Natur
Eine kleine Qualle erobert Bayerns Seen

Vor einigen Jahren galt die Süßwasserqualle als selten, Funde wurden als Sensation gefeiert. Nun taucht sie immer öfter auf.

29.08.2017 | Stand 16.09.2023, 6:28 Uhr

Gerade einmal drei Zentimeter groß und für den Menschen völlig ungefährlich: die Süßwasserqualle Foto: Katrin Schachtl/LMU München

Sie zählen zu den ältesten Tieren der Erdgeschichte und sind nach wie vor in allen Meeren der Welt zu Hause: Quallen. Schon der bloße Gedanke an sie sorgt bei dem ein oder anderen für Unbehagen, schließlich gelten nicht wenige Arten der sogenannten Nesseltiere als hochgiftig. Der Kontakt mit Vertretern wie der Haar- oder der Feuerqualle löst schmerzhafte Reaktionen aus, eine Begegnung mit einer Würfelqualle kann für Menschen sogar tödlich enden. Doch längst sind die im wissenschaftlichen Sprachgebrauch als Medusen bezeichneten Tiere nicht mehr nur in Meeren zu finden, sondern auch immer häufiger in Ostbayerns Badeseen.

Ursprünglich aus Asien stammend, fanden die Tierchen durch die Einfuhr von Zuchtfischen und exotischer Pflanzen den Weg nach Ostbayern. Badegäste sichteten die Süßwasserqualle unter anderem bereits im Roither See bei Mintraching, im Luberweiher bei Niederalteich sowie in mehreren Seen in den Landkreisen Deggendorf und Passau.

„Badegäste haben darüber berichtet, also sind wir mit Seglern rausgefahren und haben Ausschau nach den Süßwasserquallen gehalten.“Elisabeth Sojer-Falter, Verein für Naherholung

Auch im Guggenberger See bei Neutraubling sollen sich die Nesseltiere tummeln, wie Elisabeth Sojer-Falter vom Verein für Naherholung Regensburg bestätigt. „Badegäste haben darüber berichtet, also sind wir mit Seglern rausgefahren und haben Ausschau nach den Süßwasserquallen gehalten“, erklärt sie. Ihre Suche blieb allerdings erfolglos, vermutlich aufgrund der Tatsache, dass die Tierchen schon bei geringen Temperaturunterschieden von nur einem halben Grad urplötzlich wieder verschwinden, wie Sojer-Falter glaubt.

Über 100 Fundorte in Deutschland

Die „Craspedacusta sowerbii“ ist im Gegensatz zu ihren Verwandten aus dem Meer aber für den Menschen völlig ungefährlich. Vermehrt wird die Süßwasserqualle, die es ausgewachsen auf gerade einmal drei Zentimeter Gesamtgröße bringt, derzeit im gesamten Freistaat gesichtet. Um ein neues Phänomen handelt es sich dabei aber nicht. „Eigentlich gibt es die schon seit etwa 100 Jahren bei uns“, erklärt Katrin Schachtl.

Seit mittlerweile drei Jahren arbeitet die Doktorandin der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) an ihrer Forschung zu den Tierchen. Erstmals aufgetreten seien die kleinen Nesseltiere bereits 1905 im botanischen Garten, „seitdem gibt es über 100 Fundorte in ganz Deutschland“, sagt Schachtl. Nichtsdestotrotz müsse die Rolle der Quallen in den bayerische Süßgewässern aber noch genau untersucht werden. Bis dato ist klar: Die Süßwasserqualle hat kaum Feinde. Ein Grund: Als Beute taugt sie nichts. Die Quallen haben schlichtweg zu wenig Nährgehalt, schließlich bestehen sie zu 99,3 Prozent aus Wasser.

Negative Auswirkungen auf den Fischbestand haben die Tiere laut Schachtl nach jetzigen Erkenntnissen nicht. „Die Quallen haben eine neutrale Bedeutung“, erklärt die Doktorandin. „Sie ernähren sich von Zooplankton, also von winzigen, im Wasser freischwimmenden Organismen, wie Ruderfußkrebsen, Wasserflöhen und Rädertierchen.“ Somit finden die Quallen ihre eigene Nische im Naturkreislauf. Forscher sehen im vermehrten Auftreten der Süßwasserquallen alles andere als eine Plage, denn die Ansiedlung der Tierchen in heimischen Gewässern ist für sie ein Beleg für die gute Wasserqualität. Katrin Schachtl spricht deshalb vielmehr von einem „erfreulichen Anblick“, schließlich würden auch Badegäste die Tierchen beim Schwimmen kaum spüren.

Offene Fragen bei der Vermehrung

Trotz vieler Erkenntnisse stehen die Forscher bei ihren Untersuchungen noch vor einigen offenen Fragen – vor allem in Sachen Vermehrung. Denn: In heimischen Gewässern werden selten zur gleichen Zeit am gleichen Ort beide Geschlechter der Quallen gefunden, weswegen die sexuelle Fortpflanzung hierzulande eher selten sei, wie Schachtl erklärt. Doch die Süßwasserquallen können sich auch auf weitere Wege vermehren: Wie auch bei anderen Nesseltieren weit verbreitet können sich die Tierchen durch Knospung ungeschlechtlich fortpflanzen. So entstehen mehrere neue Polypen – also noch nicht vollständig entwickelte Tiere – aus denen dann wiederum eine Kolonie entsteht. Zu sehen sind die Süßwasserquallen überwiegend am Abend, denn dann steigen die sie an die Wasseroberfläche auf. Im Tagesverlauf sinken sie dagegen meist in größere Tiefen ab – und bleiben so für Badegäste weitgehend unsichtbar.

Falls Sie Süßwasserquallen in einem Gewässer entdecken sollten, melden Sie es bitte der Aquatischen Ökologie der LMU München unter folgender Adresse:

E-Mail:katrin.schachtl@bio.lmu.de,Telefon: 089 / 2 18 07 42 13Infos zum laufenden Projekt der LMU unter:http://aquatische-oekologie.bio.lmu.de/forschung/index.html

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