Menschen
Die Lady lächelt nur für das Foto

Margit Brandl, Chefin des Hauptzollamts, spricht über den „genialen“ Wohnort Regensburg, Kneitinger, Schwarzarbeit und Glück.

20.02.2016 | Stand 16.09.2023, 6:57 Uhr
Oberste Zöllnerin: Seit sechs Jahren leitet Margit Brandl das Hauptzollamt Regensburg mit 850 Mitarbeitern. −Foto: altrofoto.de

Im Seiteneingang des Hauptzollamts warten Brummifahrer auf Papiere. Lebhaft tauschen sie sich auf Ungarisch und Türkisch aus. Pressesprecher Michael Lochner kommt die Treppe herunter und weist den Weg zu seiner Chefin Margit Brandl. Die 55-Jährige wartet in ihrem kargen Büro.

Sie ist von Kopf bis Fuß eine Lady, zurückhaltend, aber stilvoll gekleidet: Pulli und Hose in Beige, darüber ein braunes Sakko. Während des Interviews wirkt sie konzentriert, lächelt kein einziges Mal. Man spürt: Die 55-Jährige steht 300-prozentig hinter ihrer Behörde. Beim Fototermin beweist Brandl Geduld – und lacht charmant.

Frau Brandl, Sie sind bei Ihrem Amtsantritt vor sechs Jahren nach Regensburg gezogen. Ihr Mann lebt seit 2001 hier.

Ich hatte eine leitende Stelle bei der Bundesfinanzdirektion in Nürnberg und konnte 2010 Gott sei Dank nachkommen. Mein Mann und ich arbeiten beide und waren selten an einem gemeinsamen Ort – nur von 1987 bis 1989 in Nürnberg.

Wie erleben Sie Regensburg als Wohnort?

Genial. Es ist überschaubar. Wir gehen alles zu Fuß, weil wir stadtnah am Galgenberg wohnen. Regensburg ist architektonisch schön und heißt nicht umsonst nördlichste Stadt Italiens. Es ist durch die Hochschulen sehr jung. Die Stadt lebt. Das hat man nicht überall. Andere Städte sind verwaist, wenn die Geschäfte schließen. Hier gibt es eine lebendige Szene. Für jeden ist etwas dabei.

Für Sie auch?

Ja, wir gehen gerne zum Italiener ums Eck. Welcher es ist, verrate ich nicht. Beim Kneitinger waren wir am Faschingsdienstag. Das ist ein toller Fasching. Man kann sich ins Gewühl stürzen, wenn man will. Die Lautstärke erlaubt es aber noch, sich zu unterhalten.

Ihr Lieblingsgericht beim Italiener?

Baby-Calamari mit Gemüse – und vorher ein kleines Carpaccio. Er kocht gut, das Lokal ist nett.

Sind Sie einverstanden mit der Stadtpolitik?

Die Stadt muss sich schnell ein Verkehrskonzept überlegen. Viele Firmen haben sich angesiedelt. Um Regensburg herum hat der Verkehr enorm zugenommen. Wenn Staus sind, weichen die Autos in die Stadt aus. Man sollte nicht nur darüber reden, sondern das Ganze in die Tat umsetzen.

Ihre Behörde stellt erst seit den 90er Jahren Frauen ein. Heute leiten Frauen das Hauptzollamt und das Zollamt.

Bei uns arbeiten inzwischen mehr Frauen als bei der Polizei. Im Hauptzollamt Regensburg sind es 26 Prozent. Der Zoll möchte gerne mehr Frauen in Führungspositionen bringen. Wir verfolgen einen Gleichstellungsplan. Es wird ermöglicht, dass auch Führungskräfte Teilzeit arbeiten können. Wir haben 158 Teilzeitbeschäftigte. Außerdem bieten wir 67 Tele-Arbeitsplätze. Diese Mitarbeiterinnen müssen nur an zwei Tagen in die Dienststelle.

Ihr Amt kämpft gegen Schwarzarbeit.

