Landwirtschaft
„Das muss man sich erst mal trauen“

Mutige Initiative in der Krise: Familie Scheibinger eröffnet in Klardorf eine Milchtankstelle – die vierte im Landkreis.

12.09.2016 | Stand 16.09.2023, 6:49 Uhr
Maria Scheibinger und ihre Familie bekamen zur Eröffnung der neuen Milchtankstelle Besuch von der Bayerischen Milchprinzessin Eva-Maria Bäuml. Johanna und Thomas, Nichte und Neffe von Maria Scheibinger durften die frisch gezapfte Milch probieren. −Foto: Lorenz

Maria Scheibinger hat nicht lang gezögert:Als sie vor kurzem die Milchtankstelle von Familie Roidl aus Irlach gesehen hatte,beschloss sie zusammen mit ihrer Familie, am eigenen Hof in Klardorf ebenfalls eine solche Zapfsäule einzurichten. „Das ging bei uns ruckzuck“, sagt sie. Am Montagvormittag wurde die neue Milchtankstelle offiziell eingeweiht – mittlerweile die vierte im Landkreis Schwandorf. Alle Betreiber der Zapfsäulen haben eines gemeinsam: Sie wollen dem für die Landwirte dramatisch niedrigen Milchpreis mit dem Prinzip der Direktvermarktung entgegentreten.

„Das ist Innovation“, lobt Alfred Bauer, stellvertretender Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands, das Projekt der Scheibingers. Die Zeiten für Landwirte seien nicht gerade rosig, doch vom Jammern allein werde die Situation nun einmal nicht besser. „Wir brauchen Leute, die die Initiative ergreifen“, sagt er. Derzeit bewegt sich seinen Worten zufolge der Grundpreis, den die Landwirte in der Region für den Liter Milch bekommen, bei rund 20,5 Cent. Mit Zuschlägen, zum Beispiel für einen hohen Eiweiß- oder Fettanteil, könne ein Milchbauer rund 23 Cent pro Liter erzielen – eine ernüchternde Zahl.

Viele Bauern müssen kämpfen

Von den oft geforderten 40 Cent, die die Landwirte für eine kostendeckende Produktion benötigen, ist man damit weit entfernt. Immerhin ist laut Bauer der Milchpreis im August um 0,5 Cent pro Liter gestiegen. „Wir wissen aber nicht, ob wir die Talsohle bereits durchschritten haben“, sagt Bauer. Besonders Betriebe im Landkreis, die in letzter Zeit größere Investitionen getätigt haben, kämpfen seiner Einschätzung nach schwer mit der Rückzahlung ihrer Kredite.

Umso mehr freut sich der stellvertretende BBV-Kreisobmann, wenn Landwirte selbst die Initiative ergreifen. Bei Familie Scheibinger sei das Projekt allein schon wegen der Lage des Betriebs an der B15 mit dem vielen Durchgangsverkehr erfolgversprechend. Das Prinzip der Direktvermarktung gehört außerdem auf dem Hof in Klardorf schon seit 20 Jahren fest zum Betriebsablauf, denn hier können sich die Kunden mit den verschiedensten Wurstsorten und im Winter auch mit Rindfleisch eindecken.

Rund um die Uhr geöffnet

Nun können die Verbraucher auch noch rund um die Uhr an die Milchzapfsäule im hölzernen Gartenhäuschen auf dem Hof kommen und sich zum Preis von einem Euro pro Liter frische und auf rund vier Grad heruntergekühlte Rohmilch abfüllen – entweder in selbst mitgebrachte Gefäße oder in Glasflaschen, die es in der Milchtankstelle zu kaufen gibt. Geöffnet hat die Zapfsäule bereits seit vergangenem Donnerstag, und die Familie ist mit der bisherigen Resonanz sehr zufrieden.

Auf Mittelbayerische Maps finden SIe Milchtankstellen in der Region:

Genügend Kunden sind wichtig, um die Investitionskosten, die für den Automaten bei 14500 Euro lagen, wieder hereinzuholen. Viel Lob gab es bei der Eröffnung deshalb von Oberbürgermeister Andreas Feller. „Ich habe Respekt vor dieser Idee – das muss man sich erst mal trauen“, sagte er. Mit der Milchtankstelle besetze die Familie Scheibinger eine Nische. Kunden werde es dank der Nähe zur Großen Kreisstadt genügend geben – und mit der Zapfstelle könne die Familie auch noch mehr Kunden für ihr Fleisch gewinnen, das ebenfalls direkt ab Hof verkauft werde.

Auch Reinhold Witt, Leiter des Amt für Landwirtschafts, zeigte sich erfreut über die Initiative der Scheibingers, die sich mittlerweile schon zu Direktvermarktungsprofis entwickelt hätten.

Wie das neue Angebot in Klardorf von den Kunden angenommen wird, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Vor gut drei Monaten bereits hat Familie Roidl aus dem Wackersdorfer Ortsteil Irlach ihre Milchtankstelle in Betrieb genommen. „Wir sind bisher sehr zufrieden“, sagt Elisabeth Roidl.

Viele Stammkunden

In den ersten Wochen nach der Eröffnung hat die Bäuerin pro Tag rund 100 Liter Milch über die Tankstelle abgesetzt, mittlerweile haben sich die Verkaufszahlen bei durchschnittlich 50 Liter pro Tag eingependelt. Unter den Abnehmern seien viele Stammkunden, aber auch immer wieder Neugierige, die sich für das Konzept der Milchtankstelle interessieren und auch gern einen Blick in den Kuhstall werfen wollen.

Besonders zufrieden ist Roidl mit dem Kontakt zu ihren Kunden. „Es kommen so nette Leute zu uns, die sich richtig darüber freuen, dass es unser Angebot gibt“, sagt sie. Angst vor der neuen Konkurrenz in Klardorf hat sie nicht. Der Hof der Familie Scheibinger sei zu weit weg, um ihre Kunden wegzulocken, die hauptsächlich aus Wackersdorf, Steinberg oder Niederhof und dem Kreuzbergviertel nach Irlach kommen.

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