Berauschend barockmäßig
Das Münchner Bach-Orchester begeisterte im Regensburger Reichssaal

21.05.2023 | Stand 14.09.2023, 23:59 Uhr
Claudia Böckel
Das Publikum tobte nach den sechs Brandenburgischen Spiegelkonzerten des Bach Orchesters München. −Foto: altrofoto.de

Sechs Brandenburgische Spiegelkonzerte von Johann Sebastian Bach? Was hat man da zu erwarten? Der Flyer der Regensburger Rathauskonzerte gibt nicht viel Antwort.

Das von Karl Richter 1954 gegründete Münchner Bach-Orchester unter der Leitung des als Dirigent und Konzertorganist tätigen Hansjörg Albrecht spielte in großen Konzertzyklen Bachs Brandenburgische Konzerte immer wieder.

Nun wünschte man sich mehr. Christoph und Lorenz Eglhuber, Vater und Sohn, Theorbist und Oboist aus Freising, fertigten ein Pasticcio an, eine Rekonstruktion eines mutmaßlichen zweiten Teils der Brandenburgischen Konzerte, kompiliert, zusammengestellt also, aus Kantaten, Sonaten, Suiten- und Konzertsätzen des größten Barockkomponisten. Bach selbst wandte diese sogenannte Parodietechnik nur bei Vokalmusik an, verwendete ältere Kompositionen aus eigener Feder, textierte sie neu und schaffte es so, jeden Sonntag wieder eine neue Kantate zur Aufführung zu bringen.

Bei den Spiegelkonzerten hat man nun versucht, die Besetzung und Faktur der Originalkonzerte möglichst analog zu realisieren, die bunte Abfolge großer und kleinerer Besetzungen beizubehalten und die Musik in historischer Satztechnik in Bachscher Manier zu arrangieren. Brandenburgische 2.0 quasi.

Während der Pandemiezeit entstanden diese Versionen am Schreibtisch, wurden probiert und diskutiert. Als Albrecht dann eine Gesamtaufführung anpeilte, wurden Updates erstellt, überarbeitet. Im Reichssaal in Regensburg gab es die Erstaufführung dieser Konzerte, weiter geht es dann zum Leipziger Bachfest.

Berauschend barockmäßig klingen alle sechs Konzerte. Dennoch scheinen sich manche Vorlagen besser zu eignen als andere. Das I. Concerto ist das am größten besetzte: 2 Hörner, 2 Oboen, Fagott, Solovioline, Streicher und Basso continuo konzertieren da miteinander. Dabei gab es die größten Probleme mit der Balance. Die Violine kaum hörbar, die Bläser wuchtig und dick, die Streicher indifferent. Ein vielteiliges Menuett stand am Schluss. Das III. Concerto gelang dann doch gleich viel duftiger, trotz des etwas ungelenken Übergangs vom Violinsolo aus der Partita 1 zum letzten Satz. Da könnte man vielleicht noch nachbessern. Das IV. Konzert mit Blockflöten und Violine bot dagegen ein sehr schönes Klanggemisch, die Geige konnte strahlen, man spielte schwingend und historisch informiert. Blockflöten sind halt doch historischere Instrumente als moderne Hörner und fügen sich viel besser mit der schlanken Spielweise des Orchesters zusammen. Der zweite Teil des Konzertes schien in sich viel geschlossener. Für das VI. Konzert mit tiefen Streichern hatte man als Vorlage die Gambensonate g-Moll gewählt, alle drei Sätze, und die Solostimme klug aufgeteilt auf die Solisten. Alles geriet sehr gut durchhörbar, die Bratschen standen im Rampenlicht. Beim V. Konzert hat man aus einer Orgeltriosonate eine Triosonate für Flöte, Solovioline und konzertierendes Cembalo gemacht, als Adaption sehr gut geeignet, angereichert wie im Original mit einer ausufernden Solokadenz des Cembalos, sehr beeindruckend. Das II. Concerto mit vielen Solisten beschloss das Konzert, geschmeidig in der Machart und der Spielweise. Mit modernem Instrumentarium so viel barocke Klangvielfalt zu zeigen, ist das Verdienst des Münchner Bach-Orchesters, das in den letzten Jahren noch viel an historischer Klangkultur entwickelt hat. Das Publikum tobte ob dieser gelungenen Erweiterung.