Wir machen Schwerpunktkontrollen, etwa auf Baustellen und in der Gastronomie. Auch die Umsetzung des Mindestlohns überwachen wir. Oft erhalten wir Anzeigen aus der Bevölkerung, dass auf einer Baustelle Schwarzarbeiter sind. 2014 haben wir Fälle aufgedeckt, bei denen elf Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen vorenthalten wurden. 2015 haben wir die Summe deutlich gesteigert.

Der spektakulärste Fall?

Ein Unternehmer vermittelte osteuropäische Pflegekräfte, die rund um die Uhr bei den alten Menschen waren und natürlich keinen Mindestlohn erhielten. Bei 24 Stunden kann das niemand bezahlen. Das Spektakuläre: Der Mann verpflichtete die Osteuropäerinnen, in der Wohnung zu bleiben. Aufmerksam wurden die Zöllner durch eine Anzeige, in der für 24-Stunden-Pflege geworben wurde. Ermittlungen folgten. Der Unternehmer hörte auf und entließ die 30 Pflegekräfte. Die Senioren standen ohne Helfer da. Das muss politisch geregelt werden. Die Abgrenzung zwischen Bereitschaftsdienst (vor Ort, Mindestlohn 8,50 Euro) und Rufbereitschaft fehlt. Die Pflegekräfte müssen ordentlich entlohnt werden, aber auch die Auftraggeber müssen sie bezahlen können.

Wird der Mindestlohn auf Baustellen bezahlt?

Ja, ganz überwiegend. Aber Scheinselbstständigkeit spielt eine große Rolle. Das heißt,der Unternehmer spart sich dabei die Sozialversicherungsbeiträge.Bei Schwerpunkt-Kontrollen in einer Branche schicken wir schon mal 50 Leute raus. Regensburg ist zurzeit führend, was Baustellen anbelangt. Wir kontrollieren laufend und verdachtsunabhängig alle größeren Baustellen in und um Regensburg. In die Gastronomie gehen wir in Zivil und tragen die Waffe verdeckt.

Warum trägt die Finanzkontrolle Schwarzarbeit überhaupt Waffen?

Weil sie berechtigt sind, eine Maßnahme mit Zwang durchzusetzen, und vor allem zur Eigensicherung. Wir kontrollieren ja auch den grenzüberschreitenden Warenverkehr nach verbotenen Dingen: Rauschgift, gefälschte Markenware, Arzneimittel und Abfall. Außerdem Verstöße gegen den Artenschutz.

Heuer kommt wieder mehr Crystal. Die Kollegen stehen auch nachts an Grenzen und Autobahnen. Täter, bei denen sie etwas finden, tragen oft verbotene Waffen mit sich – Schlagringe, Elektroschocker. Die Angriffe haben zugenommen. Aber Waffengebrauch ist die Ultima Ratio. Zunächst wird waffenlose Selbstverteidigung angewandt.

Sie haben wenig Muße. Was lesen Sie?

Im Moment die Mittelbayerische und die Süddeutsche Zeitung. Bücher so gut wie gar nicht, weil ich so viel am Computer sitze, dass ich mich in der Freizeit lieber bewege. Beim Wandern und Golfen kriege ich wunderbar den Kopf frei. Zurzeit trainiere ich im Fitness-Studio.

Was macht Sie glücklich?

Zusammen mit meinem Mann gesund alt werden. Das wäre für mich das größte Glück.

Was kann man von Kindern lernen?

Unbeschwertheit. Die Dinge auf den Punkt zu hinterfragen und es nicht zu akzeptieren, wenn etwas nicht geht. Wir haben kürzlich eine Karte bekommen mit den Worten „Alle haben gesagt, es geht nicht. Einer hat es nicht gewusst und einfach gemacht.“ Bei Kindern ist das so. Das finde ich herzerfrischend.

Lesen Sie auch: In der Serie „Reden über Gott und die Welt...“ spricht Autorin Marion Koller mit Menschen aus allen Gesellschaftsbereichen über aktuelle oder persönliche Themen. Weitere Teile der Reihe gibt es hier!