MZ-Serie
Der Humorist und sein „Stoßtrupp“

Bayerische Originale: Ludwig Schmid-Wildy verkörperte das liebenswürdige Schlitzohr. Aber seine Biografie hat auch Flecken.

21.01.2015 | Stand 16.09.2023, 7:05 Uhr
Fritz Wallner
Mit süßsauren Mienen „verwöhnen“ der Haslinger-Bauer (Walter Sedlmayr, r.) und seine zänkische Frau Nanni (Erni Singerl) den Großvater (Ludwig Schmid-Wildy), den sie sich für teures Geld gekauft haben. Der Komödienstadel aus dem Jahr 1976 war ein großer Quoten-Erfolg. −Foto: BR/Sessner.

Man kennt ihn mit dem Trachtenjanker, dem Seppelhut auf dem Kopf und das Gesicht in Falten gelegt als das liebenswürdige Schlitzohr mit der hohen Stimme aus dem Komödienstadel des Bayerischen Rundfunks: Ludwig Schmid-Wildy spielte an der Seite von Erni Singerl und Walter Sedlmayr den „verkauften Großvater“. Er war der Bürgermeister im Bauernschwank „Das sündige Dorf“, der Rötelbachbauer im „Herrgottschnitzer von Ammergau“ oder der Nachtwächter Vitus Dengl im Königlich Bayerischen Amtsgericht.

Theaterkritiker beschrieben ihn als den „unzerstörbaren bayerischen Volksschauspieler“. Aber in vielen Biografien von Ludwig Schmid-Wildy fehlt ein dunkles Kapitel: Zusammen mit dem Schriftsteller und SA-Führer Hans Zöberlein drehte er 1934 als Co-Regisseur und Darsteller zwei berüchtigte NS-Propagandafilme. Im „Stoßtrupp 1917“ und „Um das Menschenrecht“ wird die Kampfzeit der nationalsozialistischen Bewegung glorifiziert.

Karl Valentin war sein Vorbild

Ludwig Schmid-Wildy war der Sohn des Schwabinger Bildhauers Anton Schmid und wurde am 3. Mai 1896 in Aachen geboren. Schon mit neun Jahren stand er für seinen Vater Modell: Der Künstler gestaltete das Münchner Kindl am Neuen Rathaus der Stadt München und nahm dafür seinen Buben zum Vorbild. Der Junior sollte „etwas gescheites“ lernen und ging zu einem Konditor in die Lehre. Dort, so heißt es in seiner Biografie, lernte er Karl Valentin und dessen Schauspiel-Partnerin Liesl Karlstadt kennen, weil sie zu den Stammkunden in dem Geschäft gehörten. Er sei von den beiden so angetan gewesen, dass er beschloss, sich auf die Schauspielerei zu verlegen.

Aber zunächst kam der Erste Weltkrieg. Schmid-Wildy diente 1915 fünf Monate lang als freiwilliger Krankenpfleger in einem Lazarettzug in Russland und in Serbien. Anfang 1917 wurde er als dienstuntauglich aus der Armee entlassen. Bereits ab den 1920er Jahren begann er an kleinen Bühnen sowie beim Film Fuß zu fassen. 1932 wurde er Oberspielleiter des damals noch privat geführten „Volkstheaters“ in München, 1934 erschien er mit einer winzigen Rolle auf der Leinwand in „Schach der Eva“.

Berufsverbot nach Propagandafilmen

Im Ersten Weltkrieg spielt auch der Film „Stoßtrupp 1917“, den Schmid-Wildy als Co-Regisseur zusammen mit Hans Zöberlein drehte. Der von der in München ansässigen Filmfirma „ARYA“ produzierte Streifen war ein übles Propagandastück, avancierte aber zu den populärsten Kriegsfilmen im Dritten Reich. Er fußt auf Zöberleins Roman „Der Glaube an Deutschland”. Darin glorifiziert der SA-Mann seine Kriegserlebnisse als Soldat an der Westfront. Zöberlein schloss sich nach Kriegsende dem Freikorps Epp an und trat schon 1921 der NSDAP bei.

Die Originalrollen des Films galten jahrelang als verschollen. Mit Hilfe des Bundesfilmarchivs und verschiedener privater Sammler gelang es, eine vollständige Bild- und Tonfassung zusammenzustellen. Für eine deutsche DVD-Fassung der einschlägig bekannten Polar Film wurde diese wiederum um eine halbe Stunde gekürzt. Dabei wurden völkische und nationalsozialistische Passagen systematisch eliminiert. Eine Hauptrolle im „Stoßtrupp 1917“ hatte der spätere Volksschauspieler Beppo Brem inne. Ähnlich diesem Streifen war auch der Propagandafilm „Um das Menschenrecht“ wieder mit Co-Regisseur Schmid-Wildy gestrickt.

Die Exkurse in die nationalsozialistische Propaganda brachten Ludwig Schmid-Wildy nach 1945 mehrere Jahre Berufsverbot ein. In dieser Zeit zog sich Schmid-Wildy zurück und bastelte in seinem Haus am Irschenberg an eigenen Erfindungen. Neben einer Knödelmaschine und einem Turbinenmotor entwarf er eine weltweit patentierte, unbegrenzt lagerfähige Batterie. Das Patent ermöglichte ihm die Eröffnung einer eigenen Batterie-Fabrik mit 50 Angestellten.

Auf der Bühne und im Fernsehen

1952 war die Auszeit vorbei und Ludwig Schmid-Wildy kehrte auf die Bühne zurück. 20 Jahre leitete er in München das berühmte „Platzl“ und schrieb dort rund 200 Stücke. Auf der Kinoleinwand verkörperte Schmid-Wildy in zahllosen Schwänken, Lustspielen und Verwechslungskomödien den Bayern wie aus dem Bilderbuch.

Er trat auf der Bühne und im Fernsehen auf. „Die Junggesellenfalle“ (1953) oder „Die Bremer Stadtmusikanten“ (1959) hießen die Lustspiele. In rund 50 Rollen war er auf der Leinwand zu sehen, 18 seiner Drehbücher wie zum Beispiel „Der scheinheilige Florian“ wurden verfilmt, mehrmals führte er selbst wieder Regie.

Den Fernsehzuschauern gefiel er seit den 1960er Jahren in Volksstücken wie „Wenn der Hahn kräht“ (1964), „Die Pfingstorgel“ (1965) oder „Der Alte Feinschmecker“ (1965). 1966 mimte er den Zenz in dem von Rainer Erler gedrehten TV-Film „Das Bohrloch oder Bayern ist nicht Texas“ neben Fritz Straßner und Gustl Bayrhammer. Zu Schmid-Wildys letzten Fernsehrollen zählt die des Herrn Meier in der Kinderserie „Meister Eder und sein Pumuckl“ (1982). Er starb im Alter von 85 Jahren in Rosenheim.