Musik
Die Adler fliegen wieder

Nach dem Tod ihres Frontmanns Glenn Frey schienen die Eagles am Ende. Nun steigen sie wie Phönix aus der Asche auf die Bühne.

16.04.2019 | Stand 16.09.2023, 5:44 Uhr
Olaf Neumann

Die Eagles 2001 bei einem Konzert in Zürich: Seit ihrer Wiedervereinigung 1994 feiert die Band mit ihren Auftritten weltweit riesige Erfolge – auch nach dem Tod von Glenn Frey. Foto: Franco Greco/dpa

Wer die Eagles zum Interview treffen will, muss ihnen wohl oder übel hinterherfliegen. Das kann auch schon mal eine halbe Weltreise bedeuten. Beim Termin im fernen Taiwan gönnte sich die amerikanische Band schlechthin einen freien Tag inmitten einer anstrengenden Welt-Tour.

Wären da nicht die Falten und Bauchansätze der Musiker, käme man sich vor wie gefangen in einer Zeitkapsel. Die 1970er-Jahre sind ohne die Songs der Eagles über Western-Outlaws, Kalifornien und Tequila undenkbar. Das Album „Their Greatest Hits (1971-1975)“ gilt mit 38 Millionen Einheiten bis heute als das meistverkaufte in der US-Musikgeschichte. 1998 wurden die Eagles in die Rock & Roll Hall Of Fame aufgenommen.

Die Gruppe um Don Henley (71), Joe Walsh (70) und Timothy B. Schmit (70) kann auch nach einer halben Ewigkeit im Rockbusiness noch künstlerisch überzeugen, besonders Henleys warme, leicht nasale Stimme und Schmits süßlicher Falsett erzeugen wohlige Schauer. Ihre dreistündigen Konzerte sind technisch perfekt, jede Nuance wirkt einstudiert, die Songs haben kaum Ecken und Kanten. Mit Ausnahme der rockigen Soloeinlage des Leadgitarristen Joe Walsh klingt alles rund und schön, manchmal aufwendig mit zusätzlichen Bläsern und Keyboards.

Deacon Frey ersetzt den Vater

Dass die Band überhaupt noch existiert, grenzt an ein Wunder. Gründungsmitglied Glenn Frey, einer der erfolgreichsten Songschreiber in der Geschichte der Rockmusik, starb im Januar 2016 im Alter von 67 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Bei der Beerdigung sang sein Sohn Deacon (24) die Eagles-Ballade „Peaceful Easy Feeling“. So schwer ihm das auch gefallen sein muss - in dem Moment wirkte der junge Gitarrist und Sänger auf Don Henley mutig und gefasst.

„Die Leute haben gewisse Erwartungen an uns.“Don Henley, Eagles

Wenige Monate später wurde Deacon Frey offizielles Mitglied der reformierten Eagles – neben dem anderen Neuzugang Vince Gill (61). Der 20-malige Grammy-Gewinner und Gitarrist aus Nashville war ein Golfpartner von Glenn Frey und passt mit seinem countryinfizierten Popsound perfekt zu den Eagles. „Er ist wahrscheinlich der fröhlichste Typ auf der Bühne“, witzelt der Multiinstrumentalist und Leadsänger Don Henley.

Nur sieben Studioalben

Ob die Band in dieser Besetzung jemals ein Studio betreten wird, steht in den Sternen, zumal die Eagles in ihrer fast 50-jährigen Karriere nur sieben reguläre Studioalben veröffentlicht haben. Diese gingen zusammen mit diversen Liveplatten und Hitkopplungen bis heute 160 Millionen Mal über den Ladentisch. Voriges Jahr wurde das Gesamtwerk der Band stilvoll wiederveröffentlicht - in Form einer schweren Vinyl-Box mit 15 Studio- und Live-LPs beziehungsweise einer Box mit zwölf CDs, einer DVD und einer Blu-Ray. Die Vinylversion kommt zusätzlich mit einem Hardcover-Buch im LP-Format daher. Der renommierte Toningenieur Bob Ludwig hat die Liveaufnahmen sowie die Singles- und B-Seiten-Zusammenstellung remastered.

Die beiden Boxen sind nichts für den schmalen Geldbeutel, aber bieten viel fürs Geld. Auch wer den Eagles bei ihrer Reunion-Tour richtig nahe sein will, also in einem der bestuhlten vorderen Blöcke, muss dafür ziemlich tief in die Tasche greifen: rund 400 Euro. Die billigsten Sitzplätze gibt es für rund 70 Euro.

„Aber nur weil das Publikum uns so mag, wie wir sind, gibt es uns immer noch.“Don Henley, Musiker

Für die Fans der Eagles ist eine Show ohne das 1976 von Glenn Frey, Don Henley und Don Felder geschriebene „Hotel California“ unvollständig. Hat die Band jemals darüber nachgedacht, ihren Erkennungssong einfach wegzulassen oder ihn völlig umzukrempeln à la Bob Dylan? „Nein, wir denken nicht an künstlerischen Selbstmord“, kontert Henley. „Die Kritiker lieben es, wenn Dylan seine Klassiker durch den Wolf dreht, aber wenn sie mich fragen, ruiniert er damit seine Karriere. Seine Performance bei den Grammys war definitiv nicht gut! Die Leute haben gewisse Erwartungen an uns, wir sind keine experimentelle Band, wir sind ziemlich vorhersagbar. Dafür werden wir von Kritikern niedergemacht. Aber nur weil das Publikum uns so mag, wie wir sind, gibt es uns immer noch.“

Keine Kultur-Botschafter

Die Eagles wurden zum Synonym für Amerika. Aber sie müssen auch etwas haben, das Menschen in Deutschland, der Schweiz, Asien oder Australien anspricht. Sieht die Band sich selbst als kulturelle Botschafter ihrer Heimat? „In solchen Kategorien denken wir nicht“, sagt Don Henley. „Wir haben vor ein paar Jahren erstmals in China und Taiwan gespielt. Amerikanischen Rock ’n’ Roll kennt man dort erst seit 25 Jahren, aber jetzt sprießen auch in diesen Ländern Bands aus dem Boden. Ich kann nicht erklären, weshalb wir in Asien so viele Fans haben. Das Wort Kalifornien hat wohl eine symbolische Bedeutung für viele Menschen, es steht für westliche Pop-Kultur. Amerikanische Kultur wurde bis in den letzten Winkel der Welt exportiert. Ich bin nicht sicher, ob ich das immer gut finden soll, aber die Popularität des Songs Hotel California hat auch etwas mit dem Wort Kalifornien zu tun.“

Joe Walsh hat sämtliche Höhen und Tiefen des Musikgeschäfts durchlebt und sich durch „Life’s Been Good“ selbst ein Denkmal gesetzt. Für den Gitarrengott gibt es heute nichts Schöneres, als in dieser Band zu sein. „Es kann passieren, dass man dieses Gefühl eine Zeit lang nicht hat, aber es kommt immer wieder. Dann hat man keine Kontrolle mehr über das, was man da gerade macht. Jeden Abend punkt 20 Uhr muss ich dem Publikum weißmachen, dass ich immer noch 25 bin – und zwar für drei Stunden. Diese Art von Disziplin liebe ich.“

In Deutschland spielen die Eagles am 28. Mai in Köln und am 30 Mai in München.

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