Kolumne
Der Krieg in Europa macht sprachlos

Unserer Kolumnistin schwirrt der Kopf wegen der Gräuel in der Ukraine. Es ist ein Spagat zwischen Sorgen und Lebensfreude.

13.04.2022 | Stand 15.09.2023, 6:00 Uhr
Maja Schoplocher
Maja Schoplocher ist die Tochter unserer Waldmünchner Büroleiterin Petra Schoplocher. Sie ist 17 Jahre alt und besucht das Fraunhofer-Gymnasium in Cham. Seit dem Beginn der Corona-Krise hatte sie Beiträge „aus der Isolation“ für unser Medienhaus geschrieben. Jetzt haben wir ihre Artikel in eine lose Serie überführt. −Foto: Uli Hu

Hallöchen! Obwohl ich normalerweise mit Worten ganz gut kann, habe ich mich noch nie so sprachlos gefühlt. Nun sitze ich hier auf meiner Couch, während meine kleine Katze auf dem Balkon Vögeln nachjagt und die Sonne scheint. Ich merke, wie langsam der Frühling kommt. Eigentlich ist das etwas, was mir nach dem langen Winter wieder erfrischende Kraft gibt.

Aber wieder einmal scheint alles zu pausieren. Es herrscht Krieg. Mitten in Europa, gerade einmal 1000 Kilometer entfernt. Die Welt dreht sich langsamer, jeden Tag wird es schlimmer. Und wahrscheinlich bringt es wenig, sich den Kopf groß darüber zu zerbrechen, aber ich bin lösungsorientiert. Ich versuche immer, Kompromisse, Lösungen zu finden. Doch nun bin ich sprachlos. Mein Köpfchen rattert und knattert, nichtsdestotrotz verschlimmert sich die Lage in der Ukraine immer mehr.

Wie Steine auf den Schultern

Die New York Times hat in letzter Zeit immer wieder Videos gepostet, die extra gekennzeichnet waren, dass sie „sensible Inhalte“ enthalten. Aber ich kann nicht wegschauen. Und dann kriege ich die Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Was wahrscheinlich ein Stück weit auch gut so ist, weil man so am besten gegen das Vergessen arbeiten kann. Doch manchmal möchte ich vergessen. Ich wünsche mich in eine Zeit zurück, als meine Mom mir noch das Brötchen aufgeschnitten hat und ich in scheinbar jeder Banalität etwas Besonderes gesehen habe. Als mich mein Opa in die Luft geworfen hat und ich das Gefühl hatte, für einen Moment schwerelos zu sein. Als ich bei meinem Papa auf dem Bauch geschlafen habe und scheinbar alles in Ordnung war. Jetzt ist es schwer geworden. Die Probleme dieser Welt sind auch meine Probleme.

Und gleichzeitig dreht sich die Welt irgendwie weiter. Das Leben legt keine Pause ein. Durch eine Verlosung der EU im vergangenen Herbst habe ich ein Interrail Ticket gewonnen. So bin ich in den vergangenen zwei Wochen durch Europa gedüst. Ich habe viel Zeit in Zügen verbracht, nachgedacht. Aber ich war auch glücklich. Ich war glücklich, als ich im Jardin du Luxemburg in Paris in der Sonne saß und meine Limonade geschlürft habe. Ich war glücklich, als ich den Fahrtwind beim Fahrradfahren in den Niederlanden gespürt habe oder als ich in Belgien eine Schokowaffel in der vollen Fußgängerzone gegessen habe. Ich habe ein bisschen abschalten können. Denn als ich nach Hause kam, war alles wieder da, mit voller Wucht.

Die Balance wiederfinden

Ich kann nicht sagen, dass ich im Alltag viel von dem Krieg mitbekomme oder betroffen wäre. Natürlich habe ich die allseits Aufsehen erregenden Spritpreise gesehen. Aber mein kleines rotes Auto verbraucht glücklicherweise so wenig Benzin, dass ich auf der Autobahn jetzt oftmals die großen, dicken Autos überholen kann, mit einem kleinen Lächeln im Gesicht. Weil PS nicht alles sind.

Mein großer Bruder arbeitet an der Grenze und ist deshalb noch einmal viel näher an dem Geschehen dran. Ich höre ihm gern beim Abendessen zu, wenn er erzählt, was wieder los war. Denn zuhören ist manchmal wichtiger als reden. Der Fernsehen lief nie viel bei uns. Aber seit dem Ausbruch des Krieges schaue ich nur noch die „Heute Show“ und die Satire-Sendung von Jan Böhmermann, keine Nachrichten oder Sondersendungen mehr.

Ich weiß gar nicht, wieso, aber ich lese lieber Nachrichten in der Zeitung, oft online. Vielleicht, weil ich dort auswählen kann, welchen Artikel ich gerade aufnehmen kann. Welche Bilder ich gerade sehen kann. Denn ich finde, es sehr wichtig, sich zu informieren und die Fotos anzusehen und zu verarbeiten. Nichtsdestotrotz muss man einen Mittelweg finden, um irgendwie einen positiven Blick auf das Leben nicht zu verlieren. Sich nicht kaputt machen zu lassen. Trotz allem Sch***, der gerade passiert.

Elefantastische Grüße, Eure Maja