Vernissage
Die Fotografin im Schneewittchensarg

Blaibach: Zu einer Vernissage unter dem Titel „Ach bleib!“ haben am Freitag die Fotografen Jutta Goerlich und Edward Beierle ins Bürgerhaus geladen.

07.09.2014 | Stand 16.09.2023, 7:14 Uhr
Monika Kammermeier

Am Ende der Ausstellungsstrecke, beim Restaurant Enoteca, ist das Bild „Schneewittchensarg“, der Kuchentheke der Christel-Bäckerei mit der schwarzen Frau darin liegend.Fotos: kmo

Zu einer Vernissage ihrer Fotoinstallationen in Blaibach unter dem Titel „Ach bleib!“ haben am Freitag die Fotografen Jutta Goerlich und Edward Beierle ins Bürgerhaus eingeladen. „40 Leute waren erwartet“, sagte Bürgermeister Wolfgang Eckl, „120 sind gekommen, um Kunst zu sehen.“

Zum Auftakt sang der Kirchenchor mit Organist und Altbürgermeister Karl Trenner das Blaibach-Lied. Sänger Thomas E. Bauer sagte, dass sich der Bau des Konzerthauses im großen Finale befinde. Die Ausstellung mit der Melancholie der Bilder sei sozusagen das Präludium der Kulturwald-Festspiele. Schon am Samstag kämen die ersten Künstler, 750 Übernachtungen allein seien es nur für die Künstler insgesamt. Es werde Begegnungen zwischen ihnen und den Leuten hier geben, die ihren Bezug zu Ort und Bildern erläutern könnten – mit der Option „Ach bleibt und kommt wieder“.

Jutta Goerlich, die Protagonistin in den Bildplakaten als schwarze Frau, sagte: „Blaibach stirbt nicht, es bleibt vital, bleibt am Leben.“ Mit den berührenden Fotos und der „schwarzen Mamba“, wie die in den meisten Fotos installierte schwarze Frau genannt werde, nehmen Goerlich und Beierle Beziehung auf zu den Gebäuden, die im Leben Blaibachs wichtig waren und sind. Mit der schwarzen Frau habe man unbelebte Architektur belebt, so Beierle. Auf großen Tafeln an unterschiedlichen Plätzen wie Bäckerhaus, Schwimmbad, Waidlerhaus, Geschäften, Scheune und Privathäusern seien die auftapezierten Bilder bis Allerheiligen zu sehen. Dann würden sie verblassen. Bauer habe die Ausstellung mitfinanziert, und viele hätten geholfen, wie die Familie Olschewski zum Beispiel.

Die Besucher machten sich nach einem Begrüßungstrunk mit Edward Beierle und Jutta Goerlich auf den Weg, um im Ortskern, der zur Galerie wurde, die überdimensionalen Kunstwerke zu besichtigen. Die Ausstellung verteilt sich im ganzen Ort. Weiches Abendlicht, die Wege durch Blaibach und exquisite Kunst trafen die Seelen der Betrachter. Und dennoch: Die Stimmung wurde trotz der melancholischen Aussagen der Bilder lebhafter.

Erste Station war das geschlossene Freibad, über dessen Existenz die Optionen noch offen sind: gelbe Schließfächer mit gelben Bänken, vom Fotografen kapellenartig verstanden – die schwarze Frau betend dazwischen. Am Kassenhäuschen der „Blick von Innen im leeren Raum“. An der Garage „die traurige Braut“ mit den Entchen im Schleier, ein Bild, das in der Christl-Bäckerei vor dem „Verschwinden“ der Räume entstand. Dann „die schwarze Frau mit dem Schrank über sich und dem Blumenteppichmuster der 70er- Jahre“ an einer Schwimmbadwand. Es drücke die Schwere und Last aus, die möglicherweise ertragen wurde, sagte Beierle. Bei der Pechfabrik „die Frau, mit den Füßen im Wasser“ neben einem aufgetürmten Holzstoß.

Auf dem Plakat am Baumgartnerhaus richtete sich der Blick auf Vergangenes, das Licht der Fenster verheiße Zukunft, so Beierle. An einer Scheune gibt es eine umgedrehte Version mit „Deckenfresko“ aus Farbeimern. Am Kieflhaus ist eine Aufnahme aus der Backstube der Christl-Bäckerei.

Auf dem Weg durch den Ort begegnet man der „Religiosität in der Küche“, dem „Kaugummiautomaten, den die schwarze Frau liegend festhält“, und zuletzt, beim Restaurant Enoteca, dem „Schneewittchen-Sarg“. Auf dieser Darstellung liegt die schwarze Frau in einer Kuchentheke wie Schneewittchen im Glassarg.

Den Fotografen ist in großer Kulisse eine bewegte und bewegende, großartige Ausstellung gelungen, die dem Ort Blaibach und seinem Vergehenden alle Ehre gibt. Wenn an Allerheiligen – der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein – die Bilder durch das Licht verblasst sein werden, ist nur noch das Jetzt, das neue, komplett veränderte Blaibach, mit seinem Konzerthaus, dem neuen Bürgerhaus und dem renovierten Waidlerhaus. „Und allem Neuen wohnt ein Zauber inne“ (frei nach Hermann Hesses „Stufen“).