ aller Beliebtheit zum Trotz zu Beginn des Jahres seinen Laden zusperrte.

Die Fronberger haben immerhin das Glück, dass ihr Stadtteil nicht das Los vieler Landgemeinden teilt und ganz ohne Metzger dasteht: Der Weidener Fleischereibetrieb Hausner übernahm die Filiale mitsamt dem Personal und stellte damit den Frieden in der aufgewühlten Online-Diskussion wieder einigermaßen her.

„Wir könnten locker zehn Lehrlinge einstellen“

Die Fachkräfte-Misere in der Branche aber geht ungebremst weiter. Keine Handwerkssparte leidet so unter dem Nachwuchsmangel wie die Fleischer. Von Erfolgsmeldungen wie dem in dieser Woche vermeldeten erneuten Lehrlingszuwachs im ostbayerischen Handwerk können sie nur träumen. Günther Meindl will nicht ausschließen, dass er weitere Filialen zusperren muss, „wenn’s so weitergeht“. Zehn Lehrlinge könnte er „locker unterbringen“ in seinem Betrieb in Schönsee. Derzeitiger Stand: Null Azubis.

Es hapert nicht nur bei den künftigen Metzgergesellen. Auch bei den Fachverkäuferinnen sei die Lage kritisch, sagt der Schwandorfer Innungsobermeister Ernst Maler. Und wenn ein Betrieb dann eine Azubi für den Verkauf einstelle, gebe es oft Probleme im Umgang mit der Kundschaft. „Die jungen Frauen sind oft so schüchtern“, hat Maler von seinen Meisterkollegen erfahren.

Vier Läden hätten sich in den vergangenen Jahren aus der Stadt Schwandorf zurückgezogen. Mit 27 Betrieben sei die Zahl der Metzgereien im Innungsbereich „noch stabil“. Doch auf eine Trendwende hofft Maler bislang vergebens. An der Bezahlung könne es nicht liegen, ist sich der Obermeister sicher. Im dritten Lehrjahr verdienten Azubis, egal ob im Schlacht- oder im Verkaufsraum, knapp 1000 Euro im Monat. Ein guter Geselle mit vier Jahren Berufserfahrung bringe netto 1600 bis 1800 Euro nach Hause. Teilweise werde auch über Tarif bezahlt.

Dass das Metzgerhandwerk teilweise mit Imageproblemen zu kämpfen hat, ist Ernst Maler bewusst. Das Handwerk bestehe aber längst nicht aus „Fleisch und Wurst und Blut“. Veredelung vom Fingerfood bis Feinkost spiele eine immer größere Rolle, Schlachten in eigenen Räumen werde seltener. Einen Wandel der Haltung, der sich negativ auf den Umsatz auswirken kann, hat Maler auch bei seinen Kunden festgestellt. „Vor allem junge Familien wollen wissen, woher die Tiere kommen“. Wehe dem Betrieb, der darauf keine befriedigende Antwort hat.

Kleine Betriebe stehen extrem unter Druck

Weniger Fleisch, mehr Qualität: Auf diesen klaren Trend müssten sich er und seine Kollegen einstellen, sagt der Metzgermeister. Dumm nur, dass ein für kleinere Betriebe durchaus lukrativer Trend ausschließlich in den Großstädten verortet und in Schwandorf noch nicht angekommen sei: Langsam gereifte, teuere Stücke, vor allem vom Rind („dry aged“) seien beim Kunden in der Region nicht gefragt. Eine dritte Hürde für die kleinen Betriebe hat Maler ausgemacht: Die Auflagen würden immer mehr, die Bürokratie immer aufwendiger. „Von der Schlachtung bis zur Verkaufstheke sind über 20 Stichpunkte zu bearbeiten“ zählt Maler auf.

Hans Schmidt, stellvertretender Geschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz, sieht im Trend zu mehr Regionalität und Qualität einen Hoffnungsschimmer für die kleinen Metzger vor Ort. Für die jüngste Vergangenheit und die Gegenwart liefert Schmidt ernüchternde Fakten. 40 Lehrverträge wurden demnach 2017 für das Metzgerhandwerk oberpfalzweit abgeschlossen. Im Ausbildungsjahr 2018 sind es nur mehr 25.

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