Menschen
Das unsichtbare Band der Heimat

Thomas Schrödl (37) ist seit zwei Jahren Ortsbetreuer von Grafenried. Eine Amerikanerin ist daran nicht ganz unschuldig.

02.05.2018 | Stand 16.09.2023, 6:04 Uhr

Ein Herz und eine Seele, anders ist das Miteinander von Thomas Schrödl und Judith Ann Mandrgoc nicht beschreiben. Seine amerikanische Verwandte ist nicht ganz unschuldig daran, dass sich der 37-Jährige für das Amt des Ortsbetreuers von Grafenried zur Verfügung gestellt hat. Foto: Schoplocher

Als sich das Leben der Bewohner von Grafenried auf den Kopf stellte, war Thomas Schrödl noch lange nicht geboren. Genauer gesagt, sollte es noch 36 Jahre dauern, ehe der Baden-Württemberger das Licht er Welt erblickt. Dennoch ist Thomas Schrödl seit zwei Jahren Ortsbetreuer der Heimatgemeinde, die er nur als „verschwundenes Dorf“ kennt.

Nein, Grafenried als seine Heimat zu bezeichnen, würde zu weit führen, erzählt der 37-Jährige am Rande des diesjährigenHeimattreffens. Aber er spüre einen ganz starken Bezug: Sein Vater wurde in Grafenried getauft, als seine Großeltern 1992 ein einziges Mal nach der Vertreibung die ehemalige Heimat besuchten, stand der Stall des Opas noch. Das war ein Schlüsselmoment, sagt Thomas Schrödl. „Da habe ich Feuer gefangen.“

Was das Betreten von Grafenrieder Boden auszulösen vermag, kann auch Judith Ann Mandrgoc (geborene Zangel) berichten. „Ich habe geweint“, sagt die Amerikanerin, die seit Jahren Ehrengast bei den Treffen ist. „Das ist der Weg, den meine Oma gegangen ist“, beschreibt sie ihre Gefühle – immer noch sehr emotional, als wäre das nicht 1999, sondern gestern gewesen.

Die vierfache Mutter war es auch, die Thomas Schrödl Anfang der 2000er Jahre ein Computerprogramm für die Erstellung von Familienstammbäumen geschenkt hatte. Die Forschungsarbeit, der sich der 37-Jährige daraufhin verschrieben hat, fasziniert ihn noch immer. „Das ganze Dorf hängt irgendwie zusammen“, berichtet er. „Das ist wohl auch der Grund, warum wir uns so gut verstehen“, ergänzt Mandrgoc lächelnd. „Es ist wie ein Band zwischen uns.“

Endlich wieder Jüngere

Das Durchschnittsalter der Männer und Frauen, die zu den Treffen kommen, schätzen beide auf „zwischen 70 und 75“. Natürlich sei da das ein oder andere Mal der Gedanke aufgetaucht, wie das weitergehen soll – Schrödl war jahrelang der Jüngste, sein Vater oft der Zweitjüngste. Mittlerweile aber lassen sich neue Gesichter – sogar im Teenageralter – blicken, was nicht nur beim Ortsbetreuer für Zuversicht sorgt. Einer der „Fast-Neuen“ ist sein Cousin Jörg Fürstenberger. „Man muss einmal da gewesen sein“, nennt er als Schlüssel zur Bewusstseinsbildung.

Ein Museum? Sehr gut

Die Umstehenden sehen das geplanteFreilichtmuseumpositiv, „als Mahnung und Erinnerung“, formuliert es Judith Mandrgoc. Thomas Schrödl, der seine Rolle unpolitisch sieht und sich nicht in sudetendeutschen Fragen oder Verbänden engagiert, betont, dass es bei den Veranstaltungen in Grafenried immer um Völkerverständigung, den europäischen Gedanken und das Miteinander geht. „Alles steht im Zeichen der Versöhnung.“

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