Musik
Deutschrock in der Grauzone

Bands wie Frei.Wild oder Goitzsche Front sind äußerst erfolgreich. Hier können Rechtspopulisten andocken, sagen Experten.

02.02.2020 | Stand 16.09.2023, 5:07 Uhr
Marek Majewsky

Die Band Goitzsche Front (im Bild von links Sänger Pascal „Bocki“ Bock und Maximilian „Maxi“ Beuster) stürmte zum Jahresbeginn auf die vorderen Ränge der deutschen Charts. Foto: Alexander Prautzsch/dpa

Große, kräftige Männer mit meist sehr kurzen Haaren grölen, rempeln sich an, sind in bester Stimmung. Der Schweiß läuft. Auf der Bühne in Magdeburg steht die Deutschrock-Band Goitzsche Front. Es ist ihr Tourauftakt – ein Heimspiel für die vier Musiker aus Bitterfeld in Sachsen-Anhalt. Ihr neues Album „Ostgold“ hat im Januar auf Anhieb Platz zwei der deutschen Charts erobert.

Erfolgreiche deutsche Rockmusik sei natürlich kein neues Phänomen, sagt Thorsten Hindrichs, Musikwissenschaftler der Universität Mainz, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Halle/Saale. Neu sei allerdings, dass ihr Anteil seit der Jahrtausendwende größer geworden sei. Woran das liegt, sei schwer einzuschätzen. Der Experte sieht einen Grund darin, dass Musikverbände offensiv für deutschsprachige Künstler geworben hätten. Bands wie Frei.Wild aus Südtirol oder Böhse Onkelz könnten davon profitieren.

200 000 hörten Böhse Onkelz

Zwar distanzierten sich die Onkelz-Musiker von rechtsextremem Gedankengut, doch bis heute blieb der Band ein gewisses Image erhalten. Ihrem Erfolg tut das auch nach ihrem Comeback im Jahr 2014 keinen Abbruch. Ein Jahr später besuchten rund 200 000 Menschen Konzerte der Musiker am Hockenheimring. Im Februar soll ein neues Album erscheinen.

Ein weiterer Punkt, der solchen Bands Erfolge beschert: Sie machen es Deutschrock-Fans leicht, sich mit ihnen zu identifizieren. „Diese Bands inszenieren sich als ganz normale Jungs von nebenan“, sagt Hindrichs. Von Frei.Wild heißt es dazu: „Kunst und Musik leben und lebten seit jeher von Inszenierung.“ Wobei die Bandmitglieder „wirklich ganz normale Jungs von nebenan“ seien und sich nicht verstellten.

Skinheads:Comeback:
Die Onkelz hatten 25 Jahre lang in ausverkauften Hallen gespielt und sich 2005 vorerst getrennt. Anfangs hatten sie zur Skinhead-Szene gehört. Die Onkelz-Musiker distanzierten sich von rechtsextremem Gedankengut.Bis heute blieb der Band ein gewisses rechtes Image erhalten. Ihrem Erfolg tut das auch nach dem Comeback 2014 keinen Abbruch. Ein Jahr später besuchten rund 200 000 Menschen Konzerte der Musiker am Hockenheimring.

„Die Texte zeugen von einem einfachen Weltbild. Es geht um Gut gegen Böse, Schwarz und Weiß, unten gegen oben“, sagt Hindrichs. Frei.Wild erwidert, die Welt sei manchmal eben weit weniger kompliziert als gedacht. Es gebe eine „inszenierte Verkomplizierung des Weltgeschehens zwischen Parlamenten, Medienstuben und Stammtisch“. Hindrichs sagt, dass in diesen Deutschrock-Liedern zudem häufig gegen möglichst unbestimmte Feinde angesungen werde. Dies könnten Akademiker, Politiker oder Medien sein. „Das macht manche Bands auch für rechtspopulistische Einstellungen anschlussfähig“, sagt der Mainzer Experte. Weder Politiker noch Medien oder Akademiker seien Feinde, betont indes Frei.Wild. Innerhalb der Forschung wird Anti-Elitarismus, also die Positionierung gegen eine als Elite wahrgenommene Bevölkerungsschicht, auch von anderen Wissenschaftlern als Merkmal des Populismus herausgestellt. Der Bonner Politikprofessor Frank Decker stellt fest, dass sich Populismus in Opposition zum angeblichen Establishment befinde. Er schreibt: „Gerade dieser Außenseiterstatus verschafft ihm Glaubwürdigkeit unter seinen Anhängern.“ Dies sei auch ein Merkmal linker Populisten.

Laut Hindrichs gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Bands. Zwar sei oft von Freundschaft, Treue und Familie die Rede, die Heimatverbundenheit unterscheide sich jedoch. So betreibe Goitzsche Front eher Ostalgie. Auch der Name ihres neuen Albums spricht dafür: „Ostgold“. Frei.Wild mache dies anders: „Fragen zur Zugehörigkeit beantwortet die Band mit Vätern, Söhnen und Ahnen. Der Volksbegriff bei Frei.Wild ist sehr Blut-und-Boden-behaftet“, sagt Hindrichs. Die Band weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass in der Region Tirol Menschen aus mehr als 100 Ländern zuhause seien. „Auch das ist für uns Heimat.“

Klare Ansage gegen rechts

Den Bands ist die Problematik, als rechts zu gelten, natürlich bekannt. So tritt der Schlagzeuger von Goitzsche Front häufig in „FCK NZS“-Shirt auf – ein Kürzel für „Fuck Nazis“. Fans reagieren darauf in sozialen Netzwerken unterschiedlich. „Ich fand euch ja sympathisch, aber das muss ich echt nicht haben“, kommentiert ein Nutzer einen entsprechenden Facebook-Kommentar der Band. „Find ich gut. Die Ansage gegen rechts ist sinnvoll“, meint ein anderer. Frei.Wild hatte vor rund fünf Jahren mit einem Statement für Aufmerksamkeit gesorgt. Auf ihrer Homepage sprachen sich die Rocker gegen Menschen aus, die Rassismus und Fremdenhass befeuern. „Es ist Wurscht, wie sich solche Idioten und Gruppierungen nennen, ganz egal ob Pegida, AfD, „keine Asylanten in...“ usw.“, hieß es dort.

Seit dem Statement 2015 sei die Band in der deutschen Naziszene unten durch, erläutert Hindrichs. Diese habe bis dahin gehofft, dass Werte wie Blut und Boden durch die Musiker normalisiert werden, und die Frei.Wild-Aussagen dann als „Einknicken vor dem linken Mainstream“ angesehen. Die Diskussion, ob solche Statements glaubwürdig seien, hält Hindrichs für müßig: Hinter eine so klare Positionierung könne Frei.Wild nicht zurück.

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