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Der älteste Speedsurfer der Welt

Wer 90 wird, freut sich, wenn er noch drauf anstoßen kann. Hans Lauterbach floh nach Tunesien zum Windsurfen.

20.11.2015 | Stand 16.09.2023, 7:00 Uhr
Helmut Wanner

Tunesien, Mahdia Beach. Das Bade-Resort erlebte im September eine stille Weltsensation. Ein Greis surfte mit 40 km/h die Mittelmeerwellen ab, statt an seinem Geburtstagskuchen 90 Kerzen auszublasen.

Jetzt ist er wieder zu Hause in seiner Parterrewohnung in einem Mehrfamilienhaus am Eisbuckel. Hans Lauterbach öffnet wie ein Farmer in Jeans und Texas-Hemd mit Leder-Applikationen. Er ist ja oft bei Verwandten in Amerika. „In den Staaten haben sie mich wegen meines Akzents gefragt, ob ich aus New Jersey komm.“

Sein Blick ist scharf, sein Händedruck lässt einen beinahe in die Knie gehen. Er hört besser als seine Frau, die 13 Jahre jünger ist. Die Brille setzt er nur gegen den Wind auf. „Und beim Radlfahren gegen die Fliegen.“

Konkurrent „Magoo“ starb mit 85

Offiziell wird der Sport von 10 bis 75 Jahren ausgeübt. Hans Lauterbach ist weit drüber. Er ist heute eine Klasse für sich. Der 1925 in Weiden geborene ehemalige Kampfflieger, Autokran-Pilot bei Sarnes und Mittelgewichtsringer ist der älteste Speedsurfer der Welt. Ältere Windsurfer kennt das weltweite Netz nicht. Sein einziger Konkurrent, Barry „Magoo“ McGuigan, starb vergangenes Jahr mit 85 Jahren an einem Krebsleiden.

„Magoo“ McGuigan war Australier, eine Legende bei den Windsurfern der berühmten Bondi Beach von Sydney, Lauterbach ist eine Legende vom Guggenberger Weiher. Am Guggi draußen kennen sie ihn alle.

„Weiß d‘ es noch, wie die Möwen auf den Eisschollen gesessen sind und dir zugeschaut haben“, erinnern ihn die Surfer-Kollegen an seine ganz wilden Zeiten. „Damals stand ich sogar im Winter auf dem Brett. Mit einem weißen Teil von Helly Hansen und einem Trainingsanzug drunter.“ Jetzt hat er sein Brett zusammen mit den drei Segeln, das größte mit achteinhalb Metern, in der Garage eingewintert - beim ebenfalls noch recht rüstigen roten Renault 19.

Im Herbst und Winter steigt er auf eines seiner Mountainbikes. Da strampelt er vollgefedert den Ziegetsberg hoch, am Johannistift vorbei, weil da am Stück bei Karthaus eine schöne 23- Prozent-Steigung ist. Nein, den Mittelfinger fährt er nicht aus, wenn er am Altenheim vorbeirollt. Aber innerlich ist es ihm schon jedesmal ein Vorbeimarsch.

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Surfen trainiert Arme und Bein

Die Wände seines Arbeitszimmer sind gepflastert mit Fotos von sich und den Seinen. Sie zeigen ihn braungebrannt als Modellathlet mit 83 Kilo Muskeln auf 174 cm Körpergröße. „Surfen trainiert sehr gut Beine und Arme. Das sind die unterschiedlichsten Bewegungsabläufe“, sagt Lauterbach. Er spricht militärisch knapp. Mit leicht nordoberpfälzer Zungenschlag beklagt er, dass jetzt, wo er alt wird, seine Baywatch-Figur auf 68,5 Kilo abgeschmolzen ist. „Die Muskeln werd’n halt wenger. Dagegen müsst ich was nehmen. Aber dös dou i niad.“

Seine Frau Olga ist 13 Jahre jünger. Als sie mit 17 ihren Hans heiratete, brauchte sie die Unterschrift der Eltern. Sie ist das glatte Gegenteil: Sie mag keinen Sport, schon gar keinen Wassersport. Sie sitzt lieber im Campingstuhl und liest Krimis (gerade Jerry Cotton) oder trifft sich mit Damen zum Kaffeekränzchen im Cafe Mandl.

Das Windsurfen hat er sich als 50-Jähriger am Strand von Marina di Carrara selbst beigebracht. Warum er erst so spät eingestiegen ist: „Vorher hat’s es ned gebn.“ Drei Jahre zuvor hatte Peter Raatz in Berlin den heute ältesten Windsurfingverein der Welt gegründet (WSeV Berlin).

Eine junge Holländerin gab den Anstoß. Sie war die erste Windsurferin, die er auf seinem toskanischen Campingplatz, dem er 34 Jahre die Treue hielt, zu Gesicht bekam. Als seine Olga die Dame auf dem tyrrhenischen Meer kreuzen sah, sagte sie: „Schau Hans, des is a Sport.“

Olga war damals 37 Jahre alt, sie sagte das mit einem leichten Spott. Das wirkte wie ein Sporn in seinem Fleisch. Bis dahin hatte sich Hans Lauterbach auf Skiern vom Motorboot ziehen lassen. Er verkaufte das Boot und bestellte einen Bausatz mit Giebelbaum aus Holz und einem Steckschwert. „Ein Riesentrumm“, sagt Lauterbach. Die Bretter sind leichter und moderner geworden. Aber seine Leidenschaft hat kaum abgenommen. Nur im Urlaub zeltet er nicht mehr. Er sucht sich ein schönes Hotel am Strand.

Bis zu vier, fünf Stunden ist er im Wasser. Sein Jubiläums-Jahr beglückte ihn mit einem Super-Sommer. Junge fahren auf dem Guggenberger See immer noch hinter ihm her und wissen gar nicht, wie alt ihr Lehrer ist. Der Surf-Opa vom Guggi kennt alle Tricks und Kniffe und gibt sie an die Jungen weiter. Das ist seine Form von Dank für seine gesunden Gene, sein Tribut an den gnädigen Gott des Windes.