Regensburg.
Der Kaschperl hat den Reißmatthias

Lautregeln und Spielarten von Fremdwörtern

21.05.2009 | Stand 21.05.2009, 18:20 Uhr

Verbindungen von „s plus Konsonant“ haben sich in der deutschen Standardsprache unterschiedlich entwickelt. Aus altem „slagen, smecken, snîden, swester, spitz, stein“ wurde neuhochdeutsch „schlagen, schmecken, schneiden, Schwester, schpitz, Schtein“. Merkwürdig ist, dass „schp, scht“ abweichend von der Lautung in der Schrift als „sp, st“ erscheinen, während in allen anderen Fällen die Schreibung mit „sch“ gilt. Hochsprachliche Artikulation verlangt im Inlaut „s“: „Kas-par, räuspern, Wurst, Förster“. Umgangssprachlich aber heißt es „Kaschpa, raischpan, Wuascht, Feaschta“. Ein „Kasperletheater“ gibt es in Bayern nicht, nur das „Kasperltheater“, gesprochen mit „schp“. Auch „Wirsing“ klingt gestelzt gegenüber „Wirsching“. Unmöglich wäre es zu sagen: „Das ist mir wurst“. Nur „wurscht“ stimmt. Auch die Schriftsprache kennt viele Entwicklungen von „rs“ zu „rsch“, wie „Hirsch, Arsch, pirschen, herrschen“.

In geläufigen Lehnwörtern spricht man die Buchstabenfolgen „sp“ und „st“ mit „sch“ (hier verkürzt mit „Š, š“ geschrieben). Auf diese Weise werden Wörter aus dem Englischen, Französischen, Italienischen und Lateinischen eingedeutscht: „Šport, Špikes, Špleen, Špaghetti, Šponsor, Špektrum, šprinten, Štart, Štopp, (Film-)Štar, Štore (Fenstervorhang), Štilett, Štraps, Štreik (englisch „strike“), Štandard, štabil, Štatistik, Štatur, konštruiern, Inštrument“ und viele weitere, im Gegensatz zu echten Fremdwörtern wie „Spam, Speedway, Stunt“ mit „s-p, s-t“.

Gut in die Mundart integriert sind „špekuliern“ für ,sinnieren und meditieren‘, aber auch „diskriern“ für ,sich angeregt unterhalten, diskutieren‘ (aus französisch „discourir“), und zwar in der Lautung „dischgrian“. Die unbetonte Mittelsilbe wird verschluckt – ähnlich wie dies der Fall sein kann bei „operieren, Operation, Zigarette, Apparat, Original“, verkürzt zu „oprian, Opration, Zigrettn, Àpràtt, Orginal“.

Ein Blumenstrauß wird abgerundet mit „Ašparàgas“ (auf der 3. Silbe betont, abweichend von fachsprachlich „Asparagus“ für Zierspargel, mit Akzent auf der 2. Silbe). Gefürchtet von Gärtnern sind die verschiedenen Arten von „Peranošpara“ (Peronospora), auf Nutzpflanzen schmarotzende Algenpilze; den schädlichen Hopfenmehltau bezeichnen die Hallertauer ebenfalls als „Peranošpara“. Einen Sonderweg geht „Wespe“ mit Umkehrung der Lautfolge (“sp“ zu „ps“): „Weps“, vereinfacht „Wess“. Ohne Rücksicht auf die Silbengrenze spricht man „s“ vor „t, d“ und auch vor „p, b“ als „š (also sch)“: „Donnerstag – Donnašdog, Aiglsbach – Oaglšbooch, Appersdorf – Appašdoaf, Regensburg – Rengšbuag/ buach, Abensberg – Omšbeag, Parsberg – Bošbeag“ .

Manche stutzen, wenn ihnen Wörter begegnen wie „Haschbalànt, Kobràtter, Quadutter, Kulefàtter, kulefàttern“ – mundartlich zurecht gebogene Lautformen für „Aspirant“ (im Sinne von Gehilfe), „Kooperator“ (Kaplan), „Koadjutor“ (Amtsgehilfe eines Bischofs), „Kultivator“ (Ackergerät zum Auflockern des Bodens).

Die Assimilation „pen“ zu „m“ hat Eingang gefunden in „Permdickl, Permendickl (Perpendikel), konsonantisch vereinfacht wurden „Ginasum, Ginastik“ (Gymnasium, Gymnastik) und „Bràdikànt, Špetàckl“ (Praktikant, Spektakel), ein „r“ wird eingeschmuggelt in „Orleander“ (Oleander) und „Kartàrrh“ (Katarrh). Bei „Åpfent, Àpfikàtt“ (Advent, Advokat) tritt Assimilation auf (“dv“ zu „pf“). Das Adjektiv „advokatisch (àpfikàttisch)“ steht für ‚auf juristischem Weg, unter Einschaltung eines Rechtsanwalts‘. Die Vokale finden sich verändert in „Steropur“ (Styropor), und man hört „Kaukau, Raudau“ (Kakao, Radau).

Meine Tante Anni fragte, wenn jemand aus der Bekanntschaft gestorben war: „Wann is’n ’s Reliquiem?“ Sie mischte sich aus „Requiem“ und „Reliquien“ ihr eigenes Fremdwort zusammen. Lustige Verunstaltungen liegen vor mit „algerisch“ für „allergisch“, „Filtrine, Infaulenza“ für „Vitrine, Influenza“. Der „Rheumatismus“ heißt volkstümlich „das Reißen“; als Mischung aus beiden Wörtern resultiert „Reißmaties“ bzw. „Reißmatthias“ (in Anlehnung an den Vornamen